JONA-PREDIGTEN

3. Jona-Predigt - Jona 2.9

 

Jona 2.9

Die da halten über dem Nichtigen, verlassen ihre Gnade.

Möchtet ihr alle dieses verstehen und es zu Herzen nehmen. Der Unterschied zwischen wahrhaftigem Leben und Scheinleben wird am Ende doch offenbar. Was wahrhaftiges Leben hat, kann es in keiner Not, in keiner Sünde, in keiner Anfechtung und Verlegenheit aushalten. Es bleibt bestehen auf Gottes Verheißung von Leben und Segen. Es ringt so lang bis es solche Verheißung wieder hat. Es muss seiner Sündenvergebung gewiss sein, es muss Erlösung aus aller Not haben. Es kann alles nur von dem Herrn selbst erwarten. Es durstet wahrhaftig nach Heiligkeit. Es gibt es nicht verloren. Seien Teufel, Sünde, Not und Welt mächtiger wie die Seele, so dass sie von allen Seiten zu Boden gedrückt wird: Die Seele muss obgesiegt haben, eher gibt es keine Ruhe. Gottes Wort soll Gottes Wort bleiben, es soll erfüllt sein: Eher mögen Erde und Himmel untergehen, als dass die Gnade bei ihr nicht sollte die Herrschaft haben und die Errettung vollkommen sein. Die Seele kann von allem umlagert sein, aber Gottes Gesetz und Gebot kann sie nun und nimmer aufgeben. Der Tod kann mit seinem Schrecken, die Not mit ihrem Reißen, die Welt mit ihrem Drohen, die Sünde mit ihrem Toben, der Teufel mit seinem Hohngelächter alles versuchen – wer den Himmel einmal wahrhaftig gekannt und in das Wort seiner Gnade geschaut hat, kann über dem Nichtigen nicht halten. Wenn er auch eine Weile mitgemacht haben mag, dass Nichtige ekelt bald den an, welcher wahrhaftiges Leben hat, und er muss über dem Bund der ewigen Gnade und Treue Gottes halten, wenn er auch eine Weile zur Eitelkeit mit verlockt wurde. Denn die Liebe Christi hat ihm das Herz gestohlen und die Furcht des Herrn sich seiner bemächtigt auf ewig.

