23. Juli

1. Korinther 15.10:

Aber von Gottes Gnade bin ich, das ich bin, und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet denn sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.

 

Solche Ausleger, die der Göttlichen Gnade den freien Willen des Menschen entgegenstellen und nicht zugeben wollen, dass wir alles Gute, das wir tun, der Gnade verdanken, müssen den Worten unseres Textes Gewalt antun, um sie in ihrem Sinne zu deuten. Als ob Paulus die Vorstellung gehabt hätte, es habe an seiner eigenen Anstrengung gelegen, wenn Gottes Gnade bei ihm ihr Ziel erreicht! Gewöhnlich stellt man sich vor: Gott biete uns seine Gnade an, aber es liege in unserer Macht, ob wir sie gebrauchen wollen, und von uns hänge es ab, ob sie etwas ausrichte oder nicht. Ich aber bestreite, dass Paulus etwas Derartiges sagen will. Denn er weiß von keiner rühmenswerten Leistung, die er, losgelöst von Gottes Kraft und über dieselbe hinaus hätte vollbringen können. Er will sich nicht mit Worten rühmen, wo keine Tatsachen vorliegen: So weist er einfach darauf hin, was durch ihn vor aller Augen geschehen ist. Nun will ich nicht leugnen, dass des Apostels Worte auch dies in sich schließen, er habe Gottes Gnade nicht missbraucht und des Herrn Absicht nicht vereitelt. Daraus ergibt sich aber noch längst kein Recht, den Ruhm, der Gott allein gebührt, zwischen Mensch und Gott zu teilen. Denn der Herr schenkt uns nicht nur die Kraft, sondern auch das Wollen und Vollbringen!

(Calvin)