2. Predigt über Melchisedek

Die zweite Predigt über Melchisedek,
in der gezeigt wird, dass er ein Bild Jesu Christi, des ewigen Königs und Priesters, gewesen ist.

 

1. Mose 14. 18-20

Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein hervor. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten und segnete ihn und sprach: Gesegnet seist du, Abram, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; und gelobt sei Gott der Höchste, der deine Feinde in deine Hand beschlossen hat. Und demselben gab Abram den Zehnten von allem.

 

 

TEIL I

Wir haben zu zeigen begonnen, dass der hier genannte Melchisedek ein Bild unseres Herrn Jesu Christi gewesen ist. Damit wir nun dieser Lehre größere Aufmerksamkeit schenken, müssen wir uns an das gestern schon betonte erinnern, dass Gott mit einem feierlichen Eid geschworen hat, der zukünftige König über das Volk werde auch Priester sein. Nun ist es gewiss, dass Gott Seinen Namen nicht unnütz braucht und Ihn nicht bloß so von ungefähr ausspricht. Wie Er will, dass wir Ihn in Ehren halten und Ihn nur gebrauchen, wenn es nötig ist und wo Sein Gebrauch Seiner Heiligkeit angemessen ist, so gibt Er uns auch seinerseits das Beispiel dafür. Es folgt also notwendig, dass es bedeutsam und für uns von großem Nutzen ist, zu wissen, inwiefern dem Erlöser des Volkes auch der Titel des Königs und des Priesters zukommt. In der Tat, wenn wir das eine vom andern trennen würden, so wäre unser Glaube an unseren Herrn Jesus Christus sehr schwach und hätte keinen gewissen und festen Grund. Denn zwei Dinge sind zu unserem Heil erforderlich: Einerseits, dass Gott uns als Gerechte aufnimmt und uns als Seine Kinder anerkennt; zweitens, dass wir von Seiner Hand geführt werden, dass wir durch Seine unüberwindliche Kraft erhalten und beschützt werden. Wenn wir nur eins von beiden annehmen wollten, so würde es bloß zur Hälfte genügen. Der Grund dafür ist folgender: Setzen wir den Fall, dass Gott uns gnädig wäre und dass Er uns unsere Sünden nicht zurechnete; wenn der Teufel dabei Macht über uns hätte, und wir allen Angriffen, die er gegen uns richtet, ungeschützt ausgesetzt wären, – was hieße das anders, als dass wir arme verlorene Menschen wären? Wenn wir anderseits Gott Seine Macht bloß zu unserem Schutz entfalten würden, und wir nicht mit Ihm versöhnt wären und nicht für gerecht gehalten und geachtet würden, so müssten wir immer wieder Rechenschaft ablegen, und wehe uns, wenn wir ohne Barmherzigkeit gerichtet würden! Aber wir wissen, dass unsere Gerechtigkeit darin besteht, dass Gott Erbarmen mit uns hat, dass Er alle unsere Fehler begräbt. Also musste unser Herr Jesus Christus als König und als Priester erscheinen, d. h. Er musste einerseits den Bund zwischen Gott und uns schließen, damit wir erhobenen Hauptes kommen können, wenn es sich darum handelt, unsere Zuflucht zu nehmen, und damit wir dessen sicher sein können, dass Er uns als seine Kinder anerkennt. Nun haben wir all das durch die Wohltat des Todes und des Leidens unseres Herrn Jesu Christi. Denn dass Er Sein Blut vergossen hat, das ist geschehen, um uns von allen Sünden zu waschen und zu reinigen. Er ist zum Sühneopfer gemacht worden, so dass wir aller unserer Schuld ledig sind, und die Handschrift, die wider uns war, ist zerrissen und ausgetilgt worden, wie Paulus im Kolosserbrief sagt (Kolosser  2.14). Das wurde vollbracht, indem die Person des Sohnes Gottes auf die Welt gesandt wurde; Er hat für die Vergebung unserer Sünden gelitten und hat uns gerecht gemacht. Nicht als ob wir es in Wirklichkeit wären, daran fehlt vieles; aber sofern Gott uns nicht danach richten will, was wir gefehlt haben. Er hilft uns im Gegenteil durch Seine unendliche Güte; und der Gehorsam, den Jesus Christus geleistet hat, hat uns gereinigt. Wie wenn einer unsere Schuld bezahlen würde, - ich bin nun frei! - so hat unser Herr Jesus Christus sich zum Hauptschuldner hergegeben und uns dadurch vor Gott frei gemacht; selbst der Teufel kann uns nicht verklagen, wenn wir unser Vertrauen auf die Sühne setzen, die uns durch den Sohn Gottes als Priester bezeichnet. Aber wir müssen wohl erwägen, welche Frucht wir von diesem Seinem Amt empfangen sollen, denn nicht bloß für sich, sondern zu unserem Nutzen und Heil hat Ihm der Vater diesen Stand und diese Würde mit feierlichem Eid übertragen.

