JONA-PREDIGTEN

1. Jona-Predigt - II.

 

II. Statt Gottes Willen zu tun, entfernen wir uns vielmehr so weit von Gott, als unsere Füße uns nur tragen können; wir bezahlen lieber Fährgeld und machen uns auf’s weite Meer.

So tat Jona, er machte sich auf – nicht um Gottes Willen zu tun, sondern er floh vor dem Herrn und wollte auf’s Meer! Obschon er in seiner Jugend  wohl in der Schule gelernt haben mag, was David in Psalm 139 ausspricht: Wo soll ich hingehen vor deinem Geist? Und wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesicht? Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch deine Hand daselbst führen, und deine Rechte mich halten. Erst macht er zwei, drei Tagesreisen, um in die Hafenstadt Joppe zu kommen, wo er meinte, am sichersten ein Schiff finden zu können. Und als er ein Schiff gefunden hat, das nach fernen Küsten wollte, machte er sich sofort an Bord. Wohin er wolle, das wusste er zwar so genau nicht zu sagen; er wollte aber nach dem fernsten Lande, wohin dazumal die Schiffe nur jemand tragen konnten – wie wenn etwa heute jemand nach Amerika oder Indien wollte. Er möchte von Ninive so ferne sein, wie von dem Aufgang der Sonne ihr Niedergang ist. Als aber die Schiffsleute ihn genauer fragen mochten, welche Stadt und Gegend sein Ziel sei, was ihn dorthin treibe oder was er da suche, da wusste er nichts zu sagen. Auf’s Meer, in das jenseitige Land der fernen Küsten will ich, das kann er allein antworten und muss sich darüber zum Besten halten lassen, und lässt es sich gefallen ein Reisegeld zu bezahlen, im Verhältnis zu dem ganzen Wege, welchen das Schiff auf dem Meere zurücklegen mochte. Und weil er nicht weiß, was er sagen soll, predigt er’s den Schiffsleuten vor, dass der Mensch nie Gottes Willen tun kann oder will, sondern stets davon das Umgekehrte will, und führt sich endlich selbst zum Beweise an, weil sie ihm wohl nicht haben glauben mögen. Denn der natürliche Mensch glaubt von sich, wenn er nur erst den rechten Willen Gottes wüsste, so würde er denselben auf der Stelle tun, mit Drangebung seiner selbst und aller seiner Habe.

Ein sonderbarer Prophet dieser Jona! Da sitzt er zwischen den Ruderbänken, predigt den Schiffsleuten von menschlicher Ohnmacht zum Guten und meint doch so mächtig zu sein, dass er sich Gottes Willen wird entziehen können. Er hat dazu vielleicht seine ganze Barschaft dem Schiffskapitän gegeben. Aber die Hand in den eigenen Busen! Das ist es was ich sage: Gehet in das große Ninive des Herzens und prediget: Deine Bosheit ist hinaufgekommen vor den Herrn. Ein jeder sehe, ob er dieses fertig bringt! Jona musste predigen: Ninive, du bist verdammt vor Gott. Und dann musste er es Gott überlassen, was aus Ninive werden möchte. Er wollte aber lieber den Buchstaben seiner Predigt, als die Wirkung der Predigt: Die Offenbarung des Erbarmens Gottes! So ziehen wir auch den Buchstaben vor und haben nicht Acht auf den Geist der Gnade! Gottes Gnade ist ja doch für mich da, denkt man; aber die Anwendung auf mich selbst zu machen, dass ich mir selbst es predige: Du bist verloren mit allem deinem Werk! – da wollen wir nicht dran! Wir wollen Gott nicht gerecht sein lassen, nicht von uns selbst glauben, dass wir Lügner und Gottlose sind. Wir wollen nicht mit dem Worte auf uns selbst losgehen, dass uns unsere Ungerechtigkeit aufgedeckt werde, auf dass wahrlich durch das Wort die Gnade komme, und Gnade Gnade bleibe! Da gehen wir auch lieber so weit als unsere Füße uns tragen können, auf dass nicht die Gnade durch das Wort herrsche, und wir uns dem Worte unterwerfen, dasselbe allein hochachten und nicht unsere Gedanken! Da machen wir uns auch auf’s weite Meer und fliehen vor dem Herrn, wie Adam, da der Herr rief: Adam, wo bist du? Lieber auf’s weite Meer des Zweifelns, des Zagens, des Unglaubens; lieber auf’s Meer der Welt, uns zu entziehen dem gnädigen Willen Gottes. Ja, wir bezahlen Fährgeld, setzen alles was wir haben dran, nur um den eigenen Willen und unser eigenes Reich zu behaupten. Wir helfen den Schiffsleuten rudern, als müssten wir davon leben. Wir predigen andern von Gottes Willen und Gnade – ganz richtig – aber aus einem bösen Gewissen! Denn wir glauben, und tun nicht darnach!