3. Predigt über Melchisedek

Die dritte Predigt über Melchisedek,
in welcher der Gebrauch und das Recht des Zehnten und auch des Eides behandelt wird

 

1. Mose 14. 20 - 24

Und demselben (Melchisedek) gab Abram den Zehnten von allem. Da sprach der König von Sodom zu Abram: Gib mir die Leute; die Güter behalte dir. Aber Abram sprach zu dem König von Sodom: Ich hebe meine Hände auf zu dem Herrn, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, dass ich von allem, was dein ist, nicht einen Faden noch einen Schuhriemen nehmen will, dass du nicht sagest, du habest Abram reich gemacht; ausgenommen, was die Jünglinge verzehrt haben; und die Männer Aner, Eskol und Mamre, die mit mir gezogen sind, die lass ihr Teil nehmen.

 

 

TEIL I

Es wurden gestern ausführlich dargelegt, dass Melchisedek, von dem hier die Rede ist, Gleichnis und Bild unseres Herrn Jesu Christi gewesen ist, sofern er höher gestellt war als Abram, der Vater der Kirche, und dass es deswegen im Psalm heißt, der kommende Erlöser werde nicht nur König, sondern auch Priester nach der Ordnung Melchisedeks sein. Wir haben auch gezeigt, warum all das erzählt wird, wozu es uns dient und welchen Nutzen wir davon haben. Endlich ist auch der Segen erklärt worden. Abram ist Kraft des Amtes und Standes Melchisedeks gesegnet worden, damit deutlich werde, dass alle unsere Gebete vor Gott unrein wären und nichts erlangen könnten, wenn nicht Jesus Christus für uns einträte, wie ihm denn auch dieses Amt in der Heiligen Schrift zugeschrieben wird.

Jetzt wird nun gesagt, Abram habe Melchisedek den Zehnten von allem gegeben. Das zeigt noch einmal, dass Melchisedek eine priesterliche Würde besaß. So hat es auch der Apostel nicht vergessen (Hebräer 7.1, 4ff). Wir können nicht sicher feststellen, ob das Wort von der Beute oder gar von dem Besitz Abrams zu verstehen ist. Denn da er nichts zu seinem Vorteil bekommen hat, so scheint es kaum glaublich, dass er Melchisedek das angeboten hat, was er nicht für sein Eigentum hält. Aber es war etwas völlig Verschiedenes und es war zweierlei, Gott zu danken oder das Gut für sich zu verwenden, um sich damit zu bereichern. Wie dem auch sein mag, es genügt, uns an das Sichere zu halten, dass nämlich Abram zum Ausdruck brachte, er anerkenne Melchisedek als einen Priester Gottes. Denn wenn er den Götzen gedient hätte, oder auch wenn er sich selbst eine Würde angemaßt hätte, die ihm nicht zukam, so hätte Abram übel getan, ihm den Zehnten darzubringen, denn wir wissen, den Götzen opfern heißt ihnen huldigen und Gott verleugnen. So muss dieses Angebot Abrams Zeugnis und Anerkennung für die Priesterschaft Melchisedeks gewesen sein. Deshalb sagt auch der Apostel in Hebräer 7.9-10, wo er das alte, unter dem Gesetz dargebrachte Opfer mit dem unseres Herrn Jesu Christi vergleicht, Levi sei gezehntet worden, der damals noch in den Lenden Abrams war, weil er von seinem Stamme war, d.h. er sei diesem Recht unterworfen worden. Zwar könnte man dasselbe von Juda sagen, von dem unser Herr Jesus Christus abstammt. Aber die Lösung dieser Schwierigkeit ist sehr leicht. Melchisedek kann nämlich nicht von unserem Herrn Jesus Christus getrennt werden, weil er Ihn darstellt und weil seine ganze Bedeutung darauf beruht, dass er das Bild Jesu Christi ist. Der Apostel zeigt also mit gutem Grund, dass der, der nach dem Gesetz das Recht auf den Zehnten hat, trotzdem dem Melchisedek untergeordnet worden ist. So muss daraus folgen, dass unser Herr Jesus Christus viel höher steht als Aaron und alle seine Nachfolger, obgleich sie damals gleichsam von den gewöhnlichen Menschen abgesondert wurden. Wenn der Priester die heiligen Kleider anzog (vgl. 3. Mose 16.32), so sollte damit gezeigt werden, dass er gleichsam ein Engel Gottes sei. Er durfte seiner Majestät nahe kommen, da er der Mittler war, um die Ungerechtigkeiten und Übertretungen des Volkes auszulöschen. Obgleich also das alles der Fall war, so zeigt der Apostel nichtsdestoweniger, dass unser Herr Jesus Christus ihn an Würde weit übertroffen hat, und dass Er über alle Abbilder des Gesetzes erhoben werden muss, ja, dass Er deren Wirklichkeit und Inhalt ist. Wenn man alle die Schatten nähme, die einige Zeit lang in Gebrauch gewesen sind, so wäre doch alles nutzlos, wenn man dadurch nicht zum wahren Beschützer kommen könnte. Achten wir also wohl darauf: Als Abram Melchisedek den Zehnten von allem angeboten hat, geschah das, um damit zu zeigen: Obgleich Gott zwar später in Seinem Volk ein Priestertum aufrichten musste, wurde dadurch die Priesterschaft unseres Herrn Jesu Christi nicht herabgesetzt, die bereits in der Person Melchisedeks abgebildet und schon damals aufgerichtet war.

