1. Petrus 1.6-9
Darüber frohlocket ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wo es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewähret wird, zu Lobe, Preis und Ehre, wenn nun offenbaret wird Jesus Christus, welchen ihr nicht gesehen und doch lieb habt; und da ihr nun an ihn glaubet, wiewohl ihr ihn nicht sehet, frohlocket ihr mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, indem ihr das Ende eures Glaubens davon bringet, nämlich der Seelen Seligkeit.
Darüber frohlocket ihr. – Obwohl die griechische Form auch als Aufforderung verstanden werden kann: „Frohlocket!“ – zwingt doch der Sinn, dass wir bei der gegebenen Übersetzung bleiben. Das Wörtchen „darüber“ begreift den gesamten Inhalt der Hoffnung auf die im Himmel geborgene Seligkeit. Übrigens hat die Rede weniger lobenden als ermahnenden Charakter. Der Apostel will an die Frucht erinnern, die aus der Heilshoffnung bei uns erwachsen muss: Die geistliche Freude. Damit wird die Herbigkeit aller Übel nicht bloß gemindert, es wird sogar jegliche Traurigkeit besiegt; und ein „Frohlocken“ bedeutet sogar noch mehr als einfache Freude. Dies aber scheint sich einigermaßen zu widersprechen, dass die Gläubigen, die mit Freuden frohlocken, nach diesem Wort des Apostels zugleich traurig sind. Diese Stimmungen schließen sich doch gegenseitig aus. Die Gläubigen wissen aber viel mehr aus Erfahrung, dass dieselben in einer Weise zusammen bestehen, die sich mit Worten nicht ausdrücken lässt. Um aber diese Frage wenigstens einigermaßen zu lösen, will ich festhalten, dass die Gläubigen nicht Klötze sind, noch die menschliche Empfindung völlig abgeschüttelt haben; sie fühlen sich vom Schmerz berührt, fürchten sich vor Gefahren, empfinden Armut als lästig und Verfolgungen als schwer und hart. Sie empfinden also infolge solcher Übel Traurigkeit, aber eine solche, die durch den Glauben gelindert wird, so dass ihnen trotz allem die Freude nicht ausgeht. So hindert ihre Traurigkeit die Freude nicht, sondern gibt derselben vielmehr Raum. Anderseits überwindet die Freude zwar die Traurigkeit, tilgt sie aber nicht völlig aus, denn sie beraubt uns nicht des menschlichen Gefühls. Hier wird offenbar, worin wahre Geduld besteht. Ihr Anfang und gleichsam ihre Wurzel ist die Erkenntnis der Wohltaten Gottes, insbesondere, dass wir die gnädige Annahme zur Kindschaft, deren Er uns gewürdigt hat, bedenken. Denn wer dazu den Sinn emporhebt, wird leicht alle Übel in Sanftmut sich gefallen lassen. Nur darum lässt sich unser Geist durch Traurigkeit niederdrücken, weil wir keinen Geschmack für die geistlichen Güter haben. Wer sich aber sagt, dass alle Beschwerden für das Heil nützliche Übungsmittel sind, wird sich nicht bloß über dieselben erheben, sondern sie auch in Anlässe zur Freude verkehren.
Die ihr jetzt traurig seid. – Aber sind nicht auch die Verworfenen traurig, da sie doch dem Übel nicht entgehen können? Petrus aber denkt daran, dass die Gläubigen die Traurigkeit willig auf sich nehmen, während die Gottlosen knirschen und hochfahrend dem Herrn widerstreben. Die Gläubigen sind also in der Weise traurig, wie ein zahmes Rind das Joch annimmt, oder ein gebändigtes Pferd sich selbst von einem Knaben zügeln lässt. Die Verworfenen aber trifft Gott mit Traurigkeit, wie man einem wilden und widerspenstigen Ross mit gewaltsamer Hand die Zügel anlegt. Es schlägt aus und wehrt sich dagegen, aber vergebens. Petrus lobt also die Gläubigen, dass sie nicht gezwungen, sondern freiwillig sich der Traurigkeit unterstellen. Er fügt hinzu: Wo es sein soll, was etwa bedeutet: Weil es sein soll. Es wird uns dadurch eingeprägt, dass Gott die Seinen nicht grundlos quält. Wäre dies der Fall, so ließe es sich freilich schwer tragen. Petrus nimmt also einen Trostgrund aus Gottes Rat. Gewiss wird dessen Grund uns nicht immer deutlich; aber wir sollen doch immer überzeugt sein, dass es so geschehen muss, weil es dem Herrn gefällt. Bemerkenswert ist, dass nicht von einer, sondern von mancherlei Anfechtungen, also von verschiedenen Arten die Rede ist. Die weitere Auslegung möge man im ersten Kapitel des Jakobusbriefes nachlesen. Auch dass die Anfechtung nur eine kleine Zeit währt, dient zum Trost. Denn die Kürze der Zeit mildert auch das härteste Leid nicht wenig. Die Dauer des gegenwärtigen Lebens aber ist nur wie ein Augenblick.
Auf dass euer Glaube rechtschaffen erfunden werde. – Hier wird der Beweis durch Vergleich eines Geringeren mit einem Größeren geführt. Wenn wir das vergängliche Gold so hochschätzen, dass wir es mit Feuer läutern, um ihm seinen vollen Wert zu geben, was hat es Verwunderliches, dass Gott dem Glauben, der vor Ihm ein so köstliches Ding ist, dieselbe Bewährung zumutet? Obgleich nun die griechischen Worte etwas anders lauten, so ist doch kein Zweifel, dass der Glaube mit dem Gold verglichen und als das wertvollere Stück hingestellt werden soll; daraus ergibt sich dann der Schluss, dass er einer rechtschaffenen Prüfung wert ist. Übrigens ist zweifelhaft, ob man übersetzen soll; dass das Gold durchs Feuer bewähret, das heißt erprobt gefunden, oder dass es „geläutert“, das heißt von Schlacken gereinigt wird. Beides lässt sich trefflich auf den Glauben anwenden. Denn es finden sich in uns viele Schlacken des Unglaubens; wenn wir also durch mancherlei Trübsale im Ofen Gottes geschmelzt werden, so wird unser Glaube von unreinen Beisätzen befreit, damit er rein und glänzend vor Gott dasteht. Zugleich aber wird er erprobt, ob er wahrhaft oder heuchlerisch ist. Dies doppelte Verständnis empfiehlt sich auch wegen der Fortsetzung. Denn wie das Gold voller Ehre erst wert ist, wenn es gereinigt wurde, so hat auch der Glaube seine Ehre und Krone von Gott erst zu erwarten, wenn er recht sich bewährt hat.
Wenn nun offenbaret wird Jesus Christus. – Dieser Zusatz will die Gläubigen lehren, ihre Seele bis zum letzten Tage in der Erwartung zu halten. Denn jetzt ist unser Leben in Christus verborgen und wird gleichsam begraben bleiben, bis Christus aus dem Himmel erscheinen wird. Unser ganzer Lebenslauf neigt sich dem Untergang des äußeren Menschen zu, und alle unsere Leiden sind gleichsam ein Vorspiel des Todes. Wollen wir also in unseren Trübsalen Ehre und Lob schauen, so müssen wir die Augen auf Christus richten. Denn unsere Anfechtungen sind in uns selbst voller Schmach und Schande, in Christus aber sind sie herrlich. Aber diese Herrlichkeit lässt sich in Christus noch nicht völlig schauen, weil der Tag der Tröstung noch nicht gekommen ist.
Welchen ihr nicht gesehen und doch liebhabt; und da ihr nun an ihn glaubet, wiewohl ihr ihn nicht sehet. – Zweierlei spricht der Apostel aus: Seine Leser lieben Christus, den sie doch nicht gesehen haben; und sie glauben an Ihn, obwohl sie Ihn nicht sehen. Das erste wird aber aus dem zweiten geboren. Denn der Grund der Liebe ist der Glaube; die Erkenntnis der Wohltaten, mit denen Christus uns geleitet, treibt uns zur Gegenliebe, ja, er bindet uns förmlich an sich, weil er uns vollkommenes Glück anbietet. Der Apostel lobt also die Juden, weil sie an Christus glauben, den sie nicht sehen; so sollen sie es als die Natur des Glaubens erkennen, dass er in Gütern ausruht, die unseren Augen verborgen sind. Sie haben davon etwas von eigener Erfahrung. Immerhin steckt in dieser lobenden Anerkennung auch eine Mahnung. Erstlich sollen wir lernen, dass der Glaube nicht nach der sichtbaren Erscheinung gemessen werden darf. Nach dem Augenschein ist das Leben der Christen jämmerlich; darum müssten sie völlig zusammenbrechen, wenn ihre Glückseligkeit nicht in der Hoffnung bestünde. Gewiss hat auch der Glaube seine Augen; diese dringen aber in Gottes unsichtbares Reich und geben sich mit dem Spiegel des Wortes zufrieden. Denn der Glaube ist ein Beweis von unsichtbaren Dingen, wie wir im Hebräerbrief (11.1) lesen. Darum sagt Paulus mit Recht (2. Korinther 5.6), dass wir fern vom Herrn wallen, solange wir in diesem Leibe wohnen; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Zum andern sollen wir lernen, dass der Glaube nicht ein kaltes Wissen ist, sondern ein solches, das unsere Herzen zur Liebe gegen Christus entzündet. Denn der Glaube fasst Gott nicht bloß in dunkeln Hüllen – dies hieße durch weglose Wüsten irren – sondern hat Christus zu seinem Gegenstand. Weiter eignet er sich nicht Christi bloßen Namen oder bloßes Wesen an, sondern erwägt, was er für uns ist, und welche Güter er uns bringt. Denn wo ein Mensch sein Glück findet, dahin muss sich auch all sein Sinnen richten; nach jenem Wort (Matthäus 6.21): „Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“
Frohlocket ihr mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. – Mit vollem Recht erinnert die Rede noch einmal an jene Frucht des Glaubens, von der wir soeben schon hörten. Denn es ist ein unvergleichliches Gut, dass unser Gewissen nicht bloß vor Gott Frieden gefunden hat, sondern in voller Sicherheit in der Zuversicht auf ewiges Leben frohlockt. Der Apostel weiß von unaussprechlicher Freude zu sagen, weil der Friede Gottes über alles Begreifen geht. Dass diese Freude herrlich, buchstäblich „verherrlicht“, ist, kann doppelt verstanden werden. Entweder soll sie einfach als rühmenswert bezeichnet oder aber einer unbefestigten und hohlen Freude gegenübergestellt werden, deren die Menschen sich alsbald schämen. So würde eine verherrlichte Freude eine feste und beständige sein, die über die Gefahr der Selbsttäuschung erhaben ist. Wer durch solche Freude sich nicht über die Himmel emporheben lässt, um, mit Christus allein zufrieden, die Welt gering zu achten, rühmt sich vergeblich, dass er Glauben habe.
Indem ihr das Ende eures Glaubens davon bringet. – Damit erinnert der Apostel, wohin die Gläubigen alle ihre Gedanken richten sollen: Auf die ewige Seligkeit. Denn diese Welt hält mit ihren Lockungen unsere Begehrungen gefangen; dieses Leben samt allem, was den Leib angeht, hindert uns vielfach, unsere Seele auf die Betrachtung des zukünftigen und geistlichen Lebens zu stimmen. Dieses also empfiehlt uns der Apostel zum Gegenstand eifrigsten Nachsinnens. Zwischen den Zeilen lässt er uns lesen, dass man den Verlust anderer Dinge für nichts achten soll, wenn nur die Seelen gerettet werden. Wenn er sagt: „Indem ihr der Seelen Seligkeit davon bringt“ nimmt er den Lesern allen Zweifel, damit sie, der Erlangung ihres Heils gewiss geworden, umso mutiger voranschreiten. Und als Ziel ihres Glaubens stellt er eben die Seligkeit hin, damit sie bei weiterem Aufschub nicht ängstlich werden. Denn in der Gegenwart müssen wir uns mit dem Kindschaftsstande begnügen und dürfen nicht verlangen, vor der Zeit in den Besitz des Erbes gesetzt zu werden. Statt an das „Ende“ des Glaubens könnten wir auch an seinen Lohn denken, was den Sinn doch nicht verändern würde. Jedenfalls ergibt sich aus den Worten des Apostels, dass wir die Seligkeit nicht anders als durch den Glauben erlangen. Der Glaube aber stützt sich, wie wir wissen, allein auf die Zusage der gnädigen Annahme zur Kindschaft. Ist es aber so, dann verdanken wir die Seligkeit nicht dem Verdienst der Werke, noch dürfen wir sie von ihnen erhoffen. Warum aber nennt der Apostel nur die Seelen, während doch auch den Leibern die Seligkeit der Auferstehung verheißen ist? Es wird der Seele, weil sie unsterblich ist, im eigentlichsten Sinne die Seligkeit zugeschrieben, wie auch Paulus sich gelegentlich des Ausdrucks bedient, dass der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu (1. Korinther 5.5). So bedeutet der Seelen Seligkeit nichts anderes, als was wir sonst die ewige Seligkeit nennen. Stillschweigend wird ein Vergleich gezogen mit dem sterblichen und hinfälligen Leben, welches den Leib angeht. Doch soll dem Leibe sein Anteil an der seligen Herrlichkeit nicht abgesprochen werden, sofern er ein Anhängsel der Seele ist.