EPHESER

Epheser Kapitel 2 Teil V

Epheser 2.14-16

Denn er ist unser Friede, der aus beiden Eines hat gemacht, und hat abgebrochen den Zaun, der dazwischen war, in dem, dass er durch sein Fleisch wegnahm die Feindschaft, nämlich das Gesetz, so in Geboten gestellt war, auf dass er aus zweien Einen neun Menschen in ihm selber schüfe, und Frieden machte, und dass er beide versöhnte mit Gott in Einem Leibe durch das Kreuz, und hat die Feindschaft getötet durch dasselbe.

 

Nunmehr zieht der Gedanke des Apostels auch die Juden in seinen Kreis: Auch auf sie erstreckt sich die Versöhnungsgnade, und der eine Christus muss für alle Menschen das Band mit Gott knüpfen. So bleibt denn keine Stätte mehr für die jüdische Selbstgefälligkeit, die Christi Gnade verachten zu dürfen glaubte, als ob Israel auch ohne sie Gottes Volk und erwähltes Erbe wäre. Heißt es aber von Christus: Er ist unser Friede, so folgt daraus, dass alle, die außerhalb Seiner Gemeinschaft bleiben, auch ferne von Gott sind. Das ist übrigens Christi herrlichster Titel, dass Er der Friede zwischen Gott und Menschen heißt. So darf niemand mehr zweifeln, dass er einen gnädigen Gott hat, wenn er in Christus bleibt. Ausdrücklich sagt der Apostel, Christus habe aus beiden Eines gemacht. Damit gibt er eine für die Juden sehr nötige Erinnerung, verschmähten dieselben doch um ihrer Vorzugsstellung willen jeden angeblich erniedrigenden Verkehr mit den Heiden. Um ihnen diesen Hochmut auszutreiben sagt Paulus, dass Israel und die Heidenwelt zu Einem Leibe zusammengewachsen sind. Aus alledem ergibt sich doch der Schluss, dass, wenn die Juden Frieden mit Gott haben wollten, sie Christus als Versöhner haben mussten. Christus aber konnte nicht anders ihr Versöhner sein, als wenn Er sie mit den Heiden in einen Leib vereinigte; daher hatten die Juden gar keine Gemeinschaft mit Gott, wenn sie die Heiden nicht auch zu dieser Gemeinschaft zuließen.

Und hat abgebrochen den Zaun. Um diese Stelle zu verstehen, muss man zweierlei beachten: Einmal dass die Juden durch Gottes Verfügung für eine bestimmte Zeit von den Heiden getrennt waren; und dann dass die Zeremonien als Zeichen gelten sollten, welche die Trennung öffentlich bezeugten. Gott hatte sich dieses eine Volk zum Eigentum erwählt, indem Er die Heiden überging. So tat sich ein gewaltiger Unterschied auf: Die einen waren in der Gemeinde – die anderen außerhalb derselben! Das ist es, was Moses in seinem Lobliede sagen will (5. Mose 32.8): Da der Allmächtige die Völker zerteilte und zerstreute die Menschenkinder, da setzte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israels. Es war also eine feste Grenze von Gott gesetzt, welche ein Volk von allen übrigen abtrennte. Das war der Grund der Feindschaft, von der Paulus redet. Denn die einen wurden von den anderen getrennt, als Gott die Heiden verwarf, dagegen nur die Juden sich erwählte und sie heiligte, indem Er sie aus der allgemeinen Befleckung des menschlichen Geschlechts heraushob. Hierzu kamen später die Zeremonien, die das Volk Gottes wie eine Mauer umgaben: Sie verschlossen den Zugang und jede Möglichkeit des Verkehrs, hielten also die Heiden vom Reiche Gottes fern. Nunmehr aber kann es heißen, dass die Feindschaft aufgehoben und die Scheidewand durchbrochen ward: Denn Christus hat dadurch, dass Er die Gnadengabe der Gotteskindschaft weit über Israels Grenzen hinaustrug, uns alle zu Brüdern gemacht. So ist die Weissagung erfüllt worden (1. Mose 9.27): Japhet wird wohnen in den Hütten Sems. Jetzt verstehen wir den Gedanken des Apostels: Die Scheidewand hinderte Christus, die Heiden mit den Juden zu vereinigen; deshalb durchbrach Er diese Scheidewand. Wie dies geschehen ist hören wir sofort: Christus hat durch sein Fleisch die Feindschaft weggenommen. Das will sagen, dass der Sohn Gottes die allen gemeinsame Menschennatur annahm, und so eine vollkommene Vereinigung in Seinem Leibe bewirkte.