 




TEIL II

Nun achten wir darauf, dass Er ein ewiger Priester genannt wird, damit diese Ehre Ihm vorbehalten bleibe und auf niemand sonst übertragen werde. Wenn dieser Punkt in der gebührenden Weise beachtet worden wäre, wie ihn auch der Apostel in dem Brief an die Hebräer aufs schönste ausführt (Hebräer 7.11 ff), so wäre der Gräuel nie geschehen, der in die Welt gekommen ist und noch heute herrscht. Denn der Papst weiht seine Priester dazu, dass sie Gott zufriedenstellen sollen. So lauten die Worte, die er gebraucht, wenn er sie verzaubert, d. h. wenn er sie durch seine Zaubersprüche weiht: "Wir geben die Macht, Gott das Opfer darzubringen, das dazu dient, ihn zu befriedigen." Das ist eine abscheuliche Lästerung, denn das ist so viel, als ob sie Gott zum Lügner und den feierlichen Eid zunichtemachen wollten, den Er selbst ausgesprochen hat, und von dem im 110. Psalm gesprochen wird. Dort sagt Gott, Jesus Christus, nämlich Er allein, werde ewiger Priester sein, d. h. Priester nach der Weise Melchisedeks, dem keiner gleich oder ähnlich sei. Die Priester des Papsttums indessen brüsten sich, Jesus Christus als Opfer darzubringen und dazu Priester Gottes zu sein, um Vergebung der Sünden, sogar für Lebende und Tote, zu schaffen. Denn sie sind nicht damit zufrieden, Erlöser derer zu sein, die sich aus ihren Händen, wie aus Räuberhänden, loskaufen, sondern sie wollen auch noch, dass ihre Zauberei sich über die Toten erstrecke! Wir sehen, es besteht ein mehr als offenkundiger Gegensatz zwischen dem Urteil, das der heilige Mund Gottes ausgesprochen hat, und dem, was dieser Antichrist erfunden hat und noch heute vertritt. Achten wir also wohl darauf, dass nicht nur Jesus Christus sich bloß einmal dargegeben hat, um den Zorn Gottes, Seines Vaters, gegen uns zu stillen und für alle unsere Fehler aufzukommen, sondern dass auch die Kraft dieses von Ihm geleisteten Opfers für immer anhält und ewig sein wird. Deswegen benützt der Apostel auch das Gleichnis (Römer 5.2), der Zugang sei uns durch das Blut Jesu Christi, unseres Herrn, gleichsam neu geöffnet worden. Er will damit sagen, das einmal zu unserem Heil vergossene Blut versiege und vertrockne niemals, sondern ergieße sich durch die Kraft des Heiligen Geistes täglich über unsere Seelen, wie Petrus im 1. Kapitel seines 1. Briefes davon sagt. Deswegen sagt auch Jesus Christus bei Seinem Abendmahl: Das ist das Blut des neuen Testaments; und es heißt ewig, als ob Er sagen wollte, wir sollen nicht denken, Er habe eine bloß für einen Tag oder ein Jahr gültige Versöhnung ohne Dauer vollbracht. Sondern heute noch übt Er das Amt des Priesters aus, da Er in Kraft des Todes und des Leidens, das Er einmal erlitten hat, der Mittler bei Gott, Seinem Vater, ist und so für uns eintritt, dass wir dessen sicher sein können, dass wir Gott angenehm sind, wenn wir im Namen unseres Fürsprechers zu Ihm kommen, und damit wir uns auf das Opfer gründen und stützen, das Er einmal geleistet hat, um uns dadurch heute und bis ans Ende der Welt zu dienen.

Nun habe ich gesagt, es würde nicht genügen, dass wir so Kraft der Vergebung unserer Sünden mit Gott im Reinen wären, wenn wir nicht immerfort unter der Hand Gottes und unter Seinem Schutz behütet und bewahrt würden. Deswegen musste Jesus Christus auch König sein, denn alles Heil, das wir von Gott erhoffen, müssen wir bei unserem Herrn Jesus Christus suchen. Wir brauchen nicht in die Luft emporzufliegen, um das, was wir brauchen, in weiter Ferne zu holen, denn Er schenkt sich uns und bietet sich uns dar. Wir müssen also in der Person dieses Erlösers die ganze Fülle dessen finden, was zu unserem Heil nötig ist. Deswegen wird unser Herr Jesus Christus als König bezeichnet. Die Salbung, die Ihm erteilt wurde, gehört zu Seinem Königtum. Wir werden dadurch reich gemacht an all Seinen Gütern; wir werden gegen alle unsere Feinde geschützt und haben eine unbesiegliche Festung. So bleibt uns, wie sehr wir auch angegriffen werden, doch immer der Sieg. Die Reichtümer des Himmels werden also über uns ausgegossen, da Jesus Christus sie in aller Vollkommenheit in sich getragen hat. Wir andererseits besitzen nichts davon; wir haben bloß Armut. Wir müssen also als Bettler zu Ihm kommen, und Er muss freigebig sein und uns helfen. Das geschieht, wenn Er die Gaben Seines Heiligen Geistes an uns austeilt, damit wir nach Seinem Bilde neu geschaffen werden. Dann muss der Teufel zurückgestoßen werden. Und welche Kraft haben wir unsererseits? Die allerkleinste Versuchung schon schlägt uns zurück, und unser eigener Schatten schon bringt uns gleichsam zu Fall. Aber es ist uns gesagt: Wenn Jesus Christus uns in Seine Hut genommen hat, so werden wir in solcher Kraft stehen, dass alle unsere Feinde keine Macht über uns haben. Jetzt sehen wir viel besser, dass Gott nicht ohne Grund einen feierlichen Eid gebraucht hat, indem Er unseren Herrn Jesus Christus zum König und zum Priester nach der Weise Melchisedeks einsetzte.