Was überdies das Opfer des Zehnten für die Priester betrifft, so sehen wir, dass schon Abram es dargebracht hat, ehe es ein geschriebenes Gesetz gab, und es ist kein Zweifel, dass der Geist Gottes ihn dazu geführt und ihm den Anlass dazu gegeben hat. Denn Mose erzählt hier nicht etwas willkürlich und aufs Geratewohl Unternommenes, sondern er erklärt, wie Gott das Amt Melchisedeks bestätigt hat, da es Ihm gefallen hat, ihn zu Seinem Priester zu machen, und wie Abram ihn als solchen anerkannt hat. Aber wir können daraus nicht entnehmen, dass es damals ein allgemeines Gesetz darüber gegeben hat, und dass die Gläubigen sich damals schon verpflichtet hatten, den Zehnten zu bezahlen, ehe Gott es in Seinem Gesetz angeordnet hat. Er hat das nicht bloß dazu getan, damit man Ihm mit den Gütern der Erde Seine Verehrung bezeige und bekenne, dass sie bloß aus Seiner Güte stammen. Es geschah nicht bloß dazu, dass die Diener des Altars, d. h. die, die im Tempel dienten, ihre Nahrung hätten, sondern es geschah, weil sie aus dem Geschlecht Abrams waren. So gehörte ihnen ein Teil des Landes, und sie sollten in den Besitz desselben kommen, wie es Abram gesagt worden war: Dein Same soll das Land besitzen. Levi sollte ein Führer im Hause Abrams sein, und wird davon ausgeschlossen (Josua 13.33), und das Haus Josef erhält dafür zwei Häupter, nämlich Ephraim und Manasse. So wird Levi seines Erbteils beraubt, das ihm doch von Gott schon zugewiesen worden war. Deshalb werden seine Nachkommen aus dem Zehnten bezahlt.

 


 

TEIL II

Nun hat Gott das aus zwei Gründen so gefügt. Erstens, damit sie weder von dem Dienst abgelenkt würden, der ihnen übertragen war, noch auch von der Lehre. Denn Gott hat die Priester unter dem Gesetz nicht dazu erwählt, bloß Zeremonien zu vollziehen, sondern sie hatten noch den Auftrag, von dem im Propheten Maleachi die Rede ist (Maleachi 7.2). Er setzte sie als Seine Gesandten ein; an sie sollte man sich wenden, um eine wahre Erkenntnis und eine reine Lehre über das Gesetz zu erhalten. Damit also die Priester dem Tempeldienst obliegen und das Volk lehren könnten, war ihnen der Zehnte zugewiesen. Aus demselben Grund waren sie auch über das ganze Land zerstreut. Sie hatten keinen eigenen Bezirk. Sie konnten nicht sagen, sie müssten in einer bestimmten Gegend wohnen wie die andern, sondern sie waren hier und dort verstreut, so dass es keinen Fleck des Landes gab, wo Gott nicht Seine Boten und Sachwalter hatte, um das Volk im Zügel zu halten. Das ist, sage ich, der Grund, warum Gott gewollt hat, dass sie den Zehnten empfingen und sich nicht mit dem Ackerbau beschäftigten. Es gibt noch einen zweiten Grund: Wenn sie das Land besessen hätten, so wäre Gott nicht mehr als Herr und Meister anerkannt worden, wie es der Fall war, solange die levitischen Priester gleichsam Seine Steuerbeamten waren, solange Er sie in Seinem Namen schickte, um den Zins und den Tribut einzufordern, die Ihm von dem Land zukamen. Obgleich die Kinder Israel auch empfingen, was ihnen als Nachfolgern und Erben ihres Vaters Abram zukam, so war ihnen doch Gott gleichsam dazu erschienen, um zu zeigen, dass das Land Ihm gehörte. Er hatte es sich als Sein Eigentum vorbehalten, und sie besaßen es nur unter der Bedingung, dass sie ihr Gut von Ihm annahmen und das so durch die Tat zeigten. Dazu teilte man auch den Armen von diesem Zehnten mit. Es heißt ja nicht, die Priester müssten alles verbrauchen, sondern sie sollen sich selbst zehnten (4. Mose 18.26ff). Damit zeigten sie, dass sie nicht von Brot verpflichtet sind, das sie essen, und dass alles bloß aus Seiner Güte hervorgeht. So war der Zehnte nach dem Gesetz eine Besonderheit Israels.

