EPHESER

Epheser Kapitel 5 Teil VI

Epheser 5.28-33

Wer sein Weib liebet, der liebt sich selbst. Denn niemand hat jemals sein eigen Fleisch gehasst, sondern er nährt es und pflegt sein, gleichwie auch der Herr die Gemeinde. Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und seinem Gebein. „Um deswillen wird ein Mensch verlassen Vater und Mutter und seinem Weib anhangen, und werden die zwei Ein Fleisch sein.“ Das Geheimnis ist groß; ich sage aber vom Christo und der Gemeinde. Doch auch ihr, ja ein jeglicher habe lieb sein Weib als ich selbst; das Weib aber fürchte den Mann.

Wer sein Weib liebt, der liebt sich selbst. – Seine Naturanlage muss dem Manne den entscheidenden Antrieb liefern, sein Weib zu lieben. Darum sagt der Apostel: jedem Menschen ist die Selbstliebe eingeboren. Nun kann aber niemand sich selbst lieben, wenn er nicht sein Weib liebt. Mithin ist es eine ganz widernatürliche Erscheinung, wenn jemand sein Weib nicht liebt. Der Untersatz dieser Schlussfolge empfängt dann im Folgenden ab Vers 30 eine genauere Begründung: die Ehe ward von Gott eingesetzt, um aus zweien eins zu machen. Diese Vereinigung muss uns aber umso heiliger dünken, weil sie in Christus und Seiner Gemeinde ihr Vorbild hat. Dieses ist in kurzen Zügen der Hauptinhalt. Was der Apostel sagt, trifft freilich auf jedes menschliche Gemeinschaftsverhältnis zu. Wenn also Jesaja einprägen will, was ein Mensch dem anderen schuldet, kann er sagen (Jesaja 58.7): Entziehe dich nicht von deinem Fleisch. Weit über dies allgemeine Naturverhältnis geht aber die Gemeinschaft zwischen Mann und Weib: sie verbindet nicht bloß die gleiche Natur, sondern das eheliche Band vereinigt sie zu einem Menschen. Wer so das Wesen der Ehe treulich erwägt, bei dem kann es nicht ausbleiben, dass er sein Weib liebt.

Gleichwie auch der Herr die Gemeinde. – Paulus fährt fort in der Nachweisung, dass die Rechte der Ehe in dem Verhältnis Christi zu der Gemeinde begründet sind, weil dieser Beweis besondere Kraft hat. Zunächst zeigt er, dass Christus selbst das geleistet hat, was er als Vorschrift für die Liebe eines jeden Mannes zu seinem Weibe gab. Dann prägt er uns ein, dass wir für diese Art der Vereinigung, die in der Ehe zur Darstellung kommen soll, ein Vorbild an dem Verhältnis Christi zu Seiner Gemeinde besitzen. Unsere Stelle ist für die Erkenntnis unserer mystischen Gemeinschaft mit Christus besonders wichtig. Wenn es in Vers 30 heißt: wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Gebeine, so ist dies erstens keine übertreibende Redewendung, sondern beschreibt nur den einfachen Tatbestand. Weiter deuten diese Ausdrücke nicht bloß darauf, dass Christus unsere Natur angenommen hat, sondern besagen etwas viel Tieferes und Bedeutenderes. Der Sinn ergibt sich daraus, dass ein Zitat aus 1. Mose 2.24 sich unmittelbar anschließt. Wie Eva aus dem Wesen ihres Mannes Adam gebildet ward, und so gewissermaßen einen Teil von ihm darstellte, so müssen auch wir, wenn wir wahre Glieder Christi sein wollen, an Seinem Wesen Anteil haben und dadurch mit Ihm zu einem Leibe zusammenwachsen. Die Gemeinschaft mit Christus, von welcher das heilige Abendmahl Zeichen und Unterpfand ist, wird hier beschrieben, wobei natürlich vom heiligen Abendmahl selbst gar keine Rede ist.