Nun verfolgt der Apostel das noch weiter und betont die Namen (Hebräer 7.2); denn Melchisedek bedeutet König der Gerechtigkeit. Er zeigt uns also, dass das Königtum des Sohnes Gottes kein gewöhnliches ist und nicht nach der Art anderer Herrschaften beurteilt werden darf. Es birgt das Besondere in sich, dass es uns gerecht macht. Denn die irdischen Könige mögen wohl auch gerecht sein, sofern sie sich treulich ihren Ämtern widmen, sich von Schandtaten, von Tyrannei, von Grausamkeit fernhalten und jedermann Gerechtigkeit widerfahren lassen; insofern mag man sie gerecht nennen. Aber dem Sohne Gottes kommt eine ganz andere Gerechtigkeit zu: Die, derer wir teilhaftig gemacht werden! Ein Mensch könnte wie ein Engel alle Tugenden haben, aber das würde dann nur ihm selbst dienen. Er mag wohl den andern mit guten Beispiel vorangehen; die, die gefehlt haben, züchtigen; ein Auge darauf haben, dass man ordentlich und in geordneten Verhältnissen lebt; aber dass er die andern gerecht machen könnte, das übersteigt jedes menschliche Vermögen. Doch unser Herr Jesus Christus hat eine Gerechtigkeit, die nicht auf Ihn beschränkt ist, und die Er nicht bloß für sich allein hat; sondern Er hat sie dazu, um sie uns mitzuteilen, so dass wir durch Ihn vor Gott gerecht gemacht werden. Und wie soll das geschehen? Wir haben schon gezeigt, dass Gott uns für gerecht und unschuldig achtet, wenn es Ihm gefällt, unsere Übertretungen und unsere Missetaten zu begraben. Wenn Er uns andererseits durch den Geist unseres Herrn Jesu Christi wiedergeboren hat, so bekleidet Er uns damit auch wieder mit Seiner Gerechtigkeit. Zwar geschieht das gewiss bloß teilweise; solange wir auf dieser Welt leben, sind uns unsere Sünde wohl ganz und ohne Ausnahme vergeben, aber wir sind nicht so neu geschaffen, dass es nicht immer noch viel Schwachheit und viele Laster bei uns gäbe, und so müssen wir unsere Zuflucht zu dieser Gerechtigkeit nehmen, d. h. zu der Vergebung unserer Sünden! Aber wie dem auch sein mag, wir sehen, wie unser Herr Jesus Christus uns auf diese Weise Seiner Gerechtigkeit teilhaftig macht. Das ist also der erste Punkt, den wir zu beachten haben.

 


 

TEIL III

Der zweite Punkt bezieht sich auf den Ort Salem. Salem bedeutet Frieden, und der Apostel zeigt uns, dass wir außer der Gerechtigkeit, die wir von unserem Herrn Jesus Christus empfangen, immerfort einen Frieden genießen, den Er alleine gibt und den wir durch kein anderes Mittel erlangen können. Wie sich auch die Gottlosen und die Verächter Gottes mühen mögen, sich Ruhe zu verschaffen, so weckt Gott sie doch wieder auf, ja Er tut das durch einen Geist der Raserei, so dass sie wie von Sinnen sind. Denn die Gottlosen suchen sich so Ruhe zu verschaffen, dass sie Gott vergessen, soweit es ihnen möglich ist. Danach gebärden sie sich wie die Tiere. Nun muss Gott sich doch ihnen zum Trotz wieder in Erinnerung bringen, und wenn Er ihnen erscheint, so zittern sie als vor ihrem Richter. Dann haben sie hunderttausend Zeugen, denn ihr Gewissen ist ihnen furchtbarer als alle Prozesse der Welt; sie müssen in Wahrheit durch sich selbst verdammt werden. Auch wenn Gott sich schweigend stellt, so können die Gottlosen sich doch nicht freisprechen, dass sie nicht ihren Fluch spüren müssten. Die Gottlosen haben also keinen Frieden, wie es bei Jesaja heißt (Jesaja 48.22). Aber Jesus Christus ist unser Friede, sagt Paulus in Epheser 2.14, da Er uns mit Gott, Seinem Vater, verbunden und vereinigt hat. Deshalb sagt Paulus auch im 5. Kapitel des Römerbrief: Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden zu Gott oder mit Gott. Er unterscheidet den Frieden der Gottlosen, d. h. den, den sie suchen und nicht finden können, von dem Frieden der Gläubigen. Die Gottlosen mögen Gott den Rücken kehren und sich soweit von Ihm entfernen, als es ihnen möglich ist; aber die Gläubigen stellen sich vor Gott und anerkennen Ihn als ihren Vater, da sie wissen, dass Er ihnen ihre Fehler nicht zurechnet, da ja Jesus Christus sie davon freigesprochen hat. Auf diese Weise haben sie Frieden und freuen sich der unendlichen Barmherzigkeit, die ihnen geschehen ist. So wird Jesus Christus nicht ohne Grund der Friedenskönig genannt.

Überdies sind auch die Gläubigen nicht bloß für die Gegenwart sicher, sondern auch für die Zukunft, denn sie wissen, dass Gott sein Werk in ihnen so angefangen hat, dass Er es auch vollenden will. Sie hoffen also darauf, dass Er ihnen niemals fehlen wird, und dass sie mehr und mehr von Ihm geführt und regiert werden, bis sie in Seinem Reiche angelangen. So haben wir, kurz gesagt, den Frieden, und so werden wir ihn in Jesus Christus besitzen, da wir ohne ihn Feinde Gottes sein müssen; und wie wir unseren Lastern und unseren Auflehnungen gegen Ihn Krieg führen, so muss Er auch gegen uns bewaffnet sein.