Nun ist freilich der Zehnte bei den Heiden selbst für Könige, Fürsten und Herren ziemlich allgemein gewesen. Wir sehen aus der profanen Geschichte, dass man ihn gefordert hat, ja sogar, dass man in manchen Ländern entsprechend der dort herrschenden Fruchtbarkeit noch mehr gefordert hat. Denn manches Land ist so fruchtbar und trägt so viel, dass die, die das Land bebauen, mit der Bezahlung eines Achtels nicht so belastet sind, wie die anderen durch ein Zehntel. Wie dem auch sein mag, das Wort ‚der Zehnte‘ ist sehr verbreitet gewesen und allen Völkern gemeinsam, und die Fürsten und Herren haben, wie ich gesagt habe, seit der Annahme des Evangeliums einen Teil des Zehnten dazu verwendet, die Diener am Wort zu ernähren, wie das auch ganz recht ist. So sagt Paulus (1. Korinther 9.13ff), wenn die Diener des Altars im Alten Testament ernährt worden seien, so sollen die ebenso gut unterhalten werden, die heute Gott auf eine bessere Art opfern, d.h. die Ihm die Seelen werben, um sie Ihm zum Opfer darbringen. Obgleich nun Gott nichts Besonderes darüber bestimmt hat, wie oder aus welchen Einkünften man sie ernähren soll, so ist das doch durch das Gesetz bestimmt. Seit also Gott durch die Predigt des Evangeliums erkannt worden ist, hat man einen Teil des Zehnten dazu verwendet. Daran sehen wir auch die Falschheit des Papstes und all der Seinen. Denn wenn sie in ihren Canones vom Recht des Zehnten handeln, so fassen sie es so auf, als ob es auf sie übertragen worden wäre, nachdem Jesus Christus dem Priestertum Levis ein Ende gesetzt hat. Das sind lauter Lügen und Fälschungen; sie fälschen damit die Heilige Schrift und verderben sie in gottloser Weise. Denn wir sehen im Gegenteil, dass man lange davon abgekommen war und vergessen hatte, was es heißt, den Zehnten auf Grund des Gesetzes Moses zu zahlen. Man bezahlte ihn vielmehr immer entweder dem Kaiser oder irgendwelchen besonderen Herren. Aber da jetzt die Sache so geordnet ist, so halte man sich an die von Paulus aufgestellte Regel: Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, der da drischt, vorausgesetzt, dass kein Missbrauch dabei ist, und dass man nicht gegen alle Wahrheit den Glauben erweckt, dass sei aus der Heiligen Schrift abgeleitet; man halte es vielmehr als eine weltliche Ordnung! Nach noch stärkerem Recht ist es unbillig, wenn man die ihres Essens und Trinkens beraubt, die die Lehre vom Heil verkündigen, denen ein so wichtiger Beruf aufgetragen ist, sondern man soll sie wie billig bezahlen. Wenn nun der Zehnte und dergleichen recht angewandt werden, so ist es nicht nötig, im Einzelnen danach zu fragen, wofür er verwendet wird. Es gibt solche Phantasten, die die ganze Welt umkehren möchten. Sie sagen: ‚Oh, jetzt ist nicht die Zeit, den Zehnten zu bezahlen. Da man die Sache missbraucht hat, so ist es nicht mehr nötig, dass es dabei bleibt.‘ Man müsste also nach ihrem Reden alles umstürzen, denn ihnen scheint das Christentum darin zu bestehen, dass man der Sonne und dem Mond andere Farben gibt! Aber wie ich gesagt habe, wenn es etwas zu besser gibt, wenn eine falsche, von den Papisten eingeführte Auffassung vorhanden ist, so soll damit aufgeräumt werden. Unterdessen halte man sich an das, was wohl angeordnet ist: Der Zehnte und dergleichen Dinge dienen dazu, die Armen zu ernähren und die Diener der Kirche zu unterhalten; diese Güter sind ihrem rechtmäßigen Gebrauch zurückgegeben worden; es ist keine Rede davon, dass unersättliche Verschwender alles verschlemmen; man vertut sie nicht mit überflüssigen Dingen, mit Pomp, mit Trinkereien und anderen Ausschweifungen, sondern man weiß, dass das heiliges Gut ist, das dem Gebrauch der Kirche vorbehalten bleiben muss, um einerseits die Diener Gottes und Seines Volkes zu unterhalten. Das musste im Vorbeigehen berührt werden, sofern es sich um das Recht des Zehnten handelt. Gehen wir nun zum Folgenden über.

 


 

TEIL III

Mose kehrt zum König von Sodom zurück, von dem er früher gesprochen hat. Er hat jedoch seine Erzählung unterbrochen, um von Melchisedek zu reden. Er fügt nun hinzu, der König von Sodom habe sich bloß die Leute vorbehalten und die ganze Beute Abram überlassen wollen, als ob er sagen wollte, er verlange nichts von all dem, was ihm von den Feinden genommen worden war, und er erkenne wohl, dass Abram es durch seinen Sieg für sich erworben habe. Er erbittet bloß die Leute und seinen Wohnort zurück. Wir wissen nicht, ob er das nur zum Schein getan hat, weil er sah, dass schon alles in der Hand und in der Macht Abrams war, oder ob er in Wahrheit anerkannt hat, dass alles ihm gebührte, und dass es immer noch viel war, dass er und seine Leute aus der Hand seiner Feinde gerettet worden waren. Wie dem auch sein mag, es wird gesagt, Abram weise dieses Angebot zurück und erkläre, er werde nicht einmal einen Faden oder einen Schuhriemen davon nehmen, d.h. noch nicht einmal etwas Nagel-großes, wie wir in unserer Sprache sagen. ‚Bloß‘, sagt er, ‚was von der Schar gegessen worden ist‘; denn sie hatten ihre Hilfe auch nicht dazu geleistet, um danach ihre Zeche zu bezahlen; und das war auch das mindeste, dass sie dafür unterhalten wurden, dass sie ihr Leben eingesetzt hatten, um die von Sodom zu befreien. ‘Nun ja, was das betrifft, was die verzehrt haben‘, sage ich, ‚mag es dabei bleiben; und dann habe ich meinen Gefährten Aner, Eskol und Mamre; die müssen ihren Teil der Beute bekommen, denn ich will ihrem Vorteil nicht im Wege stehen, und es kommt mir auch nicht zu, ihnen ein Gesetz oder einen Zwang aufzuerlegen. Ich bin großzügig; ich darf sie deswegen nicht zu einer gleichen Maßnahme zwingen. Sie mögen also ihren Anteil nehmen, ich aber nicht‘.