Um deswillen wird ein Mensch verlassen Vater und Mutter und seinem Weib anhangen. – Was Paulus bisher von der geistlichen Vereinigung Christi mit Seiner Gemeinde ausführte, wendet er jetzt auf die Ehe an. Der Spruch aus 1. Moses 2.24, von welchem man nicht weiß, ob er als ein Wort Adams oder Gottes gelten soll, ist jedenfalls eine göttliche Autorität, welche dem Manne seine Pflicht gegen das Weib einschärft: er wird verlassen Vater und Mutter und seinem Weibe anhangen. Das heißt doch: er wird lieber seinen Vater verlassen, als dass er seinem Weibe nicht anhinge. Freilich will es nicht so verstanden sein, als beseitigte Ehebund alle anderen Verwandtschaftspflichten: könnte niemand zugleich ein guter Ehemann und ein guter Sohn sein, so würden ja Gottes Ordnungen übel wider einander streiten. Nur den Grad der Zusammengehörigkeit will das Wort beschreiben, wobei die heilige Verbindung eines Mannes mit seinem Weibe als die denkbar innigste erscheint.

Und werden die zwei Ein Fleisch sein. – D.h. sie werden ein Mensch sein oder, wie man gewöhnlich sagt, eine Person bilden. Solches bewirkt keine andere Verbindung. Das kommt aber alles daher, dass das Weib aus dem Fleisch und Bein des Mannes gebildet ward. Ganz derselbe Grund liegt auch für unsere Vereinigung mit Christus vor. Denn wir sind nicht nur deswegen Fleisch von Seinem Fleisch, weil Er Mensch ist wie wir, sondern vor allem, weil Er durch die Kraft Seines Geistes uns sich einverleibt, damit wir aus Ihm das Leben schöpfen.

Das Geheimnis ist groß. – Paulus schließt diese Abhandlung über die geistliche Verbindung Christi mit Seiner Gemeinde mit einem Ausruf der Verwunderung. Welch erhabenes Geheimnis, an dessen Herrlichkeit keine Sprache heranreicht! Sicherlich wird es eine verlorene Mühe bleiben, wenn Menschen mit ihrem fleischlichen Sinn die Art und Weise dieser Vereinigung erfassen wollen: denn hier offenbart Gott die unermessliche Macht Seines Geistes. Daher ist es verkehrt, wenn einige bei dieser Sache nichts mehr gelten lassen wollen, als sie mit ihrem beschränkten Geiste erfassen können. Wenn sie leugnen, dass uns Christi Fleisch und Blut im heiligen Abendmahle gegeben werden, so stützen sie sich darauf, dass sie sagen: wenn ihr uns nicht zeigt, wie dieses geschieht, so könnte ihr uns nicht überzeugen. Aber ich stehe staunend still vor diesem Geheimnis und schäme mich nicht, bewundernd mit Paulus meine Unwissenheit einzugestehen; denn das ist viel besser, als zu entleeren und unserem fleischlichen Sinn anzupassen, was Paulus ein tiefes Geheimnis nennt. Was übernatürlich ist, muss doch notwendig das Fassungsvermögen unseres Geistes übersteigen, und es ist besser, wenn wir uns bemühen, dass wir den lebendigen Christus in uns fühlen, als dass wir die Art und Weise dieser Vereinigung erkennen.

Ich sage aber von Christo und der Gemeinde. – Diese Zwischenbemerkung soll lediglich verhindern, dass man die letzten Sätze, die auf die Verbindung Christi mit seiner Gemeinde gingen, nicht auf die Ehe beziehen möchte.

Doch auch ihr, ja ein jeglicher habe lieb sein Weib als ich selbst; das Weib aber fürchte den Mann. – Hatte sich die Rede eine kleine Abschweifung gestattet, die freilich noch immer ihrem eigentlichen Ziele diente, so kehrt sie nun zu ihrem Hauptthema in kurzer, zusammenfassender Schlussvorschrift zurück: der Mann habe lieb sein Weib; das Weib aber fürchte den Mann, d. h. zolle ihm jene ehrfürchtige Anerkennung, ohne die eine willige Unterordnung sich nicht denken lässt.