Es ist auch zu beachten, dass Er ewiger Priester wurde, da Melchisedek, wie schon in der ersten Predigt berührt wurde, ohne Ursprung, ohne Ende und ohne Stammbaum eingeführt wird. Das geschieht, damit wir erkennen, dass unser Herr Jesus Christus, obgleich Er in der Fülle der Zeiten gesandt wurde, doch ewiger Sohn Gottes bleibt, ja dass Er vor der Schöpfung der Welt zum Erlöser bestimmt wurde, denn Er ist der Erstgeborene aller Kreaturen, da ja in Ihm und durch Ihn alles geschaffen wurde, und Er auch nach dem wunderbaren Rat Gottes alles wiederherstellen sollte, weil nach dem Fall Adams, der alle Kreaturen mit sich zugrunde gerichtet hat, überall bloß Auflösung herrschte. Aber alles ist durch unseren Herrn Jesus Christus wieder hergestellt worden. So sollen wir, wie der Apostel in letzten Kapitel des Hebräerbriefes sagt, erkennen, dass Jesus Christus nicht bloß heute ist, sondern dass Er gestern, d. h. von aller Zeit her, gewesen ist, dass Seine Kraft sich erwiesen hat, wie sie sich bis ans Ende erweisen wird. So müssen wir uns also ganz zu dieser Kraft hin flüchten, die die Väter schon erfahren und erprobt haben, ehe Er im Fleisch kundgetan worden ist, und nicht daran zweifeln, obgleich wir fern von Ihm sind und der Himmel und die Erde weit voneinander sind. Wir werden doch immer aus Seinem Leben lebendig gemacht, durch Seinen Reichtum reich gemacht, durch Seine Kraft gehalten und bewahrt. Denn wenn die Sonne, die bloß ein unvernünftiges Geschöpf ist, die Erde fruchtbar macht und erwärmt, und wenn wir dadurch von Gott ernährt und erhalten werden, wie viel mehr muss Jesus Christus tun, der nicht eine unvernünftige Kreatur, der überhaupt keine Kreatur, sonder Gott, im Fleisch geoffenbart, der unser Mittler ist, dem Gott nach Seinem Willen alles überlassen hat, was zu unserem Glück erforderlich war?

 


 

TEIL IV

Statt dass nun die Papisten und alle, die sich Christen nennen, aus dieser Stelle bei Mose die Lehre ziehen, dass Jesus Christus der einzige König und Priester ist, der uns mit Gott, Seinem Vater, vereint hat, und der auch bewirkt, dass der Vater uns in Seinem Schutz bewahrt, haben sie alles hier Gesagte in sein Gegenteil verkehrt, und dieser Irrtum hat nicht bei den Papisten angefangen. Man muss ihnen nicht mehr zuschreiben, als sie haben, denn ihre Lästerungen genügen, sie hundertmal zu verdammen. Aber es ist ein Jammer, dass der Teufel so regiert hat, dass er die, die sich Christen nannten, schon vor 1400 Jahren [Anmerkung: mittlerweile sind weitere 500 Jahre vergangen] so verblendet hat, dass sie dahin gekommen sind, ein Märchen zu erfinden: Jesus Christus sei in der Person Melchisedeks dargestellt gewesen, und sein Leib sei das himmlische Brot und sein Blut der Wein zur Nahrung der Seelen, und Er habe beides dargebracht. Nun wird diese Allegorie zunächst denen gefallen, die sich gerne die Ohren kitzeln lassen, da Jesus Christus Seinen Leib Brot und sein Blut Wein nennt; dass Melchisedek Brot und Wein dargebracht hat, scheint also recht gut zu passen, da ja der Leib Jesu Christi die Kraft in sich haben muss, uns zu ernähren, und Sein Blut auch unsere Seelen lebendig machen kann. Aber es ist hier nicht die Rede von einem Gott dargebrachten Opfer. Mose sagt, Melchisedek, der König von Salem, habe Brot und Wein dargebracht, d. h. er habe es Abram angeboten. Abram müsste hier Gott sein, da ja die Darbietung seiner Person gilt; und dann geschah das nicht nur für ihn allein, sondern für seine ganze Begleitung. Abram wurde also von Melchisedek mit königlicher Freigebigkeit aufgenommen. Das auf Gott zu beziehen, heißt, wie wir sehen, alles verderben. Übrigens hat unser Herr Jesus Christus auch Seinen Leib und Sein Blut dargebracht. Sie sind vorher nicht Brot und Wein gewesen, sondern wegen des Opfers, das Er damit gebracht hat, werden sie Brot und Wein genannt, d. h. sie haben die Kraft und die Natur von Brot und Wein für uns. Warum werden wir an unserer Seele durch den Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus erhalten, und warum bekommen wir unser ganzes Leben von Ihm? Deswegen, weil das einmal dargebrachte Opfer die Summe und die Vollendung alles Guten ist. Wenn also Jesus Christus nicht zuvor geopfert worden wäre, so wäre Sein Leib heute nicht Fleisch, Sein Blut nicht Getränk für uns. Deshalb sagt auch Paulus im 1. Korinther 5.7, Jesus Christus sei als unser Passahlamm geopfert worden: Also wollen wir jetzt essen! Diese Ordnung müssen wir einhalten: Das Opfer geht voraus, danach werden wir Kraft desselben durch den Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi genährt und gesättigt. So sehen wir auf jede Weise, dass diese armen Phantasten, die diese Moses-Stelle verderbt haben, von unserem Herrn Jesus Christus keine Ahnung hatten.

