1. Petrus Kapitel 2 Teil II

1. Petrus 2.6-8

Darum stehet in der Schrift: „Siehe da, ich lege einen auserwählten, köstlichen Eckstein in Zion; und wer an ihn glaubet, der soll nicht zu Schanden werden.“ Euch nun, die ihr glaubt, ist er köstlich; den Ungläubigen aber ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben und zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßens und ein Fels des Ärgernisses; die sich stoßen an dem Wort und glauben nicht dran, dazu sie auch gesetzt sind.

 

Darum stehet in der Schrift: „Siehe da, ich lege einen auserwählten, köstlichen Eckstein in Zion". – Die vorige Aussage bedurfte einer Bestätigung. Sehen wir doch, aus wie leichtfertigen und nichtigen Gründen viele sich von Christus abschrecken lassen, manche ganz abfallen. Der hindernde Anstoß liegt vornehmlich darin, dass nicht bloß die Masse der Menschen Christus verschmäht und verachtet, sondern insbesondere diejenigen, die eine Ehrenstellung einnehmen und über andere hervorzuragen scheinen. Dass nur zu viele ihre Schätzung Christi nach dem verkehrten Urteil der Welt einrichten, ist eine von jeher geläufige, heute namentlich überhand nehmende Verirrung. Bei der Undankbarkeit und Unfrömmigkeit der Menschen wird aber Christus allenthalben verachtet. Wenn nun immer einer auf den andern sieht, geben nur wenige Ihm die rechte Ehre. Darum erinnert Petrus an das, was über Christus vorausgesagt ward, damit es uns nicht vom rechten Glauben abtreibe, wenn man Ihn verachtet und verwirft. Die angeführte Stelle ist aus Jesaja (28.18) genommen. Dort schließt der Prophet an eine Strafrede wider die verzweifelte Bosheit des Volkes endlich die Erklärung: Eure Untreue wird es doch nicht hindern können, dass Gott Seine Gemeinde wieder aufrichte, die jetzt durch eure Schuld gänzlich in Trümmern liegt. Der Prophet beschreibt auch die Weise des Wiederaufbaus: Ich will in Zion einen Stein legen. Daraus schließen wir, dass der Bau der Gemeinde ohne Christus nicht bestehen kann; denn allein auf Ihn lässt er sich gründen, wie Paulus bezeugt (1. Korinther 3.11). Das ist nicht zu verwundern, denn in Ihm ist unser ganzes Heil begriffen. Wer also nur im Geringsten von Christus abweicht, wird statt einer Stütze einen Abgrund finden. Darum nennt Ihn der Prophet nicht nur einen Eckstein, auf dem die Hauptlast des Gebäudes ruht, sondern auch den bewährten Stein, buchstäblich den „Stein der Bewährung“, nach welchem die Linien des Baues sich richten müssen, endlich ein Fundament, das wohl gegründet ist und den ganzen Bau zusammenhält. Der Eckstein hat also die Eigenschaft, dem ganzen Gebäude die Richtung zu geben, so dass er zur einzigen Grundlage dient. Petrus entnimmt nun aus den Worten des Propheten nur, was für seinen gegenwärtigen Zweck besonders passt: Der Stein ist auserwählt, voller Ehre und Köstlichkeit, und endlich müssen wir uns auf ihn gründen. Der Hinweis auf seine Ehre will dies erreichen, dass Christus, wie verächtlich Er auch der Welt erscheint, von uns nicht geringgeschätzt werde, da Er bei Gott im höchsten Ansehen steht. Dass Er aber der Eckstein heißt, will einprägen, dass Leute, die sich nicht auf Christus stützen, für ihr Heil übel sorgen. Denn nur auf dem Eckstein ruht die Last des Gebäudes. Bemerkenswert erscheint auch, dass der Prophet Gott den Herrn redend einführt. Denn Er allein ist es, der Seine Gemeinde aufrichtet und baut, wie es auch im Psalm (48.9) heißt, dass Seine Hand Zion gegründet hat. Er bedient sich zu diesem Bau freilich der Menschen Hilfe und Dienst; doch kann Er mit gutem Grund sagen, dass es sich dabei um Sein eigenes Werk handelt. Christus ist also für uns das Fundament des Heils, weil Er uns zu diesem Zweck vom Vater verordnet ward. Dass der Eckstein in Zion liegen soll, wird gesagt, weil dort der Bau des geistlichen Tempels anheben soll. Wenn unser Glaube sich zuverlässig auf Christus gründen will, muss er sich zum Gesetz und den Propheten begeben. Wenn auch dieser Stein den ganzen Erdkreis bis zu den letzten Winkeln erfüllt, so musste er doch zuerst in Zion gelegt werden, wo damals der Sitz der Gottesgemeinde war. Er ward aber gelegt, als der Vater Ihn kundtat, um Seine Gemeinde wiederherzustellen. So wollen wir endlich auch dies festhalten, dass nur diejenigen auf Christus sich stützen, welche die Einheit der Gemeinde pflegen; denn der stützende Stein liegt allein in Zion. Weil aber aus Zion die Gemeinde hervor wuchs, die jetzt nach allen Richtungen sich ausgebreitet hat, so hat von dort auch unser Glaube seinen Anfang genommen, wie Jesaja (2.3) spricht: „Von Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem.“ Damit stimmt auch das Wort des Psalms (110.2) zusammen: „Der Herr wird das Zepter deines Reiches senden aus Zion.“

