1. Predigt über Melchisedek

Die erste Predigt über die Geschichte Melchisedeks,
in der auch die Befreiung Lots durch Abram behandelt wird.

 

1. Mose 14.13-16

Da kam einer, der entronnen war, und sagte es Abram, dem Hebräer, der da wohnt im Hain Mamres, des Amoriters, welcher ein Bruder war Eskols und Aners. Diese waren mit Abram im Bunde. Als nun Abram hörte, dass sein Bruder gefangen war, wappnete er seine Knechte, dreihundertundachtzehn, in seinem Hause geboren, und jagte ihnen nach bis gen Dan und teilte sich, fiel des Nachts über sie mit seinen Knechten und schlug sie und jagte sie bis gen Hoba, das zur Linken der Stadt Damaskus liegt, und brachte alle Habe wieder... 

 

 

TEIL I

Wir haben die gestern begonnene Geschichte von der Befreiung Lots weiterzuführen. Wir sehen dabei in erster Linie, wie Gott seine Güte und seine Gunst gegen Abram damit kundgetan hat, dass Er ihm dazu verhalf, Lot zurückzuholen. Deshalb sagt Mose ausdrücklich: Einer, der entkommen war, sei zu Abram, dem Hebräer, gekommen. Diese Bezeichnung soll keine Geringschätzung bedeuten, denn der Stamm Ebers trug diesen Namen (1. Mose 10. 21 ff), und Eber war ein Nachkomme Sems. So war Abram schon gleichsam von Gott ausgesondert, um nicht unter den Kanaanäern befleckt zu werden. Aber wie dem auch sein mag, Mose bezeichnet ihn mit diesem Namen, als ob er sagen wollte, er sei ein Fremdling gewesen und sei in jenes Land Kanaan als in die Fremde gekommen. Nun verstehen wir, dass er verachtet wurde, da er dort weder Verwandte noch Freunde hatte; doch erweist ihm Gott trotzdem die Gnade und das Vorrecht, dass er zur rechten Zeit und am rechten Ort von dem über seinen Neffen hereingebrochenen Unheil Nachricht bekommt, so dass er dabei helfen kann.

