EPHESER

Epheser Kapitel 3 Teil I

Epheser 3.1-6

Derhalben ich Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden, nachdem ihr gehört habt von dem Amt der Gnade Gottes, die mir an euch gegeben ist, dass mir ist kund geworden dieses Geheimnis durch Offenbarung; wie ich droben auf kürzeste geschrieben habe, daran ihr, so ihr’s leset, merken könnt meinen Verstand des Geheimnisses Christi, welches nicht kundgetan ist in den vorigen Zeiten den Menschenkindern, als es nun offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist, nämlich, dass die Heiden Miterben seien und mit eingeleibt und Mitgenossen seiner Verheißung in Christus durch das Evangelium.

 

Derhalben ich Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden. Ohne Zweifel suchten die Gegner die Bande des Paulus, die eine Bestätigung seines Apostelamtes sein sollten, ins Gegenteilt zu verkehren. Deshalb sagt er den Ephesern nun, dass ihre Berufung durch seine Bande beglaubigt und bestätigt werde. Denn er war nur deswegen ins Gefängnis geworfen worden, weil er das Evangelium auch den Heiden verkündigt hatte. Wenn er dieses nun mit tapferem Mute standhaft ertrug, so wurden die Heiden dadurch sehr in dem Vertrauen gestärkt, dass er sein Amt gewissenhaft verwaltete. Um aber das Gewicht seiner Stellung noch zu verstärken, nennt er sich einen Gefangenen Christi für euch Heiden. Sein Gefängnis ist also ein Dienst für den Herrn. Solche Rede klang natürlich vor der Welt und den Ungläubigen wie lächerliche Selbstüberhebung, besaß aber für die Frommen ihr gutes Gewicht und volle Glaubwürdigkeit. Denn der Ruhm Christi hebt nicht nur die Schmach der Bande auf, sondern macht gar rühmenswert, was sonst schimpflich ist. Hätte Paulus nur sagen dürfen: Ich bin ein gefangener, ohne den Zusatz „Jesu Christi“, so hätte die Gefangenschaft nichts mit seinem Amte zu tun, und was eine Strafe für Übeltäter und Verbrecher zu sein pflegt, hätte auch für ihn keine Ehre bedeutet. Wer dagegen ein Gebundener Jesu Christi ist, für den sind die Ketten eine größere Ehre als königliche Würde, Kronen, Zepter oder gar Orden, welche irdischen Beamten verliehen werden. Vor den Menschen ist diese Ehre allerdings verborgen; aber wir müssen der Sache auf den Grund gehen, und Christi Name muss bei uns so viel gelten, dass das, was bei den Menschen als die größte Schande angesehen wird, für uns der schönste Schmuck wird. Besonders ehrwürdig und liebenswert müssen den Ephesern aber des Apostels Bande erscheinen, wenn Paulus sagen kann, dass er sie für die Heiden trägt. Oder was konnte ihr Herz tiefer bewegen, als zu vernehmen, dass der Apostel um ihres Heiles willen in Bedrängnissen und Gefahren stand?

Nachdem ihr gehört habt von dem Amt der Gnade Gottes, die mir an euch gegeben ist. Es ist anzunehmen, dass Paulus, als er in Ephesus war, von diesen Dingen geschwiegen hat, weil davon zu reden keine Veranlassung vorlag; denn damals hatte sich dort noch kein Streit über die Berufung der Heiden erhoben. Hätte er den Ephesern früher schon von der ihm zu Teil gewordenen besonderen Offenbarung berichtet, so würde er ihnen dieses ins Gedächtnis zurückrufen. Das tut er aber nicht, sondern er beruft sich auf das allgemein verbreitete Gerücht. Ohne Grund begann Paulus aber keine unnützen Streitereien, sondern trat in eine Verteidigung seines Amtes nur dann ein, wenn dies nötig war und er hierzu durch die Unverschämtheit seiner Gegner genötigt wurde. Amt heißt hier Auftrag oder göttliche Bestimmung.

