von Iwan S. Turgenjew
Verlag: Winkler Verlag
Leseprobe
Durch dichte, mit Grasranken durchwachsene Haselnusssträucher steigen Sie auf den Boden der Schlucht hinab. In der Tat: hart unter dem Steilhang versteckt sich eine Quelle; ein Eichenbusch breitet gierig seine tatzenhaften Zweige über das Wasser; große silberne Blasen steigen schwankend vom Boden auf, der mit feinem samtigem Moos bedeckt ist. Sie werfen sich nieder, Sie haben getrunken, sind jedoch zu faul, sich zu rühren. Sie befinden sich im Schatten, atmen die aromatische Frische; Sie fühlen sich wohl, doch die Büsche Ihnen gegenüber glühen und welken in der Sonne. Doch was ist das? Ein Windstoß huschte vorbei und verstummte; die Luft erbebte ringsum: etwa ein Donnerschlag? Sie gehen aus der Schlucht hinaus. …was ist das für ein bleigrauer Streifen am Horizont? Verdichtet sich die Glut? Zieht eine Wolke herauf? ...Doch dort zuckte ein schwacher Blitz. ..he, das ist ja ein Gewitter! Ringsum scheint die Sonne noch hell: man kann noch jagen. Doch die Wolke wächst: ihr vorderer Rand dehnt sich ärmelartig und bauscht sich auf. Das Gras, die Büsche, alles ist mit einemmal farblos geworden. ..Schnell! dort scheint ein Heuschober zu sein. .. schnell! Sie sind beizeiten angelangt, unter das Dach getreten. ..Welch ein Regen! Was für Blitze! Irgendwo beginnt das Wasser durch das Strohdach auf das duftende Heu zu tropfen ...Doch schon zeigt sich wieder die Sonne. Das Gewitter ist vorüber; Sie treten wieder hinaus. Herr des Himmels, wie freudig leuchtet alles ringsum, wie frisch und dünn ist die Luft, wie riecht es nach Erdbeeren und Pilzen! ...
(Ausschnitt aus: Iwan S. Turgenjew – Aufzeichnungen eins Jägers; Winkler Verlag)
Inhalt
In ‚Aufzeichnungen eines Jägers’ beschreibt Turgenjew auf einfache Weise dem Betrachter – teilweise in eigenen Erlebnissen, teilweise als Erzählung – in einer Vielzahl von Kurzgeschichten Jagderlebnisse und Menschen im Gouvernement Orjol. Dem Leser ergeben sich sowohl Einblicke in die Natur der Region als auch die Lebensweise, der Denkweise sowie des Aberglaubens der Menschen zu Mitte des 19. Jahrhunderts.
Biographie
Iwan Sergejewitsch Turgenjew wurde 1818 als Sohn einer Adelsfamilie in Orjol geboren. Von 1833 bis 1837 studierte er Literatur in Moskau und St. Petersburg. Anschließend studierte er mehrere Jahre im Ausland, besonders Berlin und Heidelberg. Nach seiner Rückkehr nach Russland arbeitet Turgenjew kurzzeitig als Beamter. Aufgrund sozialkritischer Äußerungen wurde er 1852 auf sein Gut verbannt, 1855 verließ er dann Russland und kehrte nur noch selten dorthin zurück. Er lebte bis zu seinem Tode 1883 vorwiegend in Deutschland und Frankreich. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller galt Turgenjew als bester russischer Schachspieler des 19. Jahrhunderts.
Bewertung
Turgenjew gelingt es auf einfache und natürliche Art und Weise, unterschiedliche Lebensverhältnisse und Denkweisen darzustellen. Ohne dabei eine Romanhandlung aufzubauen, haucht er im Stil einer Reiseerzählung den Menschen Leben und Charakter ein. Dieses Buch ist meiner Ansicht nach für diejenigen Leser, die das Russland der damaligen Zeit erleben möchten und eignet sich sehr gut, um das russische Wesen wie auch die russische Literatur der damaligen Zeit kennen zu lernen. Wer allerdings eher auf historische Romane steht, der wird mit diesem Werk wohl nicht allzu viel anfangen können.
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