Nun fügt Mose hinzu, dass er mit seinen Nachbarn verbündet war. Wir haben früher gesehen, dass er hin- und herziehen musste, weil er überall unfreundlich empfangen wurde; wohin er auch kam, vertrieb man ihn. Zwar hat ihm Gott, um ihn zu üben, wohl befohlen, das Land weit und breit zu durchziehen (1. Mose 13.17); aber schon vorher hatte die Notwendigkeit ihn dazu gezwungen. Seine Tugenden haben ihm also ohne Zweifel eine gewisse Autorität verschafft, so dass man ihn aufgenommen hat und die führenden jenes Landes ihn als ihren Freund betrachtet und einen Bund zur gegenseitigen Hilfe mit ihm geschlossen haben. Zwar werden oft alle Tugenden der Welt derartiges nicht erreichen; aber hier treffen zwei Dinge zusammen. Erstens werden die, die aufrichtig und rechtschaffen leben, zunächst versuchen, ihr Leben in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes zu führen; aber indem sie Gott dienen, werden sie auch Menschlichkeit gegen ihre Nächsten zeigen und so die Bosheit derer brechen, die sonst bereit waren, ihnen Unheil zuzufügen. Und in der Tat führt auch Petrus (1. Petrus 3.8 ff) dieses Argument an, wenn er die Knechte dazu ermahnt, Gutes zu tun und denen zu dienen, denen sie es schuldig sind. Er sagt, dadurch könnten sie es erreichen, dass man sie nicht quäle und nicht misshandle. Aber, sagt er, ob ihr auch um Gerechtigkeit willen leiden müsst, so sollt ihr Gott auch darin preisen, damit euer Gewissen euch nicht anklagt. Darauf haben wir zu achten. Zweitens segnet Gott dann die, die in solcher Aufrichtigkeit wandeln, und erweicht die Herzen der Menschen. Wenn also hier berichtet wird, dass Abram Verbündete hatte, so hat er es doch gewiss so gehalten, dass seine Freundschaft selbst von denen begehrt wurde, die ihm vorher möglicherweise in Feindschaft gegenüberstanden oder ihn sogar gerne geschunden und beraubt hätten; bei diesen entstand der Wunsch, sich mit ihm zu verbünden. Denn es steht fest, dass Abram sich niemals unter die gemischt hat, die Gott schon verdammt hatte, obgleich er die Vollstreckung seines Urteils noch aufschob; das hätte auch der Verheißung widersprochen. So hat Abram sich immer unberührt gehalten, um den ihm verheißenen Segen nicht zu vermindern. Wie dem aber auch sein mag: Es ist sicher, dass er es nicht abgelehnt hat, einen Bund einzugehen, um im Frieden leben zu können und nicht ganz ungeschützt und verlassen zu sein. Solches dient uns, wie ich schon gesagt habe, zur Mahnung für unseren Verkehr mit den Menschen. Auch wenn sie gleichsam Dornen haben und uns damit stechen, und auch wenn wir von ihnen beschimpft worden sind, so müssen wir trotzdem versuchen, uns so zu betragen, dass wir ihre etwaige Bosheit und Härte erweichen, wenn sie erkennen, dass wir bloß Frieden suchen und ihnen zu dem Ihrigen verhelfen wollen. Obgleich sie versuchen, uns zu schaden, und obgleich sie sich in keiner Weise so gegen uns betragen, wie es billig wäre, so müssen wir doch darauf hoffen, dass Gott ihre bösen und giftigen Herzen ändern und sie so zurückhalten werde, dass wir doch wie Schafe mitten unter den Wölfen unablässig von der Hand des himmlischen Hirten behütet und beschützt werden.

 


 

TEIL II

Die Ursache des Krieges ist bereits erzählt worden. Abram hat, als er seinen Verwandten gefangen sah, zu den Waffen gegriffen. Man hatte ihm früher schon oft Anlass gegeben, sich zur Wehr zu setzen, aber aller Schaden und alle Verluste, die er erlitten hat, haben ihn nicht dazu veranlasst, Krieg zu führen. Er ist geduldig in alledem. Erst die Gefangennahme seines Verwandten bringt ihn auf. Hier könnte man fragen, ob es für Abram erlaubt war, zu den Waffen zu greifen; denn obgleich das Blut, wie das Sprichwort sagt, sich nicht verleugnen lässt, und obgleich er eine solche Zuneigung zu seinem Neffen gehabt haben mag, dass er ihn zurückholen musste, und ihm das nicht als Fehler angerechnet wurde, so ist es doch so, dass wir im allgemeinen die Regel zu beachten haben: Es ist einem Menschen, wer es auch sein mag, nicht erlaubt, zu den Waffen zu greifen. Gott alleine darf sie uns in die Hand geben. Er bewaffnet, wie Paulus sagt (Römer 13.1 ff), die Könige und die Fürsten, und wenn er feststellt, dass sie als Obrigkeit das Recht dazu haben, die Bösen zu strafen, so sagt er: Deswegen tragen sie das Schwert. Sie haben es sich in ihrem Amt nicht angemaßt und führen es nicht nach der Lust der Geschöpfe. Gott muss es also veranlassen. Deswegen habe ich gesagt, es dürfe keiner Macht oder Gewalt brauchen, es sei denn, er habe das Recht dazu von dem erhalten, dem es zukommt. Deswegen dürfen nur die Könige, die Fürsten und Magistrate zu den Waffen greifen, und nur mit ihnen darf man sich verbünden. Das ist ein Satz, der für uns feststehen muss. Denn wie wäre es, wenn jeder so zu Felde zöge, wenn irgendein Unrecht geschehen ist? Das ergäbe überall eine fürchterliche Verwirrung. Um uns gleichsam am Zügel zu halten und zur Geduld zu mahnen, führt Paulus außerdem an, was im Lied Moses (Römer 12.19, vgl. Mose 32.35) gesagt ist: Mein ist die Rache, spricht der Herr. Daraus folgerte er, dass wir dem Zorn Gottes Raum geben müssen. Gott nimmt das Amt der Rache für sich in Anspruch, wenn irgendeine Ungebühr oder irgendeine Untat geschehen ist; wie es das Amt Gottes ist, die Strafe dafür zu vollziehen. Wenn sich nun jeder darein mengen will, und wenn ein Privatmann sich einmischt, um Widerstand zu leisten, so ist es sicher, dass er damit Gott Seiner Ehre und Seines Rechtes beraubt, als ob er Ihn davon ausschließen wollte. Um nun dem Zorn Raum zu geben, d. h. wenn Gott sich als unser Beschützer erweisen und unsere Feinde züchtigen, wenn Er unsere Sache führen soll, so müssen wir dabei ganz ruhig bleiben! Denn wer selbst zu Waffen greift, der entzieht Gott, wie ich gesagt habe, das Gericht, das Er zum Schutz der Seinen für sich in Anspruch nimmt. Kurz: Privatleute sollen sich nicht nur jeder Gewalttat enthalten, sondern auch den stillen Mut zum Leiden haben, wenn es Gott gefällt, sie zu demütigen, und dabei sollen sie, wie Petrus uns ermahnt (1. Petrus 4.16), ihre Seele und ihr Leben dem befehlen, der sie beschützt und dem sie gehören. Indessen sehen wir doch, dass Abrams Handlungsweise gebilligt worden ist, denn Melchisedek sagt in seinem Segen, der ihm zuteil gewordene Sieg sei eine Fügung Gottes gewesen. Abram aber war Privatmann, er war weder König noch Fürst, ja er wohnte im Land Kanaan als ein Fremdling!