Um sein Wort nun noch mehr zu bekräftigen, sagt er, er habe die Hand zum höchsten Gott aufgehoben, dem Himmel und Erde gehören. Er sagt damit gleichsam, er habe geschworen und werde so handeln; deswegen sei es ihm nicht mehr erlaubt, zurückzugehen. Der andere soll keine Worte mehr verlieren. Wir sehen hier, wie Abram allen Anstoß vermeiden wollte, irgendwelchen Nutzen aus dem zu ziehen, was sein war. Denn nach dem Recht des Kriegers hätte er nach allgemeinem Urteil behalten können, was er erobert hatte. Aber um zu zeigen, dass nicht der Geiz ihn geleitet hat, dass er von Gewinnsucht frei war, als er zu den Waffen griff, sagt er, er werde auch nicht einen einzigen Faden behalten. Selbst bei dem Wort: Damit du nicht sagest, du habest Abram reich gemacht, war er gewiss nicht von Ehrgeiz geleitet. So mag es oft großherzige Regungen bei denen geben, die das Gut des andern an sich zu ziehen bestrebt sind; aber sie fürchten die Schande der Welt und die Vorwürfe; sie wollen überdies ihre Festigkeit beweisen. Abram ist nicht so verfahren, aber das ist, wie ich schon gesagt habe, geschehen, damit der Name Gottes nicht seinetwegen gelästert werde. Denn man hätte sagen können: ‚Was? Dieser Mann hat bisher eine große Einfachheit bewiesen. Man sieht, dass er einen anderen Gott anbetet, dass er von einer erstaunlichen Frömmigkeit ist. Er sagt, er habe sein Land verlassen, da Gott ihn berufen habe, und inzwischen führt er Krieg, er behält die Beute, und man sieht nun, dass er nur ein Räuber ist.‘ So wäre unter dem Namen Abrams der Name Gottes vielen Verleumdungen ausgesetzt worden. Deswegen hält er sich auch zurück.

Nun ist das für uns geschrieben. In erste Linie ist die Regel zu beobachten, dass es nicht genug damit ist, wenn wir vor Gott ein reines Gewissen haben, sondern dass wir auch dafür sorgen müssen, dass wir, wie das Beispiel des Paulus (Apostelgeschichte. 24.16; 1. Korinther 8.13) zeigt, einen guten Ruf und Achtung bei unseren Nächten genießen. Warum das? Damit sie uns dann nicht verdammen, wenn sie glauben können, wir hätten etwas Schlechtes getan. Wir sollen sie vielmehr zum Guten reizen. Zwar werden wir dem Beißen und dem Bellen vieler Hunde nicht entgehen können; auch wenn wir ohne Flecken und Makel sind, so werden sie doch nicht aufhören, uns herabzusetzen und zu verleumden, denn der Sohn Gottes ist auch dadurch hindurch gegangen, alle Propheten und Apostel sind auf Grund falscher Verleumdungen verklagt worden. Also müssen wir dazu bereit sein, Gutes zu tun und Schlechtes zu hören, wie Paulus an einer Stelle sagt (Römer 12.14; 1. Korinther 4.12), viele Sticheleien, falsche Anklagen und Beleidigungen einzustecken. Wir müssen hier hindurch. Aber so viel an uns liegt, dürfen wir denen doch keine Gelegenheit geben, die sie suchen, und müssen ihnen also Abram nachfolgen, dass wir wohl daran denken, wie wir von allen Seiten beobachtet werden. Und selbst wenn das nicht der Fall wäre, so sind wir es doch unseren Nächsten schuldig, dass wir den Schwachen kein Ärgernis geben. Diese könnten sich an uns ein schlechtes Beispiel nehmen, und es wird immer böse Menschen geben; die bloß danach verlangen, irgendeine Anklage, irgendwelchen Streit und irgendwelche Verleumdung aufzubringen. Aber wie ich gesagt habe, wir wissen auch ohne das Bescheid, denn Gott will, dass wir gleichsam auf einem Gerüst stehen, dass wir, wie Paulus im Philipper 2.5 -11 (und auch 2. Korinther 4.10) sagt, Seinen Namen und Sein Zeichen tragen, und dass wir andererseits den Bösen ein Licht seien. Wie verderbt und verkehrt sie auch sein mögen, so sollen wir ihnen doch den guten Weg zeigen, damit sie dadurch verwirrt werden und nichts finden, was sie uns nachsagen könnten. Und dadurch soll ihnen noch alle Entschuldigung genommen werden, wenn sie sehen, dass wir Gott in Rechtschaffenheit dienen, während sie Betrügereien, Unredlichkeiten und dergleichen nachgehen. Auf diese Weise haben wir diese Lehre anzuwenden.

 


 

TEIL IV

Was nun die Tat Abrams betrifft, so sehen wir hier sein gutes Gewissen. Denn wenn ein Krieg ausgebrochen ist, so scheint alles erlaubt zu sein. So sagt sogar ein altes Sprichwort: ‘Im Krieg hören die Gesetze auf‘. Trotzdem besteht auch dann eine gewisse Ordnung, die ja noch nötiger ist als in Friedenszeiten. Es muss eine gewisse Herrschaft geben, damit ein Führer Gehorsam erhält, damit die Soldaten sich zu ihrer Fahnen halten, damit man sich nicht leichtsinnig der Gefahr aussetzt, damit man sich vor dem Feind in Acht nimmt. Diese Dinge also, die sich auf das Waffenwerk beziehen, mögen Regeln, Gesetze und Vorschriften haben. Dabei ist es aber unvermeidlich, dass viel Schreckliches geschieht, wenn ein Krieg ausgebrochen ist. Deshalb müssen auch alle, die die Absicht haben, zu Felde zu ziehen, dabei Schrecken empfinden, so oft sie daran denken, welche Folgen das mit sich bringt. Denn es müssen in einem solchen Durcheinander notwendig viele Unschuldige erschlagen werden, es müssen Häuser geplündert werden, es müssen viele zu Waisen und Witwen werden; ihr Gut wird auch solchen geraubt, die nichts dafür können; man nimmt es ihnen, wenn es die Notwendigkeit gebietet. Besonders dann, wenn man Mangel an Kriegsbedarf hat. Und wenn der Bauch daran zu denken zwingt, dass möglicherweise Hunger und Mangel einkehren, so wird man überall das Nötige holen. So bringt der Krieg immer Verwirrung mit sich. Und die, die in den Krieg gehen, mögen überdies zwar sehr rechtmäßige Gründe dazu haben und sogar gleichsam dazu gezwungen sind. Es steht doch fest, dass sie sich dabei immer wieder vieles erlauben und sich sehr gehen lassen. Denn sie werden sagen: ‚Wenn mein Feind mich besiegt hätte, was hätte er getan? Hätte er mich oder die Meinen geschont? Wenn er gesiegt hätte, so hätte er sicher alles geplündert, alles wäre zerstört worden! Und deshalb: Warum soll ich mich nicht ebenso verhalten?‘ So lassen die Kriegführenden sich gehen und gestatten sich eine solche Zügellosigkeit, dass sie Plündern und Rauben für nichts Schlechtes halten! Aber wir sehen doch, wie Abram sich betragen hat!