Nun haben sich die Papisten - da sie vom Satan besessen sind und ihr Sinn verstockt worden ist, so dass sie nicht zwischen weiß und schwarz unterscheiden können und sich sogar, infolge einer gerechten Rache Gottes, so lächerlich gemacht haben, dass die kleinen Kinder ihnen ins Gesicht spucken könnten - mit diesem einen Irrtum nicht begnügt, sondern sie haben noch mehr Unflat herbeigeführt. Sie haben darüber hinaus gesagt, man müsse täglich Brot und Wein darbringen, da das Priesteramt Jesu Christi dem Melchisedeks entspreche. Dabei werden sie zunächst durch ihren eigenen Mund einer mehr als großen Torheit überführt, denn sie sagen, bei ihrer Messe gebe es weder Brot und Wein, wenn sie ihre Hostie, wie sie das nennen, verzaubert haben, sondern dann sei sie ein Gott. Mag man auch Brot sehen und mag der Wein tropfen, sie sagen, das seinen bloß Formen, d. h. Erscheinungen ohne Substanz. Sie wollen also glauben machen, das sei weder Brot noch Wein, die Augen seien verblendet, und ebenso der Geschmack und alle Sinne; dabei geben sie vor, dass alles zunichtewird, wenn sie die Worte aussprechen, die sich ‚sakramental‘ nennen. Wenn man nun Brot und Wein darbringen müsste, -wo ist das? Denn sie behaupten ja, es sei nichts dergleichen vorhanden! Dabei führen sie diese Stelle an und sagen, man müsse Brot und Wein opfern! Wir sehen, ihre Dummheit ist so groß, dass kleine Kinder darüber lachen und ihre Richter sein können. Und wenn sie im Übrigen finden wollen, dass Melchisedek und unser Herr Jesus Christus sich entsprechen, so muss dabei das unangetastet bleiben, was wir aus dem Psalm angeführt haben: Das es bloß einen Priester gibt, da er durch einen besonderen Eid eingesetzt worden ist. Er muss also sein Amt allezeit behalten. Aber sie stellen sich als Priester an die Stelle unseres Herrn Jesu Christi! So ist also die Entsprechung zunichte gemacht! Doch braucht es keine anderen Widerlegungen oder Beweise, um ihre Torheit zu widerlegen, als dass man den Text so nimmt, wie er dasteht, und dann immerfort ihr eigenes Bekenntnis dagegen hält, das ihnen den Hals bricht. Wie dem auch sein mag, wir sehen: Wie diese Stelle eine einzigartige Lehre und Ermahnung  enthält, so hat der Teufel sich bemüht, sie zu verdunkeln, zu vernebeln, zu fälschen, ja sie ganz zunichte zu machen; um so mehr müssen wir unsererseits alle unsere Sinne wach halten, um das hier Gesagte unserem Gedächtnis recht einzuprägen, und wir müssen dazu angetrieben werden durch den feierlichen Eid, den zu schwören es Gott gefallen hat. Denn es hat, wie wir gesagt haben, seinen guten Grund, dass Er so bei Seinem Namen geschworen hat. Das ist geschehen, um uns eine unfehlbare Bekräftigung unseres Glaubens zu geben, damit wir nicht daran zweifeln, dass uns in der Person Seines einzigen Sohne alles bis zum himmlischen Reich zukommt, was zu unserer Gerechtigkeit, zu unserem Frieden und zu unserem Schutz erforderlich ist.

 


 

TEIL V

Danach heißt es, Melchisedek habe Abram gesegnet, nämlich sofern er Priester des höchsten Gottes war. Dieses Segnen bedeutet Überordnung, wie der Apostel uns sehr richtig belehrt (Hebräer 7.7), wenn er sagt, der Bessere segne die Geringeren. Sofern Melchisedek Priester ist, muss also Abram ihm untergeordnet sein. Nun ist es so, dass Abram Vater und Haupt der Kirche gewesen ist; es folgt also daraus, dass der, den Melchisedek vertrat, größer ist als irgendein sterblicher Mensch. Deshalb haben auch manche der Alten sich vorgestellt, er sei ein Engel gewesen. Aber das sind Torheiten oder sogar Sinnlosigkeiten, denn wenn er Priester des lebendigen Gottes genannt wird, so ist es gewiss, dass er ein im Lande bekannter Mann war, und ebenso als König von Salem. Das ist also bloß Tändelei. Aber selbst wenn er ein Engel gewesen wäre, so wäre er immer noch nicht mehr als Abram, der gemeinsame Vater der ganzen Kirche. Es ergibt sich also: Obgleich Melchisedek ein sterbliches Geschöpf war, so hat er doch wegen des Priesteramts die Engel im Paradies an Würde übertroffen - nicht an sich, sondern an Stelle dessen, den er dargestellte. So ist David größer gewesen als alle Engel, wenn ihm gesagt wird: Du bist mein Sohn; heute habe ich dich gezeugt (Psalm 2.7). Das ist von keinem Engel gesagt, sagt der Apostel (Hebräer 1.5); trotzdem war David ein armer Sünder, ein Sohn Adams wie die andern. Und wie kommt es denn, dass er hier so hoch erhoben wird, dass die Engel ihm unterworfen werden? Weil diese Gestalt die Majestät des Sohne Gottes darstellt, und nicht bloß David. So ergibt sich für uns notwendig: Melchisedek konnte bloß mit Rücksicht auf die Wirklichkeit über Abram stehen, die er darstellte. Es folgt also daraus, dass Jesus Christus damals offenbart wurde, damit der Glaube der Gläubigen ganz in Ihm gegründet würde. Denn es war von Anfang an kein anderes Heil unter dem Himmel gegeben, als das, das uns heute im Evangelium offenbart wird.