Das Gesetz, so in Geboten gestellt war. Was der Apostel soeben bildlich als Scheidewand bezeichnete, nennt er jetzt klar und deutlich: Christus hat die gesetzlichen Zeremonien beseitigt, welche ja die Trennung zum Ausdruck brachten. Denn die Beschneidung, die Opfer, die Waschungen, das Enthalten von bestimmten Speisen waren Zeichen der Heiligkeit, welche den Juden ihre von anderen Völkern sich abhebende Stellung einprägen sollten; so wie jetzt die Wappen, die in den Fahnen geführt werden, die Unterscheidungszeichen der einzelnen Völker sind. Paulus weist also darauf hin, nicht bloß, dass die Heiden in die Gemeinschaft der Gnade aufgenommen wurden und tatsächlich jeder Unterschied beseitig wurde, sondern auch auf dass mit den Zeremonien die äußeren Abzeichen der Trennung dahinfielen, ebenso wie ein Fürst, wenn er zwei Völker, die bisher miteinander in Streit gelegen haben, unter seine Botmäßigkeit vereinigt hat, nicht nur den Wunsch hat, dass die Völker im Herzen eins werden, sondern auch alles zerstört, was an den früheren Streit erinnert. Oder wie der Schuldschein zerrissen wird, wenn die Schuld bezahlt ist! Dieses letzte Bild gebraucht Paulus in der Tat in Kolosser 2.14, wo er denselben Gegenstand behandelt. An unserer Stelle ist übrigens unter dem Gesetz, so in Geboten gestellt war lediglich das Zeremonialgesetz zu verstehen, welches ja neben den schlichten sittlichen Grundforderungen noch mancherlei Sondervorschriften enthielt, an welche die Juden gebunden waren. Denn das Sittengesetz, welches uns eben sowohl angeht wie die Juden, war doch keine Scheidewand zwischen den beiden Gruppen. Nebenbei kann man hier auch sehen, dass nicht etwa, wie einige meinen, die Beschneidung und die anderen alten Zeremonien für die Juden (auch wenn sie Christen werden) noch bis zur Stunde gelten und nur für die Heidenschriften aufgehoben sein sollen. Wäre dies die Meinung, so könnte ja Paulus nicht sagen, dass die Scheidewand gefallen wäre.

Dass er aus zweien Einen neuen Menschen in ihm selber schüfe. So kommen alle sonst noch so großen Verschiedenheiten der Menschen nicht weiter in Betracht: In Christus, aber nur in Ihm, ward eine neue Einheit begründet. Es wird Ein neuer Mensch geschaffen, welcher Ausdruck (ähnlich wie in Galater 5.6 und 6.15) daran erinnert, dass in Christus weder Vorhaut noch Beschneidung gilt, dass überhaupt alles Äußerliche keinen Wert hat, sondern dass obenan steht, ob jemand eine neue Kreatur ist. So ist es also allein die geistige Wiedergeburt, welche Einheit unter den Menschen schafft. Bedürfen wir alle der Erneuerung durch Christus, so haben die Juden keinen Grund mehr, sich auf ihre Stellung zu steifen, sondern sie müssen zugeben, dass, wie es an einer anderen Stelle heißt, Christus alles in allen ist.

Und dass er beide versöhnte mit Gott. Außer dem Frieden unter sich hat Christus der Menschheit auch die Rückkehr in Gottes Gnade erschlossen. Daran erinnert Paulus ausdrücklich, um den Juden zu zeigen, dass sie nicht weniger des Mittlers bedürfen als die Heiden. Ohne diesen Mittler gilt weder das Gesetz etwas, noch die Zeremonien, noch die Abstammung von Abraham, noch alle die Vorzüge, die ihnen gegeben waren. Denn wir sind allzumal Sünder, und Vergebung der Sünden kann man nur durch Christi Gnade empfangen.

Dabei heißt es noch einmal: in Einem Leibe. So werden die Juden noch einmal daran erinnert, dass sie Gott nur gefallen können, wenn sie mit den Heiden Gemeinschaft halten.

Mit dem Zusatz durch das Kreuz deutet der Apostel ausdrücklich auf Christi Sühneopfer. Ist die Sünde der Grund der Feindschaft zwischen Gott und uns, so können wir nicht anders bei Gott in Gnaden kommen, als dadurch dass sie beseitigt wird. Sie ist aber durch Christi Tod beseitigt, in welchem Er sich dem Vater als Sühneopfer dargebracht hat. Nebenbei will aber der Hinweis auf das Kreuz auch einprägen, dass durch dasselbe alle Zeremonien abgetan sind. Darum heißt es: und hat die Feindschaft getötet durch dasselbe (nicht durch sich selbst). Und wir werden dabei weniger an die Feindschaft zwischen Gott und den Menschen, als vielmehr zwischen Juden und Heiden zu denken haben. So entspricht dieses Satzglied der vorigen Aussage, dass Christus durch Sein Fleisch die Feindschaft wegnahm.