von Asfa-Wossen Asserate
Verlag: Die Andere Bibliothek
Leseprobe
Der deutsche Gartenzwerg gilt als Inbegriff des Kitsches. (Auch das, nebenbei bemerkt, ein deutsches Wort, das man auf der ganzen Welt kennt: Es leitet sich ab von „kitschen“ für „den Straßenschlamm mit der Kotkrücke zusammenscharren“. Das „Gekitschte“ ist also nichts anderes als „geglätteter Schlamm“.) Und obwohl er so friedlich lächelnd in die Welt schaut und keiner Seele etwas zuleide tut, erhitzt der Gartenzwerg die Gemüter. Wie oft ist er vor Gericht gezerrt worden, um ihn vom Balkon oder aus dem Garten des Nachbarn zu verbannen. Richter haben ihm „optische Geschmacklosigkeit“, „provozierende Albernheit“ und „personifizierte Spießigkeit“ attestiert, was niemand in seiner Nachbarschaft dulden müsse. Der „Verein zum Schutz des deutschen Gartenzwerges“ weist darauf hin, dass noch nie ein Gartenzwerg-Besitzer gegen seinen zwergenlosen Nachbarn prozessiert habe, sondern immer nur umgekehrt. Mitunter greifen menschliche Zwergenfeinde auch zur Selbstjustiz, ziehen des Nachts durch die Gärten der Nachbarschaft und entwenden die herumstehenden Wichte, oder, noch schlimmer: sie hauen ihnen die Köpfe ab. Schwer zu ertragen für einen Liebhaber des guten alten Gartenzwergs sind auch die provokanten Modelle, die sich seit Beginn der 1990er Jahre wachsender Beliebtheit erfreuen: Gartenzwerge mit Sonnenbrille, heruntergelassener Hose, ausgestrecktem Mittelfinger oder – horrible dictu – am Boden liegend, mit einem Messer im Rücken.
(Ausschnitt aus: Asfa-Wossen Asserate – Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle; Die andere Bibliothek)
Inhalt
Asfa-Wossen Asserate beschreibt in seinem Buch „Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle“ in alphabetischer Abfolge die typisch Deutschen Eigenheiten, Assoziationen und Wahrnehmungen – meist Bezug nehmend auf ein Schlagwort entwickelt er seine Schilderungen in humorvoller Weise mit anerkennendem oder ermahnendem Unterton. Dabei bezieht er sich sowohl auf vergangene Erlebnisse und Eindrücke bis hin zu aktuellen Situationen und Denkweisen, angefangen vom Abendbrot (typisch Deutsch) über den Gartenzwerg (der darf nicht fehlen!), Knorke (da starten wir mal in Berlins Vergangenheit und reisen in die heutige Jugendsprache), über die Kuckucksuhr (gerade im Ausland sehr beliebt) und das Oktoberfest (Prost!) bis hin zu Pickelhaube (Preußen lässt grüßen) und dem Zapfenstreich (und hier wird es auch mal sehr interessant politisch)…
Biographie
Asfa-Wossen Asserate wurde 1948 als Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers in Addis-Abeba geboren. Schon in Äthiopien hatte er durch deutschsprachige Hausangestellte sowie den Besuch der Deutschen Schule erste Verbindungen zu Deutschland, so dass er in der Folge sein Jura-Studium in Deutschland (sowie England) begann. Als es 1974 zum Putsch in Äthiopien kam, blieb er in Deutschland; seit 1981 besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft.
Bewertung
Ich habe dieses Buch mit sehr viel Interesse und Freude gelesen, da Deutschland hier von Asfa-Wossen Asserate aus zweierlei Sichtweisen beschrieben ist – der des „Ausländers“ und der des „Deutschen“. Dabei hat er sowohl mit einem Zwinkern (aber häufig auch mit einem ernsten Blick) sehr akribisch und mit viel Feingefühl ein Bild gezeichnet, wie Deutschland in unterschiedlichen („typisch Deutschen“) Punkten wahrgenommen wird, der Deutsche sich aber selber oftmals nicht sieht – oder einen ganz and anderen Eindruck bzw. sehr andere Meinung von sich selber hat. Wer also mal über das ein oder andere Thema mit anderen Augen reflektieren möchte oder den ein oder anderen Denkanstoß haben möchte, dem sei dieses Buch sehr empfohlen!
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