Und wer an ihn glaubet, der soll nicht zu Schanden werden. – Der Prophet sagt nicht ausdrücklich: „an ihn“, - sondern allgemein: „Wer glaubt, soll nicht fliehen.“ Weil aber Gott uns dort ohne Zweifel Christus als Zielpunkt des Glaubens vorstellt, muss der Glaube, von dem der Prophet spricht, auf Ihn allein schauen. Sicherlich kann niemand recht glauben, als wer sich vornimmt, von ganzem Herzen bei Christus zu verharren. Jedenfalls ist der Sinn des Prophetenwortes, dass der Gläubige nicht wanken noch schwanken kann, weil er eine feste und sichere Stütze hat. Und dies ist eine herrliche Lehre, dass wir über die Gefahr eines Falls erhaben sind, weil wir uns auf Christus stützen. Übrigens schreibt der Apostel etwas abweichend, dass nicht zu Schanden werden soll, wer an Christus glaubt. Er folgt der griechischen Übersetzung, womit er doch den richtigen Sinn nicht verändert.

Euch nun, die ihr glaubt, ist er köstlich. – Zuerst bezeichnet Gott den Herrn Christus als einen auserwählten und köstlichen Stein; nun schließt der Apostel daraus, dass Er ein solcher auch für uns sein wird. Denn sicherlich wird hier Christus beschrieben, wie wir Ihn durch die Erfahrung des Glaubens ergreifen, und wie Er sich uns durch wahrhaftige Beweise dartut. Darum wollen wir uns diese Folgerung fleißig einprägen: Christus ist vor Gott ein auserwählter Stein, also ist Er es auch für die Gläubigen. Denn allein der Glaube enthüllt uns den Wert und die herrliche Bedeutung Christi. Weil aber der Apostel dem Anstoß begegnen will, der uns aus dem Vorhandensein einer so großen Schar von Gottlosen erwächst, fügt er alsbald einen weiteren Satz betreffs der Ungläubigen hinzu: Wenn sie Christus verschmähen, können sie Ihm doch nicht die Ehre nehmen, welche der Vater Ihm verliehen hat. Dafür wird ein Vers aus dem 118. Psalm beigebracht (Vers 22): Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, soll dennoch als Eckstein aufgerichtet werden. Daraus folgt, dass Christus wider den Willen Seiner Feinde Seinen Ehrenplatz behauptet, welchen der Vater Ihm angewiesen hat. Zwei Gedanken sind hier bemerkenswert. Erstlich: Christus musste von denen verworfen werden, welche das Regiment in der Gemeinde Gottes führten. Zum andern: Ihre Anstrengungen werden vergeblich sein; denn es muss erfüllt werden, was Gott beschlossen hat, dass Christus als Eckstein das Gebäude tragen soll. Dass aber die Psalmstelle in ihrem wahren und eigentlichen Sinn von Christus verstanden werden muss, bezeugt nicht nur der Heilige Geist, sondern auch Christus selbst, der sie so auslegt (Matthäus 21.42). Ohne Zweifel war dieses Verständnis von den Vätern her überliefert. War David zu seiner Zeit der verworfene Stein, so dürfen wir doch als zugestanden annehmen, dass er nur schattenhaft darstellte, was in Christus erfüllt ward. Es konnte die ungefestigten Gläubigen ins Schwanken bringen, dass alle Priester, Älteste und Lehrer, welche allein die Gottesgemeinde darzustellen schienen, Christi Feinde waren. Diesen Anstoß will Petrus beseitigen, indem er darauf hinweist, dass David längst zuvor bezeugt hat, was die Gläubigen jetzt vor Augen sehen. Damit wendet er sich zunächst an die Juden; aber auch heute ist seine Erinnerung nicht minder nützlich. Denn Christi grimmigste Feinde maßen sich die oberste Stellung in der Kirche an und verfolgen mit satanischer Wut sein Evangelium. Der Papst nennt sich Seinen Stellvertreter; und doch sehen wir, wie heftig er Ihm widerstrebt. Solches Schauspiel kann schlichte und unerfahrene Leute verwirren, weil sie nicht bedenken, dass nur geschieht, was David vorausgesagt hat. Es ist nun ein geläufiges Bild, das bürgerliche oder geistliche Regiment als ein Gebäude darzustellen. Im weiteren Verfolg desselben bezeichnet David diejenigen als Bauleute, welchen das Amt und die Macht der Regierung anvertraut sind – nicht, als ob sie richtig bauten, sondern weil sie den Namen haben und mit rechtmäßiger Gewalt begabt sind. Daraus folgt, dass die Amtsträger keineswegs immer treue und wahre Diener Gottes sind. Es ist also vollkommen lächerlich, wenn der Papst und die Seinen sich die oberste und unzweifelhafte Autorität anmaßen, weil sie die rechtmäßigen Vorsteher der Kirche seien. Ihr Beruf zur Regierung der Gottesgemeinde ist nicht im höheren Grade rechtmäßig, als der Beruf eines Heliogabal (= Elagabal; ausschweifender und unwürdiger römischer Kaiser, 218 bis 222 n. Chr.) zur Regierung des Reichs. Aber geben wir ihnen einmal zu, was sie unverschämter Weise beanspruchen, dass sie rechtmäßig berufen seien, so sehen wir doch, was David von den rechtmäßigen Vorstehern der Kirche weissagt: Christus wird von ihnen verworfen. Sie bauen also eher einen Schweinestall als einen Tempel Gottes. Es folgt aber auch das andere Stück: Alle Großen mit ihrer stolzen Macht und Würde werden Christus nicht von Seinem Platze stoßen.

