Calvins einleitende Worte zum Kolosserbrief
Die drei in diesem Briefe von Paulus genannten Städte Laodizea, Hierapolis und Kolossä (Siehe Kolosser 1.2; 2.1; 4.13 ff.) lagen in Kleinasien nahe beieinander. Sie sollen durch ein Erdbeben unter Kaiser Nero zerstört worden sein. Drei berühmte Gemeinden sind also nicht sehr lange, nachdem der Apostel diesen Brief geschrieben hat, durch ein ebenso trauriges als schreckliches Ereignis untergegangen. Wahrlich, ein beherzigenswertes Beispiel des göttlichen Gerichtes für jeden, der Augen hat zu sehen! Die Kolosser waren zwar nicht von Paulus selbst, aber doch mit Treue und Lauterkeit von Epaphras und anderen Dienern im Evangelium unterwiesen worden. Alsbald aber hatte Satan, wie er es nicht lassen kann, mit seinem Unkraut sich bei ihnen eingeschlichen, sie durch Irrlehrer vom Glauben abzuwenden. Aus Paulis Worten geht deutlich genug hervor, dass jene Betrüger darauf aus waren, Christus mit Mose zu vermengen und neben dem Evangelium an den Schatten des Gesetzes festzuhalten; sie wahren also wahrscheinlich Juden. Weil sie ihre verführerische Lehre mit hochtrabenden, aber leeren Worten herausputzten, spricht Paulus von einer leeren Philosophie. Des Apostels Hauptabsicht ist, den Kolossern zu zeigen, dass in Christus allein alles Heil ist, und dass sie darum an ihm allein völlig sich sollen genügen lassen. Sein Gedankengang ist dabei folgender:
Nach dem bei ihm gebräuchlichen Eingangsgruß lobt er zuerst die Kolosser, um eine desto willigere Aufmerksamkeit für sein Wort zu gewinnen. Um sodann jeder neuen und fremden Irrlehre den Weg abzuschneiden, gibt er der Lehre, die sie früher von Epaphras empfangen hatten, das Zeugnis der Wahrheit (siehe 1.7). Die sich anschließende Bitte zu Gott um Wachstum ihres Glaubens schließt eine Andeutung in sich, dass ihnen noch einiges fehlt, und bahnt somit den Weg zu einer gründlicheren Unterweisung. Andererseits preist Paulus aber auch die der Gemeinde bisher schon zuteil gewordene Gnade Gottes, damit sie dieselbe nicht geringachten. Darauf zeigt es, dass unser ganzes Heil allein in Christus steht, damit sie es nicht anderswo suchen. Wir werden erinnert, dass wir die Fülle der Heilsgüter in Christus schon erlangt haben, damit wir uns desto eifriger befleißigen, sie bis ans Ende festzuhalten. Wahrlich, schon dies eine Kapitel macht uns diesen kurzen Brief zu einem unvergleichlichen Schatz! Gibt es doch in der ganzen himmlischen Lehre nichts Herrlicheres, als den lebendigen und immerdar wirkenden Christus uns also anschaulich vor die Augen gemalt zu sehen, dass wir Seine Kraft, Sein Amt und alle Lebensfrüchte, die uns von Ihm kommen, recht erkennen und nichts Besseres und Schöneres wünschen können. Am Ende des ersten Kapitels beruft sich Paulus noch einmal auf die Autorität des ihm übertragenen Amtes und preist die Herrlichkeit des Evangeliums.
Im zweiten Kapitel wendet er sich näher zu dem Anlass und Zweck seines Briefes, dass er nämlich seine Leser vor der Gefahr hüten möchte, von der er sie bedroht sah. Dabei erwähnt er kurz, wie lieb er die Kolosser habe, damit sie daraus erkennen, wie sehr ihr Seelenheil ihm am Herzen liegt. Indem er ihnen hierzu die früher empfangene Lehre vorhält, ermahnt er sie, davon jetzt den rechten Gebrauch zu machen und an Christus allein sich völlig genügen zu lassen: Denn außer Christus ist alles eitel. Namentlich redet er von der Beschneidung, der Enthaltung von gewissen Speisen und anderen äußerlichen Übungen, in welche die Irrlehrer fälschlich den wahren Gottesdienst setzten, ferner von der falschen Verehrung der Engel, welche jene an Christi Stelle unterschoben. Die Erwähnung der Beschneidung veranlasst den Apostel, auch kurz von dem Wesen und der Bedeutung der Zeremonien zu reden, um zu beweisen, dass diese durch Christus abgeschafft wurden.
Das dritte Kapitel stellt jenen eitlen Vorschriften, zu deren Beobachtung die falschen Apostel die Gläubigen nötigen wollten, die wahren Erweisungen der Frömmigkeit gegenüber, denen wir nach Gottes Willen nachtrachten sollen. Und zwar fängt der Apostel bei der eigentlichen Quelle an, d.h. bei der Abtötung des Fleisches und der Erneuerung des Lebens, und leitet von da die Bächlein her, die besonderen Ermahnungen, welche teils alle Christen ohne Ausnahme, teils einzelne Menschen je nach ihrer Berufsstellung besonders angehen.
Zu Anfang des vierten Kapitels fährt Paulus darin fort; sodann empfiehlt er sich der Fürbitte seiner Leser und bezeugt ihnen nachdrücklich und eingehend, wie innig er sie liebt und wie er nichts mehr begehrt, als für ihr Seelenheil zu sorgen.