Dass mir ist kund geworden. Um den Schein zu vermeiden, als habe er sein Apostelamt auf eigenen Antrieb übernommen und geführt, und müsse nun die Strafe für seinen Vorwitz tragen, gründet Paulus mit dem größten Nachdruck all sein Tun auf Gottes Auftrag. Und da sein Werk etwas Neues war und deswegen nur von wenigen verstanden wurde, so nennt er es ein Geheimnis. Durch diese Bezeichnung sucht er das ungünstige Urteil zu verhindern, das leicht entstehen konnte, weil sein Werk im Allgemeinen keinen Anklang fand. Doch redet er so nicht um seinetwillen, sondern vor allem um der Epheser willen. Denn ihnen musste an einer völligen Gewissheit darüber gelegen sein, dass ihre Berufung durch den Dienst des Paulus auf Gottes Ratschluss ruhte. Mag die Welt dem, was ihr neu und überraschend ist, mit Verdacht begegnen, so gilt es eben zu bedenken, dass es sich um ein Geheimnis handelt. Und der Apostel fährt fort, dass ihm dieses Geheimnis durch Offenbarung kund ward. Er will nicht unter die Schwärmer gezählt werden, die ihre eigenen Träume auf Gott und auf den Heiligen Geist zurückführen. Zwar rühmen auch Schwärmer ihre Offenbarungen, doch das sind Lügen. Paulus dagegen war sich bewusst, wirkliche Offenbarungen empfangen zu haben, welche auch vor anderen die Probe bestanden. Darum redet er davon von gewissen Tatsachen.

Wie ich droben aufs kürzeste geschrieben habe. Das bezieht sich auf die Ausführungen des zweiten Kapitels über die Berufung der Heiden.

