RÖMER

Römer Kapitel 4 Teil VIII

Römer 4.16-17

Derhalben muss die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf dass sie sei aus Gnaden und die Verheißung festbleibe allem Samen, nicht dem allein, der unter dem Gesetz ist, sondern auch dem, der des Glaubens Abrahams ist, welcher ist unser aller Vater (wie geschrieben steht: „Ich habe dich gesetzt zum Vater vieler Völker“) vor Gott, dem er geglaubt hat, der da lebendig macht die Toten und ruft dem, was nicht ist, dass es sei.

 

Derhalben … durch den Glauben. – Hier liegt der Abschluss des ganzen Beweises vor, der sich kurz so zusammenfassen lässt: Sollte das Heilserbe durch Werke zu uns kommen, so müsste der Glaube daran zusammenstürzen und die Verheißung davon ein Ende haben. Und doch muss Verheißung und Glaube gewiss sein. Also kommt es durch den Glauben zustande, dass die auf Gottes Güte allein gegründete feste Verheißung ihre gewisse Frucht bringt. Siehe, wie der Apostel Glaube und unwandelbare, gewisse Zuversicht untrennbar aneinander knüpft: Zweifel und Ungewissheit ist Unglaube, welcher den Glauben und die Verheißung miteinander umstürzt. Eine „moralische Wahrscheinlichkeit“ begründet noch keinen Glauben.
Auf dass sie sei aus Gnaden. – Hier spricht es der Apostel zum ersten Male mit voller Deutlichkeit aus, dass dem Glauben kein anderer Gegenstand vorschwebt als allein Gottes Gnade. Würde er seinen Blick irgendwie auf die Werke richten, so würde Paulus nicht sagen dürfen, dass er seinen Besitz „aus Gnaden“ umsonst von Gott empfängt. Solange also der Mensch sein Vertrauen auf die Werke setzt, muss er notwendig ungewiss bleiben; denn er beraubt sich ja selbst der Frucht der Verheißungen. Weiter wird an unserer Stelle deutlich, dass unter Gnade hier nicht das Geschenk der Erneuerung verstanden wird, wie manche Ausleger wollen (vergleiche hierzu 3.21), sondern Gottes Gunst oder freundliche Gesinnung; denn da die Erneuerung niemals vollkommen ist, so reicht sie nicht aus, eine volle Heilsgewissheit zu begründen und uns die Erfüllung der göttlichen Verheißungen zu sichern.

Nicht dem allein, der unter dem Gesetz ist. – „Unter dem Gesetze“ sind nach sonstigem Sprachgebrauch die Fanatiker des Gesetzes, welche dessen Joch besonders schwer machen und darauf ein hochmütiges Selbstvertrauen gründen. Hier aber ist einfach das jüdische Volk gemeint, welchem das Gesetz Gottes anvertraut war. Paulus spricht aber nicht von „Knechten des Gesetzes“, deren Werkeifer etwa Christus den Rücken kehren will, sondern er denkt an Juden, welche, im Gesetz erzogen, sich dann Christus angeschlossen haben. Um ganz deutlich zu sein, wollen wir den Sinn umschreiben: Nicht den Juden allein, welche das Gesetz haben, sondern allen Menschen, welche in die Fußstapfen des Glaubens Abrahams treten, auch wenn sie vordem das Gesetz nicht besaßen.

Welcher ist unser aller Vater. – „Welcher“ will zu verstehen geben: Weil er ja usw. Dieselbe Verheißung, welche dem Abraham und seinem Samen das Erbe zusprach, erklärte ja auch die Heiden zu seinen Nachkommen und also Mitgenossen der Gnade.

Darum heißt Abraham der Vater nicht bloß eines Volkes, sondern vieler Völker. – Dieses Wort deutet auf die künftige Ausbreitung der zuerst auf Israel beschränkten Gnade über die ganze Welt. Der Segen musste zu denen weiter getragen werden, welche Abrahams Nachkommen werden sollten. Wenn es aber heißt: „Ich habe dich gesetzt“, so will diese Vergangenheitsform nach einem geläufigen Sprachgebrauch der Schrift ausdrücken, dass Gottes Rat die Verheißung so gewiss erfüllen werde, als wäre es schon geschehen. Sprach aller Augenschein dagegen: Abraham war doch zum Vater vieler Völker gesetzt. Den Spruch aus 1. Mose 17.5 schließt man am besten in Klammern ein; dann sieht man, dass zusammengehören soll: Unser aller Vater vor Gott. Die Art der Verwandtschaft bedurfte der Erläuterung. Rühmten sich die Juden allzu hoch der fleischlichen Abstammung, so spricht Paulus demgegenüber von einem Vater „vor Gott“, das heißt einem geistlichen Vater. Denn diese Würde gebührt dem Abraham nicht nach dem Fleisch, sondern nach Gottes Verheißung.

Dem er geglaubt hat, der da lebendig macht die Toten. – Diese Umschreibung enthüllt den innersten Kern des Glaubens Abrahams und zeigt zugleich, wie in seiner Nachfolge der Glaube auch zu den Heiden gelangen konnte. Denn zur Erfüllung der Zusage, welche Abraham aus Gottes Mund vernahm, musste wohl ein Weg der Wunder führen, da irgendeine greifbare Anknüpfung dafür nicht vorlag. Samen pflegt man zu erwarten, wo Kraft und Lebensfrische vorhanden ist: Abraham aber war ein abgestorbener Greis. Also musste er seine Gedanken aufwärts auf jene Kraft Gottes richten, welche die Toten lebendig macht. Nun erscheint es nicht mehr verwunderlich, wenn Heiden, trockene und erstorbene Zweige, in Abrahams Gemeinschaft eingepfropft werden. Wer da sagen wollte, ihr totes Wesen mache sie unfähig für die Gnade, der würde dem Abraham eine Schmach antun, dessen Glaube durch den Gedanken erstarkte, dass kein Tod Gott hindert, zum Leben zu rufen; denn Seine Macht überwindet den Tod. Hier haben wir überhaupt für unsere Berufung ein Vorbild und Beispiel, welches uns unsere Geburt vor Augen führt, nicht eine Geburt für dieses Leben, sondern für die Hoffnung ewigen Heils: Wenn Gott uns ruft, so treten wir erst aus dem Nichts ins Dasein. Denn wir mögen scheinen, wie wir wollen; von irgendeiner Güte, die uns das Gottesreich erschließen müsste, besitzen wir keinen Funken. Wir müssen erst uns selbst ganz und gar absterben, ehe wir fähig werden, Gottes Berufung zu folgen; denn dies ist ihre Bedingung: Tote erweckt Gott zum Leben; die nichts sind, werden etwas durch Seine Kraft. – Das Wort rufen darf dabei nicht bloß auf die Predigt des Wortes beschränkt werden, sondern es bezeichnet nach dem Sprachgebrauch der Schrift eine machtvolle Erweckung. So schauen wir Gottes Kraft, welche gebietet, und es steht da.