von Michail Bulgakow
Verlag: DTV
Leseprobe
Eine unanständige Wohnung, dachte der Hund, aber so schön! Bloß was zum Teufel will er mit mir? Ob er mich am Leben lässt? Komischer Kerl! Dabei brauchte er nur mit der Wimper zu zucken, und schon hätte er einen Hund, dass man nur staunen würde! Aber vielleicht bin ich auch schön. Das muss wohl mein Glück sein! Die Eule da, die ist gemein. ..So frech.
Endgültig wach wurde der Hund erst spät am Abend, als das ewige Klingeln aufgehört hatte, in dem Moment, als die Tür besondere Besucher einließ. Sie waren gleich zu viert. Alles junge Leute, sehr bescheiden angezogen.
Was wollen die denn? dachte der Hund feindselig und verwundert. Noch viel feindseliger empfing sie der Professor. Er stand am Schreibtisch und blickte sie an wie ein Feldherr die Feinde. Die Flügel seiner Habichtsnase blähten sich. Die vier traten auf dem Teppich von einem Bein aufs andere.
„Wir kommen zu Ihnen, Professor«, sagte einer von ihnen, der auf dem Kopf eine ein viertel Arschin hohe Mähne aus dichtem schwarzem Lockenhaar trug, „in folgender Angelegenheit ...“
„Meine Herren, Sie sollten bei diesem Wetter Galoschen tragen“, fiel ihm der Professor belehrend ins Wort, „erstens erkälten Sie sich sonst, und zweitens haben Sie mir die Teppiche schmutzig gemacht, und es sind alles Perserteppiche.“
Der mit der Mähne verstummte, alle vier starrten den Professor verblüfft an. Das Schweigen dauerte mehrere Sekunden und wurde vom Fingertrommeln des Professors auf einer bemalten Holzschale ausgefüllt.
„Erstens sind wir keine Herren“, sagte endlich der jüngste der vier, der ein Gesicht wie ein Pfirsich hatte.
„Zweitens“, unterbrach ihn der Professor, „sind Sie ein Mann oder eine Frau?“
Die vier verstummten abermals mit offenem Mund. Diesmal besann sich als erster der mit der Mähne.
„Was macht das für einen Unterschied, Genosse?“ fragte er hochmütig.
„Ich bin eine Frau“, gestand der Jüngling mit dem Pfirsichgesicht, der eine Lederjacke trug, und errötete heftig. Daraufhin errötete noch heftiger ein weiterer der vier, ein blonder junger Mann mit Pelzmütze.
„Dann können Sie Ihre Mütze aufbehalten, aber Sie, mein Herr, muss ich bitten, die Kopfbedeckung abzunehmen“, sagte der Professor missbilligend.
„Ich bin kein Herr“, sagte der Blonde scharf und nahm die Pelzmütze ab.
„Wir kommen zu Ihnen“, fing der mit der schwarzen Mähne wieder an.
„Zunächst einmal, wer ist das, wir?“
„Wir sind die neue Hausverwaltung“, sagte der schwarzmähnige mit unterdrückter Wut. „Ich heiße Schwonder, sie heißt Wjasemskaja, und das sind die Genossen Pestruchin und Sharowkin. Wir kommen also ...“
„Sind Sie das, die in die Wohnung von Fjodor Pawlowitsch Sablin einquartiert wurden?“
„Ja“, antwortete Schwonder.
„Mein Gott, das Kalabuchow-Haus ist verloren!“ rief der Professor verzweifelt und schlug die Hände zusammen.
(Ausschnitt aus: Michail Bulgakow – Hundeherz; DTV)
Inhalt
Der Chirurg Filipp Filippowitsch Preobrashenski nimmt den Straßenhund Bello bei sich auf, um ihm die Organe eines Verbrechers einzupflanzen. Es entsteht ein dem Menschen ähnliches Wesen: Es geht auf den Hinterbeinen und spricht alle fünf Minuten ein neues Wort. Bello verwandelt sich in den Genossen Bellow. Der aber flucht, belästigt Frauen, trinkt und stiehlt. Je mehr er Mensch wird, desto mehr wird auch sein Herz zum schäbigsten und gemeinsten aller Herzen: dem menschlichen. Eine Groteske, die mit kritikloser Wissenschafts- und Fortschrittsgläubigkeit abrechnet.
Biographie
Michail Afanasjewitsch Bulgakow wurde 1891 in Kiew in der Ukraine geboren. Nach dem Abitur 1909 studierte er Medizin an der Universität Kiew, 1916 schloss er sein Studium mit dem Diplom ab. Zwischen 1919 und 1921, der Zeit des Russischen Bürgerkrieges und sowie der Folgezeit, verschlägt es Bulgakow an diverse Orte, bis er sich 1921 schließlich in Moskau nieder lässt und dort für eine Reihe von Zeitschriften arbeitet. Bis 1929 ist er als Schriftsteller aktiv, 1930 werden seine Werke jedoch nicht mehr veröffentlicht. Er wendet sich mit der Bitte an Ausreise oder einer Stelle als Regie-Assistent am Kunsttheater Moskau an Josef Stalin, der ihm Hilfe verspricht. So arbeitet Bulgakow in verschiedenen Theatern als Regie-Assistent, ab 1936 ist er im Bolschoitheater tätig. 1939 erkrankt er an Neurosklerose und stirbt 1940.
Bewertung
Ein mit sehr viel Humor geschriebenes Buch, was dem Menschen in Form einer Fabel einen Spiegel gegenüber hält. Zudem verpackt Bulgakow Anspielungen auf die Politik der damaligen Zeit, allen voran Stalin und Trotzki, in seine Geschichte. Sehr schön zu lesen.
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