Aber wir haben zunächst zu beachten, dass er schon zum Herrn und Meister über jenes Land eingesetzt worden war. Wenn er es auch noch nicht innehatte, so besaß er doch das Recht darauf; denn es war ihm durch den Mund Gottes gesagt worden (1. Mose 13.14 ff): Siehe, alles das Land, das du siehst, will ich dir und deinem Samen geben. In Anbetracht dessen, dass Gott ihm bezeugt hat, Er schenke ihm den Besitz jenes Landes, darf Abram also nicht auf eine Stufe mit den andern gestellt werden. Wenn man einwendet, es sei nicht genug, wenn der das Recht darauf für die Zukunft hatte, so ist weiterhin noch zu beachten, dass das Beispiel, das wir hier lesen, dem des Mose (2. Mose 2.12) ähnlich ist. Denn als Mose den Ägypter tötete, war die Zeit der Erlösung des Volkes noch nicht gekommen, Es fehlten daran vierzig Jahre. Und doch hat Mose eine Hinrichtung mit dem Schwert vollzogen. Und das ist weder Unbesonnenheit noch Torheit gewesen, denn er hat Gottes Billigung dafür erhalten! Stephanus erzählt ausdrücklich (Apostelgeschichte 7.25), Mose habe gedacht, seine Brüder wüssten, dass Gott es ihm befohlen und dass Gott ihm dieses Amt zugewiesen habe. Mose gab also zu verstehen, dass er sich nicht von selber da eingemischt hatte. In der Tat, vierzig Jahre später, als Gott ihn ruft, da entschuldigte er sich; er führt alle möglichen Gründe und Ausflüchte an, um sich diesem Auftrag zu entziehen. Damit zeigt er, dass er jene Tat nicht in törichter Unbeherrschtheit begangen hatte, und Gott gibt dadurch zu erkennen, dass Er seinen Knecht bewahrt hatte, indem Er ihn bloß diese Tat begehen ließ, um ihn nachher, wenn die Zeit gekommen sei, zu größeren Dingen zu gebrauchen.