Nun gibt es zwar auch gewöhnliche Segnungen, denn ‚segnen‘ steht in der Heiligen Schrift oft für ‚beten‘. So werden wir nachher sehen, dass ein gewöhnlicher Mensch einen andern mit den Worten segnet: ‚Gott segne Dich‘. Wenn wir einander grüßen, so grüßen wir uns ebenso mit Segenswünschen. Das ist die gewöhnliche Ausdrucksweise der Heiligen Schrift. Aber es gibt einen besonderen Segen, der den Priestern vorbehalten ist, und deswegen heißt es im Gesetz oft: ‚Die Priester, die das Volk im Namen Gottes segnen‘, d. h. die das Recht dazu haben; und selbst die Form des Segens wird uns in 4. Mose 6 überliefert, wenn es heißt: So sollen die Priester mein Volk segnen: Der Herr segne und behüte euch; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch; und dann: Der Herr sei euch gnädig und gebe euch Frieden. Hier hat Gott für Seine Kirche eine feste Form des Segens eingeführt. Deswegen wird auch erzählt, Jesus Christus habe bei Seiner Himmelfahrt die Hände über Seine Apostel erhoben, wie es die Priester zu tun pflegten. Er hat die Bilder des Gesetzes vollendet, indem Er Seine Jünger segnete. Das ist also der Segen, von dem hier die Rede ist. Deshalb legt auch der Apostel nicht ohne Grund Nachdruck darauf, dass Melchisedek in dieser Eigenschaft über Abram stehen müsse, da er ihn gesegnet hat. Nun ist Abram der Vater der ganzen Kirche. Wir sollen also daraus schließen, dass unser Herr Jesus Christus eine übermenschliche Majestät hat, und das gerade als Mittler. Es muss sich noch jede Höhe unter Ihn erniedrigen; es muss jeder auf Ihn sehen; es müssen Große und Kleine erkennen, dass Ihm von Gott, Seinem Vater, das höchste Reich gegeben ist, gerade in dieser menschlichen Natur, und dass sich vor Ihm jedes Knie beugen muss, denn so muss jene Stelle des Paulus, Philipper 2, verstanden werden, und das haben wir hier festzuhalten.

Jetzt ist es unsere Aufgabe, diese Stelle zu unserem Nutzen anzuwenden, d. h. nicht daran zu zweifeln, dass, wie unser Vater Abram urbildlich von Melchisedek gesegnet worden ist, so auch heute unser Jesus Christus, der ewige Priester, im Namen Gottes, Seines Vaters, uns segnet. Denn Seine Bitte ist nicht vergeblich; sie muss Erfolg haben. Wir wissen, dass Er unfehlbar erhört wird. So sollen wir also daraus schließen, dass wir Jesus Christus vor Gott, Seinem Vater, zum Beistand haben, wenn wir unser Vertrauen auf Ihn setzen. Wenn wir in Adam verflucht sind und uns noch täglich durch unsere Fehler und Übertretungen neuen Fluch zuziehen, so wird das doch ausgelöscht und wieder gutgemacht, weil unser Herr Jesus Christus in Seiner Güte das Amt des Segens für uns verwaltet. Und wir kennen sogar das Gebet, das Er im 17. Kapitel des Johannes einmal gesprochen hat: Heiliger Vater, ich bitte dich nicht allein für diese hier - d. h. die elf Apostel und die Jünger, die Er schon bei sich aufgenommen hatte - sondern ich bitte für alle die, sagt Er, die durch ihr Wort an meinem Namen glauben werden, damit sie in mir eins bleiben, wie ich auch in dir bleibe, damit wir alle eins seien. Unser Herr Jesus Christus hat diese Worte einmal ausgesprochen; Er bittet nicht bloß für Seine Jünger, die schon zu Seiner Herde gehörten, sondern für alle die, die durch ihr Wort an Ihn glauben. Wir sollen also lernen: Wenn wir die Lehre des Evangeliums mit echten Gehorsam umfassen, so dürfen wir davon überzeugt sein, dass der Sohn Gottes uns als unser höchstes und einziges Gut geschenkt wird. Sein Gebet wird so immer dieselbe Kraft haben, denn es ist nicht nötig, dass Er es abends und morgens und jeden Tag wiederholt. Es genügt, dass Er es durch Sein Blut und das einmal dargebrachte einzige und ewige Opfer besiegelt hat; denn wir sind sicher, dass unsere Gebete erhört werden, wenn wir Gott im Namen unseres Heilandes bitten. Unsere Gebete wären bloß Gift und würden selbst die Luft vergiften, wenn es sich dabei darum handeln würde, dass wir auf Gott sehen, um danach zu bedenken, wer wir sind. Aber unsere Gebete sind durch den priesterlichen Segen unseres Herrn Jesu Christi gesegnet; auf Ihn gilt es zu sehen, damit wir all Seiner Güte teilhaftig werden. So müssen wir, in Kürze gesagt, diese Stelle Moses zu unserem Nutzen und zur Erbauung unseres Glaubens anwenden, in der gesagt wird, Abram, der Vater der Gläubigen, sei gesegnet worden. Dabei sehen wir, dass Abram an sich verflucht war, da er ja den priesterlichen Segen empfängt. Auch Melchisedek erkennt, dass wir in uns bloß Armut haben, und dass Gott uns segnen muss, und dass wir seinen Segen mit aller Demut umfassen müssen, wenn wir des Gutes froh werden sollen, das uns durch unseren Herrn Jesus Christus gebracht worden ist und das Er uns täglich durch die Predigt des Evangeliums anbietet.

