KOLOSSER

Kolosser Kapitel 2 Teil IV

Kolosser 2.13-15

Und hat auch euch mit ihm lebendig gemacht, da ihr tot wart in den Sünden und in der Vorhaut eures Fleisches; und hat uns geschenkt alle Sünden, und ausgetilgt die Handschrift, so wider uns war, welche durch Satzungen entstand und uns entgegen war, und hat sie aus dem Mittel getan und an das Kreuz geheftet; und hat ausgezogen die Fürstentümer und die Gewaltigen, und sie schaugetragen öffentlich, und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst.

 

Paulus ermahnt die Kolosser, das auf sich selbst anzuwenden, was er im Allgemeinen gesagt hat, und erinnert sie zugleich daran, wie unsinnig es wäre, wenn sie, die vor ihrer Bekehrung zu Christus Heiden waren, nun zu den mosaischen Zeremonien überspringen wollten. Ihr wart, sagt er, tot in der Vorhaut. Das kann in eigentlichem und in übertragenen Sinne verstanden werden. Nimmt man es eigentlich, so ist der Sinn: Die Vorhaut ist das Kennzeichen der Entfremdung von Gott; denn wo kein Gnadenbund ist, da ist Unreinigkeit und deshalb Fluch und Untergang. Aber Gott hat Euch aus der Vorhaut, also aus dem Tode, zu sich berufen. So wäre die Vorhaut nicht die Ursache des Todes, sondern das Zeugnis ihrer Entfremdung von Gott. Wir wissen aber, dass die Menschen anders kein Leben haben als in der Gemeinschaft mit ihrem Gott, welcher allein ihr Leben ist. Daraus folgt, dass alle Gottlosen, wie sehr sie sich auch einbilden zu leben und zu gedeihen, doch geistlich tot sind. So stimmt diese Stelle überein mit Epheser 2.11, wo es heißt: Gedenkt daran, dass ihr, die ihr weiland nach dem Fleisch Heiden gewesen seid, und die Vorhaut genannt wurdet von denen, die Genannt sind die Beschneidung nach dem Fleisch, die mit der Hand geschieht, dass ihr zu derselbigen Zeit wart ohne Christus, fremd und außer der Bürgerschaft Israels, und fremd von den Testamenten der Verheißung. – Bevorzugt man einen übertragenen Sinn, so würde Paulus zwar an die natürliche Vorhaut anspielen, tatsächlich aber die Widerspenstigkeit des menschlichen Herzens wider Gott und unsere in bösen Begierden verderbte Natur meinen. Ich ziehe indessen die erstere Auslegung vor, da sie dem Zusammenhang angemessener ist. Paulus zeigt nämlich, dass ihre Vorhaut für die Kolosser kein Hindernis war, des Lebens Christi teilhaftig zu werden; folglich würde es nur der empfangenen Gnade Abbruch tun, wenn sie sich jetzt beschneiden ließen. Wenn Paulus aber den Tod mit der Vorhaut in Zusammenhang bringt, so denkt er doch die Vorhaut nicht als Ursache, sondern lediglich als Wahrzeichen des Todes, ganz wie in der angeführten Stelle aus dem Epheserbriefe. Es ist überhaupt die Weise der Schrift, auf das fehlende Zeichen hinzuweisen, womit doch eigentlich gemeint ist, dass die Sache selbst fehlt. In diesem Sinne will zum Beispiel 1. Mose 3.22 verstanden sein: damit Adam nicht etwa esse von dem Baum des Lebens und lebe ewiglich. Denn der Baum verlieh das Leben nicht, sondern seine Entziehung war das Zeichen des über Adam verhängten Todes. Beides drückt Paulus hier in gedrängter Kürze aus. Er sagt, sie seien tot gewesen, in den Sünden. Das ist die Ursache des Todes; denn die Sünden entfremden uns von Gott. Er fügt hinzu: in der Vorhaut des Fleisches. Das war die äußerliche Unreinigkeit, das Zeugnis des geistlichen Todes.