So hat Gott also seinem Knecht Abram für einmal Recht und Freiheit dazu geben können, die Gewalt des Schwertes zu führen, obgleich er noch nicht in den Besitz des ihm verheißenen Landes gesetzt war. Ferner ist auch zu beachten, dass Gott Seine Knechte oft besondere Wege gehen lässt, die man nicht verallgemeinern darf. Das Buch der Richter ist uns ein guter Spiegel für diese Tatsache. Denn soweit dieses Buch die Geschichte von Leuten erzählt, die Gott Seinem Volk als Helfer erweckt hat, soweit bezeugt es, dass einer nicht nur auf Grund einer öffentlichen Berufung mit dem Schwert bewaffnet und mit Autorität ausgestattet werden kann. Ist Gideon dazu gewählt worden? Sicherlich nicht. Simson und die andern ebenso wenig. Wir brauchen nicht drei oder vier von ihnen anzuführen; denn, wie ich schon sagte: Alle dort Genannten sind von Gott erwählt worden, sogar ohne dass sie daran dachten. Gideon zweifelt und ist in großer Verlegenheit. Es muss ihm von Gott ein klares Zeichen der Berufung gegeben werden; das Zeichen muss sich wiederholen, nachdem er das Verlangte erhalten hat; immer noch genügte es ihm nicht. Wir sehen also, dass er voll Schüchternheit ist. Aber Gott hat ihn erwählt und ihm den Auftrag gegeben, sein Volk zu befreien, so dass er mit dreihundert Männern eine große Schar, ja ein großes und mächtiges Heer geschlagen hat. Alles, was uns dort erzählt wird, darf nicht zur allgemeinen Regel gemacht werden. Das wäre eine törichte Folgerung für uns, und es wäre eine Narrheit, wenn wir sagen würden: „Gott hat seine Kirche von der Tyrannei der Bösen und Ungläubigen durch Jephtha, durch Simson, durch Gideon und Ihresgleichen erlöst; so folgt daraus also: Wenn wir die Kinder Gottes ungerechterweise unterdrückt sehen, so muss es uns erlaubt sein, zu ihrer Hilfe zu den Waffen zu greifen“. Dieser Gedankengang ist überaus töricht, denn wir müssten dazu den Geist jener Männer haben und behaupten, ihnen gleich zu sein, d. h. wir müssten Gewissheit darüber haben, dass Gott uns ebenso dazu ruft. Warum? Sie hatten, wie ich gesagt habe, eine besondere Erleuchtung, wie es auch bei einem allgemeinen Gesetz Ausnahmen geben kann. So müssen wir in allen Dingen beachten: Wenn Gott außerhalb der gewöhnlichen, in Seinem Wort begründeten Regel wirkt, so ist dies eine Besonderheit, die man nicht für sich in Anspruch nehmen darf. Denn es ist Sache eines Königs oder eines Rates, jemand ein gewisses Vorrecht zu erteilen. Der Grund dafür mag mir unbekannt sein; wenn ich jedoch das Gleiche tun will, wie der durch das Vorrecht Ausgezeichnete, so vergreife ich mich damit gleichsam an dem, der ihn aus dem Allgemeinen herausheben wollte. Denn die Autorität der Könige und Obrigkeiten, solches zu tun, was sie als gut für die Allgemeinheit erkennen, darf nicht angetastet werden. Dieser Unterschied ist vernünftig. So oft wir also sehen, dass es Gott gefallen hat, Seiner Kirche durch die zu Hilfe zu kommen, die Er als Diener der Erlösung und des von Ihm bereiteten Heils geordnet hat, sollen wir anerkennen, dass darin Hand Gottes auf besondere Wege gehandelt hat, und dass diese Menschen von Ihm erwählt, dass sie mit Seiner Autorität und Seiner Macht ausgerüstet worden sind. Aber zu sagen, jeder solle daran gehen, es ebenso zu machen, das wäre, wie ich gesagt habe, eine furchtbare Verwirrung. Das haben wir hinsichtlich dessen, was hier von Abram erzählt wird, festzuhalten: Gott wollte ihm damals schon ein Zeichen dafür geben, dass Er ihn nicht umsonst zum Herrn und Meister des Landes Kanaan eingesetzt hatte. Ferner hat Er ihm durch diesen Sieg auch einen Vorgeschmack davon gegeben, dass seine Nachfolger in das Land einziehen sollten, und dass sie, allen Mächten zum Trotz, überall den Sieg erringen würden. Denn wenn auch das Heer der gestern erwähnten Könige nicht dreißig- und vierzigtausend Mann stark war, so hatte Abram doch bloß die Leute seines Hauses, dreihundertachtzehn Knechte.