 


 

TEIL VI

Darauf führt Mose den Segen Melchisedeks an. Gesegnet sei Abram, sagt er, vor Gott dem Allerhöchsten, dem der Himmel und die Erde gehören; und gelobt sei der höchste Gott, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat. Er segnet Abram im Namen Gottes, wie wir schon aus dem Gesetz angeführt haben. Man darf nicht glauben, wenn die Priester das Recht des Segnens haben, so hätten sie es kraft eigener Autorität, und Gott hätte ihnen Sein Amt abgetreten und Sein Ruhm würde dadurch verringert. Wenn Gott durch Seine Diener wirkt, so wird Er dadurch nicht kleiner, und Seine Kraft wird dadurch nicht verdunkelt. Er wird nicht ärmer um das, was Er gibt, sondern es gefällt Ihm, solche Mittel so zu gebrauchen, dass man immer wieder zu Ihm zurückkommt, und dass man keinen Tropfen Gutes aus einem anderen Brunnen als aus dieser Quelle schöpft. Deshalb heißt es ausdrücklich: Gesegnet sei Abram dem höchsten Gott, als ob Melchisedek damit sagen wollte, er sei nichts von sich aus und vermöge nichts, sondern nur sofern Gott ihn zu seinem Dienst berufe, rufe er auch Ihn an und spreche Seinen Namen über Abram aus. Wir sehen also: Jesus Christus hat das Amt zu segnen, d. h. Er macht uns vor Gott angenehm, wischt alles Böse aus, das in uns ist. Aber das muss uns noch weiter führen, nämlich zu der unschätzbaren Liebe Gottes, des Vaters, welcher seines einzigen Sohnes nicht verschont, sondern ihn für uns in den Tod gegeben hat (Römer 8.32). Wenn uns der eigentliche Grund unseres Heils gezeigt wird, so stellt uns die Schrift diese Liebe Gottes vor Augen; Gott hat also die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn nicht verschont hat. So werden wir gesegnet durch die priesterliche Kraft des Sohnes Gottes. Aber dabei ruft uns der Vater zu sich, damit wir Ihm die Ehre geben und dafür danken, dass es Sein Wille war, uns ein solches Gut, und gar auf diesem Weg, mitzuteilen. Kurz, wir sehen hier, dass alles Gute, was wir wünschen und erhoffen dürfen, von Gott allein ausgeht, und dass wir es nur bei Ihm suchen müssen. Jeder wünscht sich, es bequem zu haben und all das zu bekommen, was ihm seiner Meinung nach gebührt. Dieser Wunsch ist Guten und Schlechten gemeinsam. Aber es gibt sehr wenige, die ihr Gut in Gott suchen. Sie wollen alle selig werden, aber sie verachten den, von dem alles Gute ausgeht. Das ist ebenso, wie wenn ein Mensch sehr durstig wäre und sogar verschmachtete und nicht mehr weiterkönnte und man ihm sagen würde: ‚Da ist die Quelle‘ - er aber würde sich nicht dazu hergeben zu trinken; es mag Wasser und Wein da sein, er will nicht hingehen und trinken. So verhält es sich mit denen, die alles begehren und zu Kosten verlangen, was ihnen in den Sinn kommt und was ihnen nötig scheint, und dabei Gott verachten und nicht zu Ihm kommen wollen. Lasst uns doch lernen, so oft wir für unsere Seele oder für unseren Leid etwas Begehrenswertes wünschen, damit anzufangen, dass Gott uns gnädig sein möge und uns in Seiner Barmherzigkeit so aufnehme, dass wir Zutritt und Zugang zu Ihm haben und uns an Seinen Gütern sättigen können, wie es zu unserem Heil nötig ist.

Danach fügt Melchisedek einen Lobpreis dafür hinzu, dass Gott unserem Vater Abram den Sieg gegeben hat. Und gelobt sei, sagt er, der lebendige Gott, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat. Dadurch werden wir dazu ermahnt, mit den Forderungen und Bitten, die wir vor Ihn bringen, immer den Preis Gottes zu verbinden, wie es uns auch Paulus im Philipperbrief zeigt, wenn er sagt, unsere Wünsche seien Gott bekannt, d. h. er sagt: Zerbeißt nicht eure Zügel, wie die Ungläubigen es machen, wenn sie sehen: Das würde mit gefallen und wohl anstehen. Sie beklagen sich, aber wieso? Sie haben ihre Herzen verschlossen und stellen sich nicht vor Gott, um Ihn um das zu bitten, was sie brauchen. Deswegen sagt der Apostel an jener Stelle (Philipper 4.6): Eure Gebete, eure Gedanken und Wünsche seien vor Gott ausgebreitet, d. h. wenn ihr wisst, dass ihr dies oder jenes nicht habt, so suchet das Gute dort, wo es ist, und dort werdet ihr es finden können: Bei Gott! Eure Gebete, Bitten und Danksagungen sollen zeigen, dass ihr vor Gott steht. Wenn ihr Ihn so gebeten habt, wie ich gesagt habe, so soll euer Loben sich mit eurem Bitten vereinen, denn wenn wir Ihn murrend und mit Jammern und Unzufriedenheit bitten, so ist das eine Lästerung Seines heiligen Namens. Nun muss das Gebet Ihm ein Opfer von gutem Geruch sein. Wir versündigen uns an Ihm und beschimpfen Ihn, wenn wir Ihn unserem Begehren unterwerfen und untertänig machen wollen und uns nicht an Seiner Gnade genügen lassen. Deswegen müssen wir wohl dazu ermahnt werden, dass wir, so oft wir Gott bitten, Ihm auch Dank sagen, uns ganz Seinem Willen unterwerfen und Ihm für Seine Gnadengaben danken sollen. So heißt es auch im 50. Psalm: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen. So handelt hier Melchisedek in Bezug auf Abram. Um das besser und inniger zu verstehen, müssen wir darauf achten, dass unsere Gebete sich auf die Vergangenheit und auf die Zukunft beziehen müssen; auf die Vergangenheit, um Gott für das Gute zu danken, dass wir schon von Ihm empfangen haben; und auf die Zukunft, um Ihn zu bitten, Er möge bis ans Ende fortfahren und beharren, wie Er angefangen hat. Das ist nun sehr zu beachten. Vor uns steht Abram, der hocherhoben und zum Vater der Gläubigen gemacht worden war; er war von Gott mit allen Tugenden gesegnet worden; er besaß einen ausgezeichneten Geist. Trotzdem zeigt ihm Melchisedek, dass er bis ans Ende in der Gnade wachsen und täglich seine Hilfe bei Gott suchen muss. Denn wenn er ihn segnet, so erteilt er ihm zugleich eine Lehre, die er behalten und üben muss, solange er lebt. Wenn nun Abram es nötig hatte, Gott allezeit anzurufen; wenn er, soviel Gaben er auch empfangen hatte und welche Würde er auch besaß, sich doch immer wieder in Bitten und Beten üben muss – wie mag es dann mit uns stehen, die wir noch weit von ihm entfernt sind? So seht ihr denn, warum ich gesagt habe, unsere Gebete müssen sich auf die Zukunft beziehen, damit Er Mitleid mir uns habe, damit Er uns helfe und Seine Gnade immer mehr bei uns wachsen lasse. Denn wir haben die Hilfe Gottes immer nötig! Ferner müssen sie sich mit Loben und Danken auf die Vergangenheit beziehen, indem wir bekennen, dass wir alles Gute von Ihm haben. Wir müssen ein solches Genügen haben, dass wir, selbst wenn wir in unserer Bosheit geängstigt werden, nicht davon ablassen uns zu freuen, da wir Ihn als Vater erkannt und erprobt haben, und da Er sich auch in Wahrheit durch die Gnadengaben als solcher gezeigt hat, die Er uns schon zuvor mitgeteilt hat.