Zwar haben die Kinder Israel, als sie ins Land Kanaan einzogen, alles verwüstet. Warum? Es war ihnen von Gott befohlen (4. Mose 21. 2. &. 5; 5. Mose 13.16; 1. Samuel 15.3). Sie konnten nicht anders handeln. Sie sind sogar mit großer Strenge bestraft worden, als sie die Einwohner des Landes geschont haben. Gott hatte ihnen auch gedroht (4. Mose 33.55), wenn sie einige übrig ließen, so würden diese sie wie Dornen in die Seite stechen, ja ihnen die Augen auskratzen. Aber hier liegt ein besonderer Grund vor. Denn Abram war nicht von Gott bewaffnet worden, um die Stadt Sodom und ihre Nachbarstädte von ihren Einwohnern zu säubern oder über sie zu herrschen. Er hat bloß seinen Neffen Lot wieder befreit, obgleich Gott dadurch sich auch der Sodomiter erbarmt hat, weil Er die Ihnen bereitete Rache noch eine kurze Zeit aufschieben wollte. Abram kennt also den Grund, aus dem er zu den Waffen gegriffen hatte. Deshalb hält er sich auch zurück und sucht nicht scharfsinnig Ausflüchte wie die, die den Gewinn wollen, sondern erklärt, er wolle nichts davon haben. Trotzdem kann er doch nicht dafür sorgen, dass Aner, Eskol und Mamre nicht ihren Teil nehmen, denn sie standen nicht unter ihm oder unter seiner Herrschaft. Sie waren gleichsam aus Freundlichkeiten mitgekommen, da sie seine Freunde und Verbündete waren; sie haben ihn unterstützt, damit er seinen Neffen Lot zurückholen könne; er lässt ihnen also ihr Rech.

So sehen wir einerseits, von welcher Mäßigung Abram war. Und andererseits sehen wir: Obgleich er nicht einer Nadel Wert genommen hat, so hat er es doch nicht erreichen können, dass kein Verlust und kein Schaden entstand, und dass die, die in seiner Begleitung waren, nicht ihren Teil der Beute nahmen. Das soll noch deutlicher machen: wenn der, der Krieg führt, wie ein Engel im Paradies wäre, wenn er Gold und Silber verachtete und lieber stürbe, als auch bloß einen Heller unter dem Vorwand an sich nähme, er habe sein Leben eingesetzt, so bringt doch trotzdem der Krieg an sich immer viel Ungerechtigkeit oder selbst Ausschweifungen mit sich. Obgleich man sagen wird, das sei erlaubt, so steht doch fest, dass Schaden angerichtet werden muss, und dass notwendigerweise viele Leute um ihren Verlust weinen werden. Dem einen wird sein Haus verbrannt, der andere wird geplündert, man mag ihn bis aufs Bettstroh ausrauben, dem andern wird man Waren wegnehmen, so dass er nachher bitteren Mangel daran hat. Es muss also immer viel Tränen und viel Seufzen geben, wenn ein Krieg ausbricht. So muss man auch immer dazu ermahnt werden, sich gleichsam die Hände zu binden und sich wohl davor zu hüten, sich in solche Verwicklungen einzulassen, denen man nicht entrinnen kann, selbst wenn man sich wie die Engel beherrschen könnte. Die nun, die sich gerechterweise verteidigen und das tun müssen, sollen sich, mit einem Wort gesagt, doch wohl in Acht nehmen, und sich so betragen, dass sie unserem Vater Abram wenigstens nachfolgen. Wenn sich Übergriffe, Härten und Verwüstungen nicht vermeiden lassen, so sollen sie wenigstens daran festhalten, dass der Krieg nicht nach Willkür und der Beute wegen geführt wird, sondern als gerechte Verteidigung eines Landes, wenn es in böswilliger Gewalttat überfallen wird. Denn man wird sich gegen einen König und gegen einen Fürsten verteidigen, wenn sie Leute anzugreifen beabsichtigen, die Frieden halten und bloß in Ruhe leben wollen. Ebenso hüte man sich immer davor, sich selbst wichtig zu machen und nach der Habe des anderen zu begehren. Oder wenn man zu den Waffen greift, so achte man wohl auf das hier über Abram Berichtete, und jedermann richte sich danach. Denn der Heilige Geist hat ihn nicht bloß deswegen loben wollen, weil er ohne Geiz war und Gold und Silber verachtete, sondern er hat ihn uns wie einen Spiegel vorgehalten, damit wir daran ersehen, welcher Regel wir folgen müssen, um es ebenso zu machen. Wir könnten leichtfertige Entschuldigungen vorbringen, um uns zu decken, wenn wir nach allen Seiten hin geplündert und geraubt haben, aber all das wird uns nicht helfen, wenn wir uns nicht nach dem Beispiel unseres Vaters Abram richten. Das also haben wir uns über diese Stelle zu merken.