 


 

TEIL III

Nun wäre es ein Scherz zu sagen, Abrams Knechte seien kriegsgewohnt gewesen. Da Abram niemals im Krieg war, so wusste er auch weder Schwert noch Schild zu handhaben. Seine Verbündeten, weit entfernt, seine Zuversicht zu stärken, konnten vielmehr seine Furcht vergrößern. Denn sie hätten sagen können: „Dieser Fremdling da wird uns noch alle zugrunde richten; denn diese vier Könige sind siegreich gewesen, sie haben Sodom und Gomorra und die Nachbarstädte geplündert, und wir sollen uns nun auf sie stürzen? Das hieße sich selbst umbringen“. Da sich Abram also gleichsam verlassen sah, so hätte er, nach der gewöhnlichen Meinung, sich lieber ruhig verhalten sollen. Dem ersten Anschein nach war es eine große Torheit von ihm, dass er dreihundertachtzehn Knechte bewaffnete, und dass er, ein elender Greis, sich an ihre Spitze stellte und sich so ins Ungewisse stürzte! Er, der ja doch niemals erfahren hatte, was Krieg oder Schlacht bedeuten, und es nie hatte erfahren wollen! Aber umso mehr müssen wir beachten, was ich schon gestreift habe: Gott wollte ihm dadurch zeigen, dass Er seine Nachkommen ohne Schwierigkeiten in den Genuss des Landes bringen werde, da Er ihm ja einen so bemerkenswerten Sieg geschenkt habe, an den man nie geglaubt hätte, wenn man die Sache nach menschlichem Verstand hätte beurteilen wollen.

Obgleich also Abram weder in den Waffen geübt, noch in irgendeiner Weise listig war, überrascht er nichtsdestoweniger seine Feinde. Er überfällt sie bei Nacht, in dem Augenblick, als sie sich recht gehen lassen mochten und nachdem sie gut getrunken, gegessen und geschlemmt hatten, ja, als sie ganz sicher zu sein glaubten, dass sie die Beute aus Sodom und Gomorra geborgen hätten. Wir wissen ja, dass bei solchen Siegen gewöhnlich viel Zuchtlosigkeiten und Zügellosigkeiten begangen werden. Abram hat also den Scharfsinn, seine Feinde zu überraschen, und trotzdem ist es doch so, dass er über das Geschehene und über die Größe des Sieges der Feinde erstaunt sein musste. Als er da nun plötzlich und eilig ankommt, geschieht das nicht ohne Unruhe, aber Gott regiert ihn durch Seinen heiligen Geist. Daran sollen wir erkennen, dass Gott durch ihn wirken wollte, und das nicht bloß zugunsten Lots, sondern damit er wisse, dass das Versprechen nicht eitel und leichtfertig war, mit dem Gott ihm die Herrschaft und die Hoheit über das ganze Land Kanaan gegeben hatte.