Ein Stein des Anstoßens und ein Fels des Ärgernisses. – An den Trost, dass die Gläubigen an Christus, welchem doch die Mehrzahl, und namentlich die Großen, keinen Platz im Gebäude zuerkennen, einen festen und beständigen Grund haben sollen, schließt sich nun die Ankündigung der Strafe, die aller Ungläubigen wartet: Deren Beispiel soll auch die Gläubigen schrecken. Zu diesem Zweck wird ein Zeugnis des Jesaja (8.14) beigebracht: Der Prophet droht daselbst, der Herr solle für die Juden ein Stein des Anstoßens und ein Fels des Ärgernisses werden. Dass dies recht eigentlich auf Christus zutrifft, ergibt sich aus dem Zusammenhang, und auch Paulus deutet es auf Ihn (Römer 9.32 f.). Denn in Seiner Person hat der Herr der Heerscharen sich vollkommen geoffenbart. Es wird hier also allen Gottlosen als schreckliche Rache angedroht, dass Christus ihnen zum Ärgernis und Anstoß werden müsse, weil sie auf Ihn sich zu gründen sich weigern. Denn Christus ist zwar stark genug, alle zu tragen, die im Glauben auf Ihn sich stützen, aber auch hart genug, alle zu zerschlagen und zu zerbrechen, die Ihm widerstehen. Einen Mittelweg gibt es nicht; man muss sich auf Ihn erbauen, oder wird an Ihm zerschellen.

Die sich stoßen an dem Wort. – Dies beschreibt die Weise, wie Christus zum Anstoß wird: Er wird es, wenn Menschen sich hartnäckig dem Worte Gottes widersetzen. Dies taten die Juden: Obwohl sie vorgaben, den Messias empfangen zu wollen, stießen sie Ihn wütend von sich, als Er ihnen von Gott dargeboten ward. In derselben Lage sind heute die Papisten: Sie beten nur Christi Namen an, mögen aber die Lehre des Evangeliums nicht hören. Petrus gibt also zu verstehen, dass alle, die Christus nicht annehmen, wie Er mit Seinem Evangelium bekleidet ist, wider Sein Wort streiten; zum andern, dass Christus nur solchen Leuten zum Verderben wird, die in blindem Ansturm der Bosheit und Verstockung wider Gottes Wort anlaufen. Dies einzuprägen ist besonders nützlich, damit man nicht die Schuld unserer Sünde Christus anrechne. Er ist uns zum Grundstein gegeben; dass Er zum Fels des Ärgernisses wird, ist nur eine Begleiterscheinung. Alles in allem: Es ist Sein eigentliches Amt, uns in den geistlichen Tempel Gottes einzufügen; dass Menschen an Ihm sich stoßen, ist ihre eigene Schuld, weil der Unglaube sie mit Gott in Streit bringt. Um diesen Kampf wider Gottes Wort zu beschreiben, sagt Petrus ausdrücklich: Und glauben nicht dran.

Dazu sie auch gesetzt sind. – Dieser Satz, der sich ohne Zweifel auf die Juden bezieht, kann doppelt verstanden werden. Vielfach findet man den Sinn, dass die Juden für den Glauben bestimmt waren, weil ihnen die Verheißung des Heils zugedacht war. Mindestens ebenso gut passt aber die andere Deutung, dass sie zum Unglauben bestimmt waren, wie es von Pharao heißt (Römer 9.17), dass er dazu gesetzt ward, dem Herrn zu widerstehen, und wie alle Verworfenen für ihr endliches Ziel bestimmt sind. Ich bevorzuge diese Deutung wegen des dazwischen geschobenen Wörtleins „auch“.