Ihr könnt merken meinen Verstand des Geheimnisses Christi. Darauf kommt die Rede immer wieder zurück. Wir ersehen daraus, wie wichtig es für die Gemeinde wie für die Diener am Worte ist, dass man seiner Berufung gewiss werde. Doch Paulus sieht hierbei mehr auf andere als auf sich selbst. Man verargte es ihm an manchen Orten, dass er das Evangelium ohne Unterschied Juden und Heiden verkündigte; das machte ihm Kummer, nicht so sehr seinetwegen, sondern weil er sah, dass bei vielen der Glaube ins Wanken kam, weil gewissenlose Schmähreden ihnen Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Apostelamtes einflößten. Darum spricht er den Ephesern immer wieder davon, dass er über Gottes Willen und Auftrag völlig klar ist. Was er nun soeben einfach ein Geheimnis nannte, bezeichnet er jetzt als „das Geheimnis Christi“. So verstehen wir, dass es eben verborgen bleiben musste, bis es durch Christi Ankunft enthüllt werden konnte. In diesem Sinne können auch alle Weissagungen, die sich auf Christi Reich beziehen, kurzweg Weissagungen von Christus heißen. Zuerst wollen wir nun sehen, was Paulus als Inhalt des bezeichneten Geheimnisses angibt; dann, wieso dieser Inhalt den vorigen Zeiten unbekannt gewesen ist. Das unerhörte bestand darin, dass auch die Heiden Anteil an der Verheißung und somit an dem Leben in Christus gewinnen sollten, und zwar durch das Evangelium. Die Berufung der Heiden war das „Geheimnis Christi“, welches in Christi Reich erfüllt werden sollte. Aber wie konnte ein Geheimnis heißen, was unzähligen Weissagungen voraus verkündigt hatten? Versichern doch die Propheten an mehr als einer Stelle, dass die Völker von dem ganzen Erdkreis zusammenströmen werden, um Gott anzubeten, dass Ihm in Assyrien und in Ägypten Altäre errichtet werden sollen, und das alle zugleich die Sprache Kanaans reden werden (Jesaja 19.18f). So konnte man ja verstehen, dass die Anbetung des einen Gottes und das Bekenntnis des Glaubens an Ihn allenthalben verbreitet werden sollte. Lassen schon die Propheten das Reich des Messias sich vom Anfang bis zum Niedergang und über alle Völker erstrecken, so finden wir, dass die Apostel sich mehrfach auf solche Zeugnisse berufen, und zwar nicht bloß aus den späten Propheten, sondern schon aus Moses. Wie konnte nun verborgen sein, was unzählige Herolde schon ausgerufen hatten? Will etwas Paulus sagen, dass sie ausnahmslos nicht gewusst haben, was sie eigentlich redeten? Dass sie Worte ohne Verständnis gesprochen haben? Doch er kann ja nicht meinen, dass vordem von diesen Dingen jede Kenntnis gefehlt habe. Denn es gab unter dem Volke zu allen Zeiten einige, die wussten, dass Gottes Gnade mit der Erscheinung des Messias in der ganzen Welt verkündigt werden würde, und die auf eine Wiederherstellung des menschlichen Geschlechtes hofften. Die Propheten weissagten aus höherer Offenbarung, aber dabei waren sie in Ungewissheit über die Zeit und die Art und Weise der Erfüllung. Sie wussten wohl, dass auch die Heiden einst an Gottes Gnade Teil erlangen würden, aber wann dieses geschehen werde, wie und durch welche Mittel, das war ihnen gänzlich verborgen. Für die Unwissenheit in dieser Beziehung haben wir einen schlagenden Beweis an den Aposteln selbst. Diese waren hiervon nicht nur durch die Weissagungen der Propheten unterrichtet, sondern sie hatten auch den deutlichsten Ausspruch ihres Meisters gehört (Johannes 10.16): Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle, und die selbigen muss ich herführen, damit eine Herde unter einem Hirten werde. Und doch hinderte die Neuheit der Sache sie am völligen Verständnis. Ja, auch da noch, als sie den Auftrag empfangen hatten (Markus 16.15 & 16.18) Gehet hin und predigt aller Kreatur und (Apostelgeschichte 1.8) Ihr werdet meine Zeugen sein von Samarien bis an das Ende der Erde, scheuten  sie vor der Berufung der Heiden als vor etwas Ungeheuerlichem zurück. Denn sie wussten nicht, wie das alles geschehen sollte. Ehe die Sache selbst in Erscheinung trat, hatten sie nur eine dunkle und unbestimmte Ahnung von der Bedeutung dieser Worte des Herrn, denn die jüdischen Zeremonien waren gewissermaßen ein Schleier, der vor ihren Augen lag. So kann es uns nicht mehr befremden, dass Paulus hier von einem Geheimnis spricht: Denn dass die Zeremonien hinfallen sollten, bei deren Bestand an einen Zutritt der Heiden nicht zu denken war, wusste man vordem nicht.

Als es nun offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist. Um nun nicht anmaßend zu erscheinen, wenn er sich rühmt, das zu wissen, was allen Patriarchen, Propheten und heiligen Königen unbekannt gewesen ist, sagt Paulus, dass auch andere dieselbe Erkenntnis besitzen wie er. Und vor allem schreibt er diese Erkenntnis den Lehrern der Kirche zu. Weiter bekennt er, dass er diese Erkenntnis durch den Geist empfangen habe, der es in Seiner Macht hat, einem jeglichen so viel zuzuteilen, als Er will. Denn wir wissen nur genau so viel, als der Heilige Geist uns zu wissen gibt!

Mit drei verschiedenen Ausdrücken bezeichnet die Rede hier die Aufnahme der Heiden in das Volk Gottes, um damit die Art und Weise genau zu beschreiben: Die Heiden wurden Miterben und Mitgenossen, also den Juden so völlig gleich, dass sie mit ihnen einem Leibe eingeleibt werden konnten. Und damit niemand an dieser unerhörten Neuerung sich stoße, fügt Paulus hinzu, dass sie durch das Evangelium eingeführt ward, dessen Predigt freilich damals neu und unerhört war, aber nach einstimmiger Bekenntnis der Frommen doch vom Himmel stammte. Wie sollte man sich nun noch wundern, wenn Gott für die Erneuerung der Welt ungewohnte Wege einschlug?