JONA-PREDIGTEN

6. Jona-Predigt - I. Teil

 

I. Wie es den Jona verdross, dass Gott nicht tat, was Er ihn hatte predigen lassen.

Jona 4. 1a

Das aber verdross Jona sehr, und er ward zornig…

Was verdross den Jona? Und weshalb ward er zornig? Darum wurde er über die Maßen verdrießlich, darum wurde er zornig: Weil Gott des Übels reute, welches Er geredet hatte, und es nicht tat! – Wie? Jona, ein Prophet Gottes, eine Bote des Friedens, wird darüber zornig, dass Gott nicht tut, was er gepredigt? Er zieht also sein Wort und seine Predigt der Errettung einer ganzen Stadt vor! Ja, meine Geliebten! Es ist geschehen! Stände es nicht geschrieben, wer würde es glauben? Daran wissen wir aber, dass wir Gottes Wort vor uns haben: Denn darin werden uns die Heiligen Gottes vorgemalt, wie sie in Wahrheit gewesen sind – und nicht wie sich das Fleisch dieselben vorzustellen pflegt. Der Mensch denkt in der Not und Sorge seiner Sünden wegen: „Wäre ich wie dieser oder jener Heilige, ja dann würde ich vollkommen sein, dann würde ich wissen, dass Gott an mir gefallen hat“. Nun, wenn man den Heiligen Gottes darin gleichen will, ein solcher Sünder zu sein, wie sie Sünder waren, dann wird man auch alsbald das sein, was sie als Heilige Gottes gewesen sind. Der Mensch sollte aber an den Heiligen Gott denken und an Seine Gnade, und nicht an das Gesetz  und des Fleisches Heiligung! Denn auch Jona hat es wohl von sich erfahren, dass er bei dem Gesetze Gottes nichts an und für sich taugte, obgleich er ein Prophet Gottes war – obgleich er durch und durch belehrt und aus der Hölle herausgerissen war! „Das Gesetz ist geistlich, ich aber bin fleischlich“ – solches hat er auch von sich selbst bekennen müssen.

Versteht den Jona aber wohl:  Er war kein Teufel, der aus teuflischer Ehrsucht lieber eine große Stadt Gottes unglücklich gesehen hätte, als dass er ohne weiteres nicht sollte der Mann bleiben – er war an seinem Gott irre geworden; er verstand dessen Weg nicht mehr! Gott hatte es unbedingt predigen lassen: Noch vierzig Tage, und Ninive wird untergehen! Das war ja Gottes Wort, und nun wurde daraus nichts. So stand er denn als ein Lügner da! Er war treu gewesen, hatte seine Botschaft ganz treulich ausgerichtet, und nun war Gott ihm untreu geworden (wie er meinte!), denn Er tat es ja nicht, was Er ihn hatte predigen lassen! Ein solches Benehmen Gottes verstand er so wenig, wie Hiob Gottes Verfahren mit ihm verstand! Darüber hätte er nun freilich nicht so entrüstet, nicht so zornig werden sollen, dass der Herr nun anders verfuhr. Denn wenn ein Gesandter die Last seines Königs vollbrachte hat, so soll er das weitere  dem Willen des Königs doch überlassen. Aber nein, Jona meinte: „Gott, Gott hat durch mich Tod und Untergang predigen lassen ¬– so soll auch kommen, was ich gepredigt habe!“ Und dabei übersah er ganz, was die Predigt gewirkt hatte – oder er wollte es doch nicht für völlig anerkennen! Da konnte er denn aber mit Agur sagen: Ich bin der allernärrischste, und Menschenverstand ist nicht bei mir! Und es galten auch ihm die Worte, welche der Herr zu Hiob sprach: Wer ist der, der so fehlet in der Weisheit und redet mit Unverstand? Wenn er später an seinen Zorn gedachte, wird er mit Asaph ausgerufen haben: Da war ich ein großes Tier vor dir. Denn Jona  ist wohl der stärkste Beleg dessen, was der Herr gesagt: Aus dem Herzen der Menschen kommt hervor – Unverstand!

Ist es um Jona willen allein geschrieben, dass er so entrüstet, so zornig gewesen ist, weil Gott die große Stadt nicht umkehrte und seinen Propheten als einen Lügner vor seiner Predigt sitzen ließ? Meine Geliebten, was denkt mancher von euch? Ja, denkt er, habe ich mal erst solche Erfahrungen durchgemacht wie Jona, wie Hiskia, wie Abraham, dann werde ich doch ein andrer Mann sein. – Ich sage euch aber: Der Mensch bleibt ein Mensch! Solches ist die Meinung des Heiligen Geistes,  dass Er uns dieses von Jona mitteilt! Es ist aber der Sünder gräulichstes, wenn wir Gott meistern wollen in Seinen Wegen und Tun. Und genau das tat Jona! Solches können auch wir nicht lassen, was wir auch durchgemacht haben mögen und wer wir auch sein mögen! Dieser Unverstand steckt in dem Menschen. Was er sagt, was er lehrt und behauptet, solches soll gelten – und weiß er, dass es Gottes Wort ist, was er lehrt, so möchte er viel lieber alles verwüstet sehen, als das Gott nun nicht eben so tun sollte, als er zu lehren gegeben hat! In heiligem Eifer  für das Wort  würden wir alles ausrotten! Es soll so hergehen wie wir meinen dass es heilig ist! Sonst zürnen wir drauf los! Und dies nicht allein: Geht es nicht wie wir denken, dass es gehen sollte, so meinen wir vor Gott noch das höchste Recht obendrein zu haben! Und um uns noch mehr zu beschweren, brechen wir alles in Stücke und möchten lieber von hinnen gehen, als dass wir länger hier auf Erden bleiben, wo wir  doch nichts ausrichten können und wir uns von allen zum Besten halten lassen müssen. – Und darum fing Jona an zu beten!