Die Worte Melchisedeks: Gelobt sei der Gott, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat, zeigen uns, dass jeder Sieg von Gott kommt, und dass nicht Abram selber durch seine Energie, durch seinen Mut und seine Tapferkeit die Könige vernichtet hat, sondern dass Gott ihn geführt hat. Zwar hat Abram, wie wir gesehen haben, seine Feinde bei Nacht überrascht und hat das getan, weil er nicht kriegsgewohnt war; aber was hätte alles das geholfen, wenn Gott es nicht hätte gedeihen lassen? Wir sehen sogar: Obgleich David ein großes Heer hatte, obgleich er viele tapfere und berühmte Leute gehabt hat, und obgleich er auch selber im Krieg geübt war, seit Gott ihn zum König eingesetzt hatte, sagt er nichtsdestoweniger, Gott habe ihm schnelle Füße gegeben, Er habe ihn erhoben und so stark gemacht, dass er die Fesseln und die Riegel zerbrochen habe, Er habe seine Feinde geschlagen. David bekennt also, er habe bei all den Siegen, die er errungen habe, nichts, was daran sein eigen wäre. Da nun David, der menschlich gesehen die Mittel dazu hatte, seine Feinde zu überwinden, trotzdem ohne Heuchelei bekennt, er habe nichts, was nicht Gott zugeschrieben werden müsse, damit Sein Name dadurch verherrlicht werde – wie konnte es um Abram stehen, der niemals Krieg geführt hatte, der sozusagen nicht wusste, wie man einen Degen aus der Scheide zieht, obschon er eine solche Menge Leute besiegt hat, die schon voll Anmaßung darüber waren, dass sie ihre Feinde geschlagen und fünft Städte geplündert und ausgeraubt hatten! Hier muss Gott gehandelt haben! Wie nun dem auch sein mag, wir müssen dieser Stelle folgendes entnehmen: Selbst wenn man bloß einen Finger rühren müsste, so muss Gott uns führen, damit wir nichts mit anmaßendem Hochmut unternehmen, als ob wir etwas vermöchten und tüchtige Leute wären. Diejenigen, die Krieg führen oder sonst etwas Schwieriges unternehmen müssen, sollen sich also in die Hände Gottes geben und wissen, dass Er nicht ohne Grund der Gott der Heere genannt wird. Das ist das eine. Weiter müssen wir das auf eine zweiter Weise anwenden, es nämlich auf die geistliche Kraft beziehen, die uns zur Überwindung Satans und alles dessen, was unserem Heil entgegensteht, gegeben wird. Wir haben, sagt Paulus (Epheser 6.12), nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Mächte von obenher, gegen die Teufel, die mit feurigen Pfeilen kämpfen. Hierin müssen wir uns üben. Da also unser eigentlicher Feind der Teufel ist, und da die Pfeile und die Schwerter und alle Mittel, mit denen er uns Schaden kann, geistlich sind, so wollen wir lernen, zu unserem Gott zu rufen. Denn welche Kraft, welche Geschicklichkeit haben wir? Gott muss also kämpfen, und wir müssen dabei ruhig bleiben, ja gleichsam mit gebundenen Händen zusehen. Nicht als ob es uns nicht Not täte, uns anzustrengen, denn die Gläubigen müssen tapfer gegen die Begierden ihres Fleisches kämpfen; aber die Kraft dazu muss von oben kommen, so dass sie alle Gedanken an ihren freien Willen und an ihre eigene Kraft vernichten, so oft sie sich in Hochmut gegen Gott erheben. Das ist der Rausch des Papsttums. Wir müssen, sage ich mit einem Wort, erkennen, dass wir an Leib und Seele nichts vermögen. Aber da Gott es übernommen hat, uns zu führen, so sollen wir wissen und daran festhalten, dass Er genug Kraft für uns hat, und dass wir ohne Ihn nichts vermögen, dass wir aber durch Ihn alles vermögen.