 


 

TEIL V

Nun begnügt sich Abram nicht damit, dem König von Sodom einfach zu antworten, sondern er schwört und sagt, er habe deswegen schon geschworen, damit man sich nicht mehr lange besinne und um allem Weiteren einen Riegel vorzuschieben. Man soll nicht mehr sagen: ‚Du sollst es doch tun: es ist besser so‘. Er sagt: ‚Ich habe meine Hand zum lebendigen Gott erhoben‘. Diese Redensart, ‚die Hand erheben‘, weißt nun darauf hin, dass die Menschen, grob und irdisch wie sie sind, es nötig haben, sich beim Schwören durch irgendein Zeichen klar zu machen, dass sie damit gleichsam Gott zum Zeugen und Richter anrufen. Zwar ist das schon an sich klar genug in dem Wort enthalten, wenn wir sagen: ‚Ich bekenne vor Gott‘, oder: ‘Gott sei mein Zeuge‘, oder: ‚Gott strafe mich‘! Wenn wir solche Redensarten gebrauchen, so müssen sich uns die Haare auf dem Kopf sträuben, wenn wir dabei lügen oder betrügen. Denn Gott wird sich nicht selbst verleugnen, um unseren Lügen zuzustimmen. Seine Majestät müsste dadurch zunichte werden, denn Seine Wahrheit ist Ihm ebenso wesentlich, wie sein unveränderliches Wesen. Die Worte enthalten also an sich schon genug. Aber ohne äußere Hilfsmittel, die uns nachdrücklich bewegen und uns zugleich vor der Majestät Gottes beim Schwören erzittern lassen, sind wir so schwerfällig, dass es deswegen zu allen Zeiten unter den Menschen üblich gewesen ist, dabei die Hand zu erheben, und Gott hat ihnen das eingegeben. Man hat also beim feierlichen Eid die Hand erhoben, wie wenn wir beten. Wenn wir die Hand erheben, so ist das ebenso, als riefen wir Gott dazu, es möge Ihm gefallen, zu unserer Hilfe vom Himmel herabzusteigen, nicht um damit Seinen Ort oder Seine Stätte zu verändern, sondern um Seine Kraft so auszubreiten, dass wir fühlen: Sie ist uns in der Not gegenwärtig! So zeigen wir also durch die Zeremonie und die äußere Haltung, dass das Gebet uns mit Gott vereinigt, dass es uns durch Glauben den Zutritt zum Himmel eröffnet, und dass Gott auch seinerseits zu uns herabsteigt, um sich uns nahe zu zeigen. Dasselbe bedeutet es, wenn wir beim Eid die Hand emporheben. Damit sagen wir gleichsam: ‚Ich rufe Gott zum Zeugen an und will hier vor Ihm stehen, während ich rede. Wenn ich lüge, dann ist das so, als ob ich damit Seine Majestät ausgelöscht und verletzt hätte.‘ Nun verstehen wir, was diese Redensart bedeutet.

Achten wir weiter wohl darauf, dass der Eid der Gläubigen zwei- oder dreimal gewogen werden muss, denn die, die ihn bei jeder Gelegenheit benützen und bei jeder Gelegenheit den Namen Gottes in den Mund nehmen, zeigen, dass sie Ihn verachten. Wenn wir aber dem Namen Gottes die gebührende Ehrfurcht erweisen, so ist es sicher, dass wir Ihn nicht so willkürlich gebrauchen werden, um damit gleichsam Ball zu spielen. Wenn die Schwüre bei manchen Leuten so schnell aufeinander erfolgen, so erkennt man daran auch ihren Mangel an Frömmigkeit, ihre Weltlichkeit und ihre Gottferne. Nun wird man sich zwar hüten, das zuzugeben. Denn wenn man auf den Märkten und Straßen hört, dass da ohne Ende und unaufhörlich geschworen wird, und das tadelt, so wird man zur Antwort erhalten: ‚O, ich, ich höre darum nicht auf, Gott zu fürchten‘. Ja, aber sie wollen Ihn doch zum Lügner machen, denn unsere Gottesfurcht muss sich dadurch beweisen, dass wir Seinen Namen bloß in Nüchternheit und bei solchen Anlässen gebrauchen, wo Er von uns nicht entheiligt wird. In der Tat, wenn wir recht bedenken, worum es sich beim Eid handelt, so ist es gewiss, dass wir, indem wir ihn missbrauchen und verachten, immer Gott gegen uns herausfordern. Denn die sterblichen Menschen schwören, wie der Apostel sagt (siehe Hebräer 6.13 & 16), bei einem Größeren als bei ihnen selbst, und Gott schwört bei sich selbst, da es keinen Größeren gibt als Ihn. In jedem Eid muss also der Name Gottes vorkommen. Es ist wohl wahr, wenn man sagt: ‚Bei Gott‘, so sagt man nicht mit ausdrücklichen Worten, Gott möge strafen und rächen. Man sagt das nicht, aber es genügt, dass sein Name hier als der des Richters angeführt wird. Was für eine Redensart man also brauchen mag, Gott ist kein Sophist, und wir werden auch nichts damit gewinnen, wenn wir vor Ihm Ausflüchte machen wollen. Es steht fest, dass die Verwirrung immer auf unser Haupt zurückfallen wird. Wenn man übrigens dann einen Eid recht erklären will, so wird dabei sicherlich Gott genannt und als Zeuge angerufen. Nun kann Er nicht Zeuge sein, ohne Richter zu sein. Dann stehen dabei immer auch die Worte des Fluches, wie man sagt, d.h. ein Mensch erbietet sich, die verdiente Strafe auf sich zu nehmen, wenn er den Namen Gottes missbraucht. Deshalb heißt es auch in der Schrift so oft: Gott tue mir dies und das, d.h. Er strafe mich an Leib und Seele. An anderen Stellen wird das nicht ausdrücklich gesagt, sondern da steht bloß ein ‚Wenn‘ und die Rede wird abgebrochen, wie z.B. an der Stelle: Ich habe meine Hand zum lebendigen Gott erhoben, wenn ich davon nehme! Und was heißt das? Wir sollen verstehen: ‚Gott sei Richter und strafe mich, wenn ich lüge und meine Absicht ändere‘. Diese kurze und abgebrochene Redeweise zeigt: Wenn wir schwören, so muss es sein, als ob wir durch einen Zügel zurückgehalten würden, damit wir nicht durch Lässigkeit und Gleichgültigkeit den Zorn Gottes erregen. Denn es ist sicher, dass die, die so oft und nach Belieben schwören, auch allemal Meineide schwören. Das lässt sich nicht voneinander trennen. So kann man einem Menschen, den man bei Tisch und auf der Gasse immer wieder schwören sieht, ohne Zögern sagen: ‚Mein Freund, du missbrauchst nicht nur den Namen Gottes, sondern du bist auch meineidig, wenn der Name Gottes in deinem Mund so entheiligt wird‘. Wir müssen also darauf achten, uns nüchtern zu erhalten, wenn es sich darum handelt, den Namen Gottes so zu gebrauchen.