Danach heißt es, der König von Sodom sei ihm entgegengegangen. Das soll die Gnade Gottes gegen Abram verherrlichen. Wir haben ja die Stelle aus Hesekiel 16.49 schon angeführt, wo es heißt, die von Sodom seien voll Stolz gewesen, und das sei die Quelle all der Ungeheuerlichkeiten gewesen, die die Rache Gottes gegen sie herausgefordert haben, um sie ganz auszulöschen. Wie hochmütig nun auch der König von Sodom gewesen sein mag, so kommt er doch, um Abram zu huldigen, weil er erkennt, dass er ihm sein ganzes Leben und sein ganzes Land verdankt. Darin sehen wir also, wie Gott diese ganze Sache geführt und wie Er Seinen Knecht Abram gesegnet hat. Zwar hätte dieser sich viel lieber nicht aus seinem Zelt gerührt und sich lieber nicht in solche Gefahr und Unsicherheit gestürzt, aber Gott hat ihm die Hand gereicht und hat gewollt, dass Abram Seine Kraft und Seine Hilfe in der Not erprobte. Dieses hat nachher Abram viel geholfen. Denn wenn er zu Hause geblieben wäre, ohne einen solchen Schutz Gottes erfahren zu haben, so hätte er sicherlich nicht so fest bleiben können, wie er es später geblieben ist. Wir sehen also: Wenn Gott uns irgendwelche Betrübnisse schickt, so ist es doch sicher, wie schwer und bitter sie auch im Umfang zu tragen sein mögen, dass am Ende ihr Ausgang zu unserem Heil nützlich und förderlich ist. Denn Geduld bringt Bewährung, sagt Paulus (Römer 5.13). Am Ende erkennen wir in der Tat, dass uns Gott darin geholfen hat. Und wenn wir es erkennen, so soll unsere Hoffnung auf Ihn dadurch gestärkt werden. Hoffnung lässt niemals zu Schanden werden – denn wer seine Zuflucht zu Gott nimmt, wird niemals beschämt werden! So flehen wir also, dass wir nicht in Ruhe und Frieden leben können, ehe Gott uns zeigt, warum Er uns betrübt hat, und ehe wir durch Ihn begreifen, dass es zu unserem Wohl dient, und dass wir folglich Anlass dazu haben, Ihn zu preisen und Ihn mit größerer Gewissheit anzurufen.

 


 

TEIL IV

Nun sagt Mose, der König von Sodom sei vor Abram gekommen. Er fährt dann fort: Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein hervor. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten, und segnete ihn ... Und demselben gab Abram den Zehnten von allem.