Was der Prophet hier ausspricht, ist das Ergebnis eines ganzen Lebens, in welchem man sich abgeplagt hat, das Heil allerwärts zu suchen wo es nicht ist. Und wem es zu verstehen gegeben wird, der ist froh, dass er nicht mehr über dem Nichtigen zu halten hat. Der Prophet konnte es aus der Erfahrung bezeugen, weil er teils selbst über dem Nichtigen gehalten und dabei seine Gnade verlassen, teils mit Solchen Umgang gepflogen hatte, die über dem Nichtigen hielten, und dabei ihre Gnade verließen. Nichtig ist alles, was das Wort des Herrn, das Wort von Segen und Leben nicht für sich hat, und was man dennoch betrachtet, als stecke der Segen und das Leben darinnen. Die hebräischen Worte, welche Luther hier durch das Nichtige übersetzt hat, bedeuten Dünste einer Bewegung, welche in Gang bringt, ohne dass es zu etwas dient. Dass nun ein Mensch über solchen Dünsten halten kann und darin sein Leben, Segen und Seligkeit suchen, ja so darüber halten kann, dass er nur durch allmächtige Gnade, nur durch tiefe Wege allerlei Trübsal davon abzubringen ist, bestätigt die tägliche Erfahrung. Und dass man um solcher Dünste willen gegen besseres Wissen und Gewissen die rechte Hand, wie sie einen auch ärgert, und den rechten Fuß, nicht abhaut, auch das rechte Auge nicht von sich wirft, dass man lieber auf solchen Dünsten bestehen bleibt, als dass man sich selbst verleugnen und täglich sein Kreuz auf sich nehmen sollte, wird leider zu viel gesehen. Dünste sind die Werke der Eigengerechtigkeit, die Werke eigener Wahl, der Segen und das Leben, welches man in eigener Hand hält. Dünste sind alle frommen Bestrebungen, sich selbst zu Gott emporzuschwingen, durch sich selbst und durch seine Übungen sich selbst wieder zu Gott zu bringen. Und jede Bewegung, bei der man sich durch diese Dünste treiben lässt, führt und bringt zu nichts, und es ist jede Bewegung zu und für solche Dünste eine solche, die nichts fruchtet. Dünste sind auch Vater und Mutter, Weib und Kind, Ehre, Geld und Gut, und jede Erwartung von der Welt und von dem Sichtbaren, wenn man um derentwillen sich bewegen, sich abtreiben und sich zurückhalten lässt von dem, in welchem man doch allein das Heil anerkennt. Dennoch lassen sich viele für solche Dünste in Bewegung setzen, tun alles solchen Dünsten zu Gefallen, und meinen dabei immer noch das vollste Recht auf die Gnade zu haben, glauben auch, dass sie sich bei alledem über dem Evangelium halten. Dies ist aber nicht wahr. Sie verlassen ihre Gnade, sagt der Prophet. Ob er nun damit zu verstehen gibt, dass sie um solcher Dünste willen die Gnade und Güte drangeben, welche ihnen von Gottes wegen zu Teil wurde, und Gott den Herrn selbst, bei welchem sie allein Gnade finden können, und der ihnen auch viele Wohltaten und Vorzüge gegeben, oder ob er es so versteht, dass sie um solcher Dünste willen ihre eigene Frömmigkeit umstoßen, ihr eigenes Vorhaben und Vorsatz, dem Herrn allein zu dienen, zu gehorchen und zu glauben, will ich nicht bestimmen. Das aber weiß ich, dass alles, was über dem Nichtigen hält, immerdar Gott dienen und seinen Nächsten lieben will, aber immerdar das Werk zur Hälfte stecken lässt! Denn ein solcher lässt sich zwar manchmal wie in schnellem Schuss und Lauf antreiben zu allem was Gott und Christo gefallen soll, er will sich von der Welt und dem Schein losreißen und bringt darin auch Wunderdinge fertig, aber die Dünste treten wieder dazwischen und nur zu bald hat man von der Gnade sich wegzaubern lassen. Mit Worten hangen so viele an dem Herrn Jesu, an dem Evangelium, aber mit dem Herzen und mit den Werken halten sie trotz aller innerlichen Bestrafung über solchen Dingen und lassen auch von solchen Dingen sich treiben und bewegen, die gar kein Wesen in sich haben.

Ich wünsche, dass mehrere von euch sich prüfen und es zu Herzen nehmen, was der Prophet hier ausspricht. Macht mancher hier bereits die herbsten Erfahrungen davon, wie nichtig all das Nichtige ist, dem zu Gefallen er Gott, Gnade, Leben und Seligkeit drangibt, und meint er dabei gleichwohl, es werde dazu Gott ein Auge zudrücken, dass er dem Nichtigen nachjagt, wie schrecklich muss dann das Erwachen in der Ewigkeit sein! Ihr Wurm stirbt nicht und ihr Feuer wird nicht ausgelöscht, spricht der Herr. O wie schrecklich, wenn dieser Wurm ewig am Herzen nagen muss: Ich habe über dem Nichtigen gehalten und dafür meine Gnade verlassen! Wie schrecklich, mit dem reichen Manne hoch über sich das Loblied Gott und dem Lamm dargebracht, das Loblied aller die aus großen Trübsalen gekommen sind, zu vernehmen, und dann sich selbst vorrücken zu müssen, eine solche Herrlichkeit gab ich dran für den Dienst dessen was Dunst ist. Denn dass es Dünste sind, alles was ein Menschenkind in diesem Sichtbaren sucht und wovon es sich bewegen lässt, ich beschwöre euch, es zu Herzen zu nehmen, das wird einem dann erst recht offenbar, wenn er sich in der Hölle befindet und muss die Herrlichkeit Gottes hoch über sich fühlen, hoch über sich die Seligkeit aller Erlösten, und zwischen ihm und solcher Herrlichkeit und Seligkeit ist eine ewige Kluft befestigt.

Wohl dem, der sich warnen lässt von dem, zu welchem Gott gesprochen: Menschenkind, ich habe dich zum Wächter über das Haus Israel gesetzt, du sollst sie von meinetwegen warnen. Er wird sich freuen, dass ihm solcher Dienst der Dünste in seiner Eitelkeit aufgedeckt wurde, und sich doppelt darüber freuen, dass ihm die Erlösung und die Freiheit von solchem Dienst aus Gottes Mund gepredigt wird.