Aber hier könnte man fragen, ob Abram wegen einer so kleinen Sache schwören durfte, denn es heißt: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht vergeblich führen. Hätte er sich nicht damit begnügen können, einfach zu sagen: ‚Nein, ich werde nichts dergleichen tun. Du sollst das, was dir geraubt worden ist, aus meiner Hand empfangen, denn ich will mich nicht an deinem Gut bereichern.‘ Das wäre scheinbar genug gewesen. Aber wir kennen die Heuchelei der Menschen. Denn man mag aus Rechtschaffenheit Wunderdinge anbieten, und dabei meint das Herz derer, die so sprechen, gerade das Gegenteil. Deshalb hält man sich auch durch ein solches Angebot nicht für verpflichtet. Das sind, wie man sagt, überschwängliche und überflüssige Reden, denn wenn es auch eine gewisse Höflichkeit so will, so brauchen sie doch in keiner Weise glaubwürdig und aufrichtig zu sein, da die Menschen eben dazu verpflichtet sind. Deshalb musste Abram schwören. Ferner musste er sich auch von jeder Versuchung freimachen und sich innerhalb der Grenze seiner Aufgabe halten. Obgleich es ihm nicht verboten war, sich am Gut des andern zu bereichern, musste er sich einer solchen Freiheit enthalten und durch den Eid darauf verzichten, den er eingeschaltet hatte. Wir sehen also, dass Abram nicht ohne Grund sagt, er habe geschworen. Er tut es, um dem König von Sodom den Widerspruch abzuschneiden, und auch, um sich selbst ein Gesetz aufzuerlegen, das ihn zwingt, sich von etwas fernzuhalten, was man möglicherweise zum Anstoß genommen hätte, weshalb dann Gott bei den Ungläubigen vielleicht geringer geachtet worden wäre.

 


 

TEIL VI

Im Übrigen haben wir noch darauf zu achten, dass er sagt, er habe die Hand zum allmächtigen Gott erhoben, der Himmel und Erde besitzt. Auch Melchisedek hatte bei dem Segen eine ähnliche Form gebraucht. Denn Abram hat sich nicht damit begnügt, den Namen Gottes aufzuführen, sondern hat auch zum Ausdruck bringen wollen, welchen Gott er anbetete. Wir wissen, dass die Welt damals schon voll Götzendienerei und Aberglauben war. Jeder führt wohl den Namen Gottes im Munde, wie die Ungläubigen sich heute noch oft rühmen, dass sie Gott anbeten. Die Türker, die Juden, die Papisten missbrauchen diesen heiligen Namen. Aber sie beflecken ihn bloß, da die Türken das anbeten, was sie in ihrem Verstand ersonnen haben und damit den lebendigen Gott lästern. Denn wer den Sohn nicht hat, hat auch den Vater nicht, wie es bei Johannes heißt (Johannes 5.32; 1. Joh. 2.23), und wenn der Sohn nicht geehrt wird, so rechnet der Vater sich das als Schimpf an, denn man kann Sein lebendiges Bild nicht verachten, ohne Seine Majestät damit zu beschimpfen. So beten denn die Türken unter dem Namen Gottes nur einen Teufel an. Wenn man bei den Papisten davon spricht, dass Jesus Christus unser Fürsprecher ist, so ist ihnen das unerträglich, und doch wagen sie die Heilige Schrift nicht ganz zu leugnen! Aber so viel steht fest, dass das für sie eine ketzerische und ärgerliche Stellung ist, da man damit sagt: Die Heiligen, Männer wie Frauen, treten nicht für uns ein. Wenn man von der Vergebung unserer Sünde aus Gnade spricht und sagt, man dürfe sich nicht mehr bei dem Götzendienst ihrer Messe amüsieren, einem mehr als höllischen Missbrauch, so werden sie so aufgebracht, als ob es nicht so schlimm wäre, den lebendigen Gott hundertmal zu lästern, als ein einziges Wort gegen diesen Abgott zu sagen. Wir sehen also nun, dass die Religion der Papisten nichts als Teufelei ist. Was die Juden betrifft: Sie haben unseren Herrn Jesus Christus verleugnet. Nun haben wir schon gezeigt, dass der Sohn nicht vom Vater getrennt werden kann. Wenn sie Ihn also verworfen haben, so haben sie sich damit die Türe verschlossen und den Grund des Bundes verlassen, den Gott mit ihnen geschlossen hatte, weil sie nämlich des Heils nicht teilhaftig werden sollten, das ihnen durch unseren Herrn Jesus Christus gebracht worden ist. Auf diese Weise missbraucht man den Namen Gottes überall. So ist es auch zur Zeit Abrams gewesen. Deshalb nennt er Ihn den Ewigen und danach den Allmächtigen. Er unterscheidet Ihn damit von den Götzen. Denn die Heiden haben wohl gewusst, dass es eine höchste Gottheit gibt, aber sie wollten immer noch ein Gehege von kleinen Göttern für sich. Abram scheidet sich davon und sagt, nur der Ewige sei der Herr.

