BÜCHERECKE

Foma Gordejew

von Maxim Gorki

 

Verlag: Aufbau Verlag

 

Leseprobe

So floss Fomas Leben langsam dahin, Tag für Tag, im Allgemeinen ohne besondere Aufregungen, friedlich und still. In diesem einförmigen Dasein gab es wohl gelegentlich auch starke Eindrücke, die die Seele des Knaben für eine Stunde erregten, aber sie verwischten sich rasch wieder. Seine Seele war noch wie ein stiller See, vor den Stürmen des Lebens geschützt; was an seine Oberfläche rührte, sank entweder auf den Grund und bewegte das schläfrige Wasser nur für kurze Zeit, oder es glitt über die glatte Fläche dahin, zerfloss in weiten Kreisen und verschwand wieder .

Foma blieb fünf Jahre in der Kreisschule, machte schlecht und recht die vier Klassen durch und verließ sie als ein strammer Bursche mit schwarzem Haupthaar, gebräuntem Gesicht, dichten Augenbrauen und dunklem Flaum auf der Oberlippe. Seine großen, dunklen Augen blickten nachdenklich und unbefangen, die Lippen waren halb geöffnet wie bei Kindern. Wenn jedoch seine Wünsche auf Widerstand trafen oder wenn etwas ihn reizte, dann weiteten sich seine Pupillen, die Lippen pressten sich fest zusammen, und sein Gesicht bekam einen eigensinnigen, entschlossenen Ausdruck. Der Pate pflegte von ihm mit einem skeptischen Lächeln zu sagen:

„Die Weiber werden sich um dich reißen, Foma, aber von großem Verstand ist bei dir vorläufig noch nichts zumerken.“

Ignat seufzte bei solchen Worten.

„Du solltest ihn möglichst bald ausfliegen lassen, Gevatter!“

„Warte nur ab!“

„Auf was willst du noch warten? Lass ihn zwei, drei Jahre auf der Wolga fahren, und dann mag er heiraten. Sieh dir doch nur mal meine Ljuba an; ist die nicht ein Prachtmädel?“

(Ausschnitt aus: Maxim Gorki – Foma Gordejew; Aufbau Verlag)

 

Inhalt

Nach dem Tode seiner ersten Frau heiratet der Kaufmann und Wolgaschiffer Ignat Gordejew ein weiteres Mal. Seine Frau Natalja stirbt jedoch bei der Geburt des Sohnes. Foma wächst die ersten Jahre bei seinem Paten auf, bis ihn sein Vater zurück nach Hause holt. Schon in der Schule zeichnet sich ab, dass Foma nicht den Anforderungen gerecht wird und lieber seinen Schulkameraden Jeshow seine Aufgaben erledigen lässt. Nach dem Tode seines Vaters erbt Foma – unter Beaufsichtigung seines Paten – das Unternehmen. Doch auch hier zeigt sich, dass er auch hier nicht den Anforderungen gewachsen ist und vergeblich nach seiner Stellung in der Gesellschaft sucht. Und so nimmt langsam aber stetig das Unglück seinen Lauf…

 

Biographie

Maxim Gorki, eigentlich Alexei Maximowitsch Peschkow, wurde 1868 in Nischni Nowgorod geboren und wuchs unter ärmsten Verhältnissen auf. Ab seinem zehnten Lebensjahr begann er mit diversen Aushilfsarbeiten Geld zu verdienen, bis er in späteren Jahren genug Geld durch seine literarischen Aktivitäten einnahm. In der zweiten Hälft der 80er Jahre kam Maxim Gorki mit der revolutionären Bewegung in Verbindung, 1889 wurde er der zaristischen Geheimpolizei bekannt.

Nach starker Kritik an seinen ersten Werken 1889 begann er, Teile Russlands und der Ukraine zu Fuß zu durchwandern und trat dabei immer wieder in Kontakt zu Revolutionären. 1892 benutzte er erstmalig das Pseudonym Maxim Gorki. 1894 gelang ihm der literarische Durchbruch, um die Jahrhundertwende war Gorki über die Grenzen Russlands hinaus gekannt geworden. Sein erster großer Roman Foma Gordejew erschien 1899. Nach der Revolution 1905 und den später folgenden politischen Verschärfung emigrierte er ins Ausland. Zunächst in Frankreich und den USA, wo er seinen Roman Die Mutter schrieb, verweilte er von 1907 bis 1913 auf der Insel Capri. In den Kriegsjahren und den folgenden Revolutionsjahren lebte Gorki wieder in Russland, siedelte aber wegen seines Tuberkuloseleidens und auf Anraten von Lenin 1921 nach Deutschland. Nach Lenins Tod wollte Maxim Gorki nicht zurück nach Russland, da er vorbehalte gegen dessen Nachfolger hatte und zog in das faschistische Italien. Zu seinem 35-jährigen Schriftsteller-Jubiläum 1927 wurde er schließlich in der Sowjetunion anerkannt und kehrte zurück. Seine Heimatstadt wurde an seinem 60. Geburtstag in Gorki umbenannt. 1936 starb Maxim Gorki an den Folgen einer Lungenentzündung.

 

Bewertung

In einem Brief an Anton Tschechow vom August 1899 bemerkt Gorki, er habe die Figur des Majakin hinter der Figur von Foma Gordajew versteckt, um ihn so der Zensur zu entziehen.

Maxim Gorki hat in seinem Roman zwei hauptsächliche Handlungsstränge ineinander verwoben. Zum einen stellt er die unterschiedlichen Generationen von Industriellen und Kaufleuten dar. Daneben erzählt er aber auch das Leben des Foma Gordejew der verzweifelt nach seinem Platz in der Gesellschaft sucht und mit der ihm aufgelegten Bürde nicht zurecht kommt und dabei langsam zerbricht.

 

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