Kolosser 3.9-13
Lüget nicht untereinander; ziehet den alten Menschen mit seinen Werken aus, und ziehet den neuen an, der da erneuert wird zu der Erkenntnis nach dem Ebenbilde des, der ihn geschaffen hat; da nicht ist Grieche, Jude, Beschneidung, Vorhaut, Ungrieche, Skythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus. So zieht nun an, als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld, und vertrage einer den anderen, und vergebt euch untereinander, so jemand Klage hat wider den anderen; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr.
Lüget nicht. – Mit dem Lügen verbietet Paulus zugleich jegliche Unlauterkeit und alle bösen Künste der Täuschung. Denn es wird gar nicht bloß an Verleumdung zu denken sein, sondern an alles, was einen aufrichtigen Sinne widerstreitet. Zur Begründung dient ein Hinweis auf die Gemeinschaft, in welcher die Gläubigen mit dem Tode und der Auferstehung Christi stehen. Doch bedient sich der Apostel nicht grade dieses Ausdrucks. Vielmehr spricht er vom alten Menschen, den wir ausziehen sollen, worunter er alles versteht, was wir aus Mutterleibe mitbringen, und was wir von Natur sind. Ihn ziehen alle aus, welche durch Christus erneuert werden. Dagegen ist der „neue Mensch“ der durch den Geist Christi zum Gehorsam der Gerechtigkeit erneuerte, oder unsere durch denselben Geist zur wahren Reinheit wieder hergestellte Natur. Der alte Mensch geht dem neuen der Zeit nach voran, weil wir zuerst aus Adam geboren sind, und nachher durch Christus wiedergeboren werden. Wie aber, was wir aus Adam haben, alt wird und dem Untergang entgegengeht, so bleibt, was wir durch Christus erlangen, beständig, nimmt nicht ab, sondern gelangt vielmehr zur Unsterblichkeit. Diese Stelle ist wichtig zur Erkenntnis des Wesens der Wiedergeburt. Diese besteht nämlich in zwei Stücken: In der Ablegung des alten und in der Herstellung des neuen Menschen, wie Paulus hier sagt. Auch ist zu beachten, dass der alte Mensch an seinen Werken, wie der Baum an seinen Früchten, erkannt wird; daraus folgt, dass unter dem alten Menschen die uns angeborene Verderbtheit zu verstehen ist.
Der da erneuert wird zu der Erkenntnis. – Als erstes Kennzeichen der Erneuerung nennt Paulus die Erkenntnis, das heißt nicht ein bloßes Wissen, sondern die lebendige und kräftige Erleuchtung des Heiligen Geistes, welche nicht nur unseren Verstand mit dem Lichte der Wahrheit erfüllt, sondern den ganzen Menschen umgestaltet, und zwar nach dem Ebenbilde Gottes. Dieses aber spiegelt sich in der ganzen Seele, indem nicht nur die Vernunft, sondern auch der Wille zurechtgebracht wird. Hier lernen wir, sowohl was das Ziel unserer Wiedergeburt ist, nämlich dass wir Gott ähnlich gemacht werden und Seine Herrlichkeit in uns widerstrahle, als auch, worin der Bild Gottes besteht, nach welchem wir (laut 1. Mose 1.27) geschaffen wurden; nämlich in Lauterkeit und Unschuld der ganzen Seele, so dass der Mensch die Weisheit, Gerechtigkeit und Güte Gottes widerspiegelt. In Epheser 4.24 beschreibt Paulus es mit etwas anderen Worten, aber demselben Sinn. Zugleich erinnert er die Kolosser, dass sie nach nichts Herrlicherem trachten können, weil das unsere höchste Vollkommenheit und Seligkeit ist, Gottes Bild an uns zu tragen.
Da nicht ist Grieche, Jude, Beschneidung, Vorhaut, Ungrieche, Skythe, Knecht, Freier. – Das fügt er mit der Absicht hinzu, auch dadurch die Kolosser von den Zeremonien abzuwenden. Denn das bedeuten diese Worte: Die christliche Vollkommenheit bedarf jener äußerlichen Gebräuche gar nicht, diese haben im Gegenteil mit jener gar nichts gemein. Denn die Gegensätze „Vorhaut und Bescheidung“, „Juden und Griechen“ meinen schließlich alle jene Äußerlichkeiten, durch welche Juden und Griechen sich unterscheiden. Das Folgende „Ungrieche, Skythe, Knecht, Freier“ ist lediglich einer Erweiterung.
Alles und in allen Christus. – Das heißt, Christus allein ist Anfang und Ende. Dabei schwebt dem Apostel vor allem die geistliche Gerechtigkeit Christi vor, welche die Zeremonien beseitigt. Diese sind also für die wahre Vollkommenheit überflüssig – ja, sie dürfen nicht mehr statthaben, weil sonst Christus beleidigt wird, als hätte Er einen Mangel, zu dessen Ergänzung jene Hilfsmittel dienen müssten.
So zieht nun an. – Wie Paulus eben Stücke des alten Menschen angefügt hat, so nennt er jetzt einige des neuen Menschen, die es gilt anzuziehen. Dann, sagt er, wird es offenbar werden, dass ihr durch Christus erneuert seid, wenn ihr barmherzig, freundlich usw. seid. Denn das sind Wirkungen und Beweise der Erneuerung. An erster Stelle nennt er herzliches Erbarmen, und bezeichnet damit den ernsten, aus dem Innersten kommenden Trieb der Barmherzigkeit. Dann Freundlichkeit, die uns liebenswürdig macht. Dieser schließt er die Demut an. Denn niemand wird freundlich und umgänglich sein, der nicht den Stolz und Hochmut des Herzens ablegt, und, ohne für sich selbst etwas zu beanspruchen, sich zur Bescheidenheit bequemt. Sanftmut umfasst mehr als Freundlichkeit; denn diese zeigt sich vor allem in den Mienen und in der Rede, die Sanftmut aber auch in der inneren Gesinnung. Weil wir oft mit verkehrten und unangenehmen Leuten zu tun haben, bedürfen wir der Geduld, die uns gelinde macht. Worin sie besteht, hören wir im Folgenden (Vers 13): Es vertrage einer den anderen, was namentlich in der Verzeihung etwaiger Anstöße sich bewähren wird. Weil dies zu leisten aber äußerst schwer ist, so muss ein Hinweis auf Christi Beispiel, dem wir nachzufolgen haben, uns stärken: Nimmt uns Christus trotz unserer vielen und schweren Verschuldungen immer wieder zu Gnaden an, so sollen wir die gleiche Liebe unseren Nächsten erweisen und ihnen verzeihen, was immer sie gegen uns gesündigt haben. Darum sagt der Apostel: So jemand Klage hat wider den anderen, das heißt wir sollen auch nicht auf der vor Menschen gerechten Strafe bestehen.
Als die Auserwählten Gottes. – Das heißt, dazu hat euch Gott für Sich auserwählt, geheiligt und in Seine Liebe aufgenommen, dass ihr barmherzig usw. seiet. Wer diese Tugenden nicht besitzt, rühmt sich vergeblich heilig und von Gott geliebt zu sein, rechnet sich vergeblich zu den Gläubigen.