Darauf fügt er hinzu: Der Himmel und Erde besitzt. Er zeigt damit, dass Gott nicht im Himmel ist, wie die Phantasten sich Ihn vorstellen, um zu sagen, Er sitze dort und sehe auf das herab, was auf der Welt geschehe; es sei Ihm genug, einmal die Dinge geschaffen zu haben, und Er lasse uns jetzt hienieden unsere Sprünge machen wie die Frösche. Abram zeigt also, dass er keine so plumpe Meinung von Gott hat, sondern dass er Ihm eine unendliche Kraft zuschreibt, die sich überallhin erstreckt. Damit sollen wir dazu veranlasst werden, in der Furcht Gottes zu wandeln, und darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass wir über alle Worte und Gedanken vor Ihm Rechenschaft ablegen müssen. Denn Gott besitzt den Himmel und die Erde nicht dazu, um sich davon zu ernähren. Er braucht sie nicht. Er besitzt sie nicht, um sich zu zeigen, denn Er genügt sich mit Seiner unendlichen Majestät allein und hat alles Gute in sich selbst. Selbst wenn Er nicht geschaffen hätte, so wäre Er darum nicht kleiner und nicht größer. Wenn Er also genannt wird, so soll dadurch gezeigt werden: Alles ist Ihm untertan, und wir müssen vor Ihm Rechenschaft ablegen; Er regiert die Welt; nicht ist vor Ihm verborgen; Er hat die Macht, die Gedanken zu erkennen und alle unsere Worte und Taten zu prüfen; Er ist, weil Himmel und Erde Ihm gehören, zugleich unser Richter. Darauf also bezieht sich dieser Ausdruck, dass wir hier als vor Gott wandeln sollen. Wir mögen versuchen, uns zu verstecken, es kommt doch alles ans Licht, und wenn wir Ihn heute durch unseren Scharfsinn zu täuschen wähnen, so muss alles das einmal auf uns zurückfallen. Andererseits soll uns die Tatsache, dass Gott sich den Eigentümer des Himmels und der Erde nennt, dazu mahnen, Ihn als unseren Vater und Ernährer zu lieben und als unseren Richter zu fürchten, denn der Himmel und die Erde sind Sein, sofern Er unumschränkte Gewalt über uns hat, und sofern wir vor Seinem Richterstuhl erscheinen müssen, um zu empfangen, was wir getan haben bei Leibesleben, es sei gut oder böse (2. Korinther 5.10).

Nun behält Er diesen Besitz nicht bloß für Sich, denn Er teilt uns durch Seine unermessliche Güte alles mit, was wir brauchen, da Er alles zu unserem Gebrauch geschaffen hat. So sind wir schlecht und undankbar, wenn so von der Kraft und von der unermesslichen Güte unseres Gottes gesprochen wird, und wir sie sogar aus Erfahrung kennen, aber nicht auch danach streben, Ihn zu lieben und uns Ihm zu weihen. Durch dieses Wort ‚Himmel‘ werden wir nicht bloß an die Wohltaten erinnert, die Er uns durch die Sonne und die Sterne erweist, sondern auch der Engel wird hier gedacht, damit wir lernen sollen, ihnen gleich zu werden. Wenn so edle Geschöpfe kein anderes Bestreben kennen, als sich dem Dienst Gottes zu widmen, wohin soll es dann führen, wenn wir armen Erdenwürmer uns gegen Ihn empören, oder wenn jeder von uns, obgleich wir bloß wie arme, in die Irre geratene Tiere sind, seinen Lüsten und Begierden nachstrebt? Bedeutet es nicht eine übergroße Beschämung für uns, wenn die Engel so demütig sind, und wenn wir unsererseits so voll Hochmut und Auflehnung sind?

Das ist also der wesentliche Inhalt dessen, was wir festhalten müssen. Wenn wir von Gott sprechen, so ist keine Kraft eins mit Seinem Wesen. Das Wort Gott soll uns nicht, wie vielen Leuten, über die Lippen gehen, sondern wir sollen wissen: Wie Er der Ewige ist, wie Er alle Dinge geschaffen hat, so hat Er Sich auch die Herrschaft und die Gewalt über uns, über alle unsere Güter und über alle Kreaturen vorbehalten. Wir müssen erkennen, dass wir vor Ihm Rechenschaft ablegen müssen, aber so, dass wir dabei trotzdem ermahnt werden, Ihn wahrhaftig zu lieben und uns im Gehorsam vor Ihm zu neigen. Denn Er will uns nicht bloß mit Gewalt und Zwang unter den Namen Seiner Majestät beugen, sondern vornehmlich durch die Gnadengaben und Wohltaten, die Er über uns ausgießt, damit wir dadurch gleichsam zu Ihm gelockt werden, so dass wir unseren Worten, unseren Gedanken und unseren Werken immer darauf bedacht sein sollen, Seinen heiligen Namen zu verherrlichen.