Wenn irgendeine Erzählung in der Heiligen Schrift bemerkenswerter ist, so ist es diese. Und es ist nicht nur eine Erzählung, sondern ein lebendiges Bild, das unseren Herr Jesus Christus so darstellt, wie im 110. Psalm von Ihm gesprochen wird. Denn nicht ohne Grund heißt es dort, Gott habe geschworen, und es werde Ihn nicht gereuen; der feierliche Schwur, den Er geleistet habe, werde unerschütterlich sein: Jesus Christus ist ein Priester nach der Weise Melchisedeks. Wenn wir bloß diese tiefe Erzählung hätten, so stünde Melchisedek vor uns als ein Priester Gottes, aber seinem Stande nach in keiner Weise Abram gleich. Weit entfernt davon! Denn es wird nachher gesagt, Abram sei der Vater aller Gläubigen und der ganzen Kirche, und alle, die Kinder Gottes sind, müssen seine geistlichen Kinder sein. Melchisedek musste also in einer Beziehung geringer sein als er. Es steht aber fest, dass ihm Mose eine Würde zuschreibst, die über Abrams hinausgeht; so spricht auch der Apostel (Hebräer 5.6 & 5.10) davon und führt es sehr schön aus. Das werden wir nachher sehen. Manche haben geglaubt, dieser Melchisedek sei Sem, aber das hat keine Wahrscheinlichkeit für sich. Und wenn es so wäre: Hätte Abram dann solange gezögert, den Patriarchen Sem zu besuchen, von dem er abstammte? Es besteht kein Zweifel daran, dass er sich zunächst nicht an ihn gewandt hat, und dass er sogar nicht einmal in seiner Nachbarschaft gewohnt hat. Melchisedek war König von Salem, und Abram hätte sich unter seinem Schutz niederlassen können; aber er ist durch das ganze Land gezogen, und dabei wird Melchisedek nicht erwähnt! Weiter hat es guten Grund, wenn der Apostel angibt, Melchisedek sei ohne Vater und ohne Mutter gewesen (Hebräer 7.3), ohne Anfang und ohne Ende, wie ein Mensch, der vom Himmel gekommen und unsterblich wäre. Nicht als ob Melchisedek nicht von menschlicher Art und nicht auch ein Mensch gewesen wäre! Aber der Apostel will sagen, er werde eingeführt, wie wenn er nie geboren worden wäre. Man weiß nicht, von welchem Vater er gezeugt und von welcher Mutter er geboren wurde. Man weiß nichts von seinem Stamm oder von seinem ganzen Leben, und es wird ferner nichts gesagt von seinem Tod, ja, er ist sogar Priester des lebendigen Gottes. Dabei taucht er auf, um danach sogleich wieder zu verschwinden und unterzutauchen, und man weiß nicht, wie und zu welcher Zeit. Nun zeigt der Apostel, dass Melchisedek ein Bild unseres Herrn Jesu Christi gewesen ist, der, obgleich Er ewiger Sohn Gottes ist, doch keinen Vater nach der gewöhnlichen Weise hat, da ja sein göttliches Wesen geistlich und ewig ist, und da Er ja auch auf wunderbare Weise außerhalb der Naturordnung durch den heiligen Geist empfangen wurde. Obgleich Er gestorben ist, so ist doch Sein Leben trotzdem ewig. Er hat sogar uns allen das Leben erworben, als Er nach Seinem Willen für uns gestorben ist. Er ist also ohne Anfang und ohne Ende. Ohne Anfang, weil Er ewiger Gott ist, und ohne Ende, da wir in Ihm Ewigkeit haben, wie es im Propheten Jesaja heißt (Jesaja 60.22, vgl. 48.18 ff): Wer wird das Geschlecht berichten, das von ihm kommen wird? Die Kirche ist unsterblich in der Kraft unseres Herrn Jesu Christi. Es steht also über allen Zweifeln fest, dass Er ohne Ende ist. Davon wird jedoch noch ausführlicher zu handeln sein; jetzt berühren wir es kurz, um zu zeigen, dass es sich hier nicht um Sem gehandelt hat. Hier sieht man dann auch, warum David den Erlöser, der kommen soll, ausdrücklich mit Melchisedek vergleicht.

Ehe wir nun weitergehen, wollen wir darauf achten, dass es in Anbetracht dessen, dass die ganze Erde damals voll Götzendienst war, eine wunderbare Gnade Gottes war, dass Melchisedek sich so rein gehalten hat. Denn das Haus des Vaters Abram war eine Götzenhöhle, wie wir schon oben ausgeführt haben und wie der Heilige Geist durch den Mund Josuas bezeugt (Josua 24.2). Wenn also im Lande Chaldäa, das doch dem Wohnort und der Wirkungsstätte Noahs, Sems und seiner Stammesgenossen am nächsten lag, alles so verdorben war, wenn der Teufel den Dienst Gottes dort schon verkehrt und mit so viel Befleckung beschmutzt hatte – wie ist es da möglich, dass es im Lande Kanaan, wo das Volk böse ist, dort wo eitel Gottlosigkeit und Verachtung Gottes und Empörung herrschen, wo alles voll Ungerechtigkeit, Hinterlist, Betrug, Grausamkeit und Gewalttat ist, dass dort ein Priester des lebendigen Gottes lebt?

Daran sehen wir, wie Gott manchmal Seine Kirche sozusagen unter der Erde verborgen hält, und wie sie, nach der Meinung der Menschen, von niemand gekannt wird