Und hat uns geschenkt alle Sünden. – Zwar macht Gott uns nicht allein durch die Vergebung der Sünden lebendig, aber Paulus nennt diese hier ausdrücklich, weil gerade diese Versöhnung mit Gott aus lauter Gnaden, welche alle Werkgerechtigkeit zu Boden schlägt, ihre ganz besondere Bedeutung für den hier vorhandenen Gegenstand besitzt, nämlich für die Abschaffung der Zeremonien, worüber er im Galaterbrief ausführlicher redet. Denn die falschen Apostel, welche die Zeremonien wieder aufrichten, banden die Gewissen wieder mit Stricken, aus denen Christus sie befreit hat.

Und ausgetilgt die Handschrift. – Jetzt erst wendet sich die Rede offen zum eigentlichen Gegenstand des Streites. Denn darum handelt es sich ja, ob die Beobachtung der Zeremonien unter Christi Herrschaft nötig ist. Paulus behauptet, die Zeremonien seien abgeschafft; und um dies zu beweisen vergleicht er sie mit einer Handschrift, welche unsere Verpflichtung gegen Gott beweist, sodass wir unsere Verschuldung nicht leugnen können. Nun sagt er, so völlig seien wir von unserer Verschuldung befreit worden, dass sogar die wider uns zeugende Handschrift vertilgt ward, damit nicht einmal eine Erinnerung daran übrig bleibe. Denn wir wissen, dass, solange die Handschrift bleibt, mit ihrem Wortlaut auch ihre Verpflichtung fortbesteht, dass dagegen mit ihrer Auslöschung oder Zerreißung der Schuldner von der Verpflichtung entbunden sind. Daraus folgt: Alle, welche noch die Beobachtung der Zeremonien fordern, setzen Christi Wohltat herab, als ob durch Ihn uns nicht völlige Lossprechung erworben wäre, sie erhalten der Handschrift ihre frühere Gültigkeit, so dass wir ihr unterworfen bleiben. Das ist also ein wahrhaft theologischer Beweis für die Abschaffung der Zeremonien, da ja, wenn Christus uns von aller Verschuldung völlig losgekauft hat, er auch das Gedächtnis unserer Verschuldung aufheben musste, damit unsere Gewissen ruhig und stille vor Gott seien; denn dieses beides hängt innig zusammen. Wie verschieden auch die Ausleger diese Stelle erklären, so befriedigt mich doch keiner. Einige meinen, Paulus rede hier einfach vom Sittengesetz; aber fälschlich. Denn „Satzungen“ pflegt Paulus den Teil des Gesetzes zu nennen, der von den Zeremonien handelt, wie Epheser 2.15 und bald nachher. Besonders beweist dies die Epheserstelle: Daher erklären andere besser, welche seine Worte nur auf die Zeremonien beziehen; aber darin irren auch diese, dass sie den Grund nicht anführen, warum Paulus sie eine Handschrift nennt, oder vielmehr einen andern, als den wahren Grund angeben, auch diesen Vergleich nicht mit dem Zusammenhang in Übereinstimmung bringen. Das aber ist der Grund: Alle mosaischen Zeremonien schließen ein Schuldbekenntnis in sich, durch welches der Mensch, der sie beobachtete, gleichsam noch enger vor Gottes Gericht als Schuldner verhaftet wurde. Was waren zum Beispiel die Waschungen anders als ein Zeugnis des Schmutzes? Wurde nicht, so oft ein Opfertier geopfert wurde, dem anwesenden Volk ein Bild seines eigenen Todes vor Augen gestellt? Denn wenn die Menschen an ihrer Statt ein unschuldiges Tier in den Tod geben, bekennen sie, dass sie selbst dieses Todes wert sind. Kurz: So viel Gebräuche es gab, so viel Abbilder der Verschuldung der Menschen und so viel Handschriften ihrer Verhaftung. Der Einwurf, es seien das Zeichen und Siegel der Gnade Gottes gewesen, wie uns heute Taufe und Abendmahl es sind, ist leicht zu widerlegen. Zweierlei ist nämlich bei den alten Zeremonien im Auge zu behalten: Einmal dass sie der Zeit entsprachen, und sodann, dass sie die Menschen zum Reiche Christi hinführten. Was damals getan wurde bedeutete nichts anderes als Verhaftung. Die Gnade war gewissermaßen aufbehalten bis zur Erscheinung Christi; nicht als ob die Väter von ihr ausgeschlossen gewesen wären, sondern sie hatten deren Erweisung nicht vor Augen gegenwärtig in ihren Zeremonien. In den Opfern sahen sie nur das Blut der Tiere, in den Waschungen nur das Wasser. In dem, was vor Augen war, blieb die Verschuldung, ja vielmehr die Zeremonien selbst veranschaulichten sie. In diesem Sinne redet auch der Apostel im ganzen Hebräerbrief, da er Christus den Zeremonien schnurstracks entgegenstellt. Was aber folgt daraus? Der Sohn Gottes hat uns durch Seinen Tod nicht nur von dem auf uns liegenden Todesurteil befreit, sondern, um unsere Freisprechung desto gewisser zu machen, hat Er jene Zeremonien abgeschafft, damit auch nicht ein Titelchen unserer Verhaftung übrig bleibe. Das ist die volle Freiheit, dass Christus durch Sein Blut nicht nur unsere Sünden getilgt hat, sondern auch jegliche Handschrift, die uns im Gerichte Gottes als Schuldige verklagen könnte, aus dem Mittel getan hat. Wie dies geschehen ist, zeigt der weitere Ausdruck: und an das Kreuz geheftet. Denn wie Christus unseren Fluch, unsere Sünden, samt den uns gebührenden Strafen, an Sein Kreuz geheftet hat, ebenso auch jene Knechtschaft unter dem Gesetz und alles, was die Gewissen binden kann. Denn der Gekreuzigte hat alles auf sich genommen und also gebunden, dass es gar kein Recht mehr an uns hat.

Und hat ausgezogen die Fürstentümer und die Gewaltigen, und sie schaugetragen öffentlich. – Gemeint sind ohne Zweifel die Teufel, denen die Schrift die Stellung zuschreibt, dass sie uns vor Gott verklagen. Nun aber sagt Paulus, sie seien entwaffnet, dass sie nichts mehr gegen uns vorbringen können, da sogar die Urkunde unserer Verschuldung beseitigt ist. Ausdrücklich aber fügt er dies hinzu, um zu zeigen, dass der Sieg, den Christus über den Satan für sich und uns errungen hat, von den falschen Aposteln, welche die alten Zeremonien wiederherstellen, verkleinert wird, und wir damit seiner Frucht beraubt werden. Denn wenn unsere Freiheit die Siegesbeute ist, die Christus dem Satan entrissen hat, was tun jene, die uns in die Knechtschaft zurückbringen wollen anders, als dem Satan die Beute wiedergeben, deren er beraubt worden war?

Und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich dasselbige, nämlich durch Sein Kreuz. So gewiss nach dem griechischen Wortlaut auch die Übersetzung möglich wäre durch sich selbst, so viel nachdrücklicher fügt sich doch die unsrige in den Zusammenhang. Wie Paulus vorher das Kreuz einem prächtigen Siegeszeichen oder einem Triumphzug verglichen hatte, in welchem Christus Seine Feinde daherführt, so jetzt einem Triumphwagen, auf dem Er selbst in Herrlichkeit offenbar geworden ist. Denn obgleich das Kreuz nur das Fluchholz ist, so ward doch dieser Fluch durch die Kraft des Sohnes Gottes so völlig überwunden, dass das Kreuz sozusagen ein neues Wesen angenommen hat: Kein Richterstuhl ist so herrlich, kein Königsthron so glänzend, kein Triumphzug so prächtig, kein Triumphwagen so erhaben als jenes Kreuzholz, an welchem Christus den Tod und den Teufel, des Todes Fürsten, überwunden und so völlig unser Seinen Füßen zertreten hat.