von Ray Douglas Bradbury
Verlag: Diogenes
Leseprobe
Nachts, wenn es langweilig wurde, was jede Nacht der Fall war, glitten die Feuerwehrleute die Stangen hinunter, stellten die tickende Kombination für das Geruchssystems des Spürhundes ein und ließen auf dem Vorplatz Ratten los und manchmal auch Hühner oder ein Kätzchen, das ohnehin ertränkt werden musste, und dann wurden Wetten abgeschlossen, welche der Ratten oder Hühner oder Katzen der Hund zuerst erwischen würde. Hatte man die Tiere losgelassen, war dreißig Sekunden später das Spiel auch schon aus; ehe die Ratte oder Henne ganz über den Vorplatz gekommen war, hielt der Hund sie zwischen den weichen Pfoten, während aus seiner Schnauze eine zehn Zentimeter lange Hohlnadel hervorstieß und dem Opfer eine kräftige Dosis Morphium oder Prokain einspritzte. Die Kadaver wurden dann in den Einäscherungsofen geworfen; ein neues Spiel konnte beginnen.
(Ausschnitt aus: Ray Douglas Bradbury – Fahrenheit 451; Diogenes)
Inhalt
Amerika in der Zukunft. Guy Montag arbeitet bei der Feuerwehr, deren Ziel es ist, Bücher zu verbrennen – denn Bücher sind verboten. Dafür gibt es die Fernseh-Wände, die den Zuhörer zu jeder Zeit interaktiv beschäftigen und dabei eine illusionäre, heile Welt suggerieren. Im Gegensatz dazu ist die Gesellschaft gefühlskalt und aggressiv; Krieg liegt in der Luft, die Jugend jagt in tödlichen Spielen mit Autos Passanten; die Gesellschaft an sich ist desozialisiert, selbständiges Denken wird als anormal und unerwünscht, ja sozial-feindlich angesehen.
Aufgeklärt wird der Leser über die gesellschaftliche Hintergrundsituation, die Bücherverbrennung und viele Details durch ein langes Zwiegespräch zwischen Montag und seinem Vorgesetzten Captain Beatty: Die Gesellschaft an sich hat die Bücherverbrennung gewollt, der Staat führt sie durch; ja, selbst wenn es keine Bücherverbrennung gäbe, würde sie das Volk nicht mehr lesen…
Eines Tages trifft Montag auf die 17-jährige Clarisse, die in ihrer anormalen Lebensweise sowie ihrer hinterfragenden Denkweise den Protagonisten immer mehr Fragen aufwerfen lässt. Zudem kommt es während eines Einsatzes zu einem Umdenken in Montags Handeln: Der Freitod einer älteren Frau während einer Bücherverbrennung führt zu einem Wandel in Montags Denkweise, die in einer sich immer drastischer drehenden Spirale endet…
Biographie
Bradbury wurde 1920 in Waukegan/USA geboren. Schon als Schüler begann er mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, insbesondere im Bereich Science-Fiction, sein literarischer Durchbruch erfolgte 1950 mit den Mars-Chroniken. Drei Jahre später erschien sein berühmtester Roman 451 Fahrenheit, welcher auch eine der bekanntesten und eindrücklichsten Dystopien des Gegenwart darstellt. Während seiner gesamten schriftstellerischen Laufbahn blieb er dem Genre Science-Fiction treu; widmete sich allerdings auch anderen Themen. 1999 erlitt Bradbury einen Schlaganfall, blieb jedoch weiterhin schriftstellerisch tätig. 2012 starb er in Los Angeles/USA.
Bewertung
Fahrenheit 451 ist eine sehr gesellschaftskritische Dystopie, die schon fast prophetisch wirkt: Anstelle der Fernsehwände trägt die heutige Gesellschaft Ihre „Beschallung“ – sprich: Smartphones – mit sich herum, immer abgelenkt und beschäftigt; Bücher werden auch heute immer mehr in den Hintergrund gedrängt; das selbständige Denken wird von diverse Vereinfachungen und Lösungsstrategien durch die Digitalisierung übernommen und die persönliche eigenständige Handlungsfähigkeit schränkt sich immer mehr ein; und auch Kriege sind (allerdings seit jeher, mal deutlicher und mal weniger) Teil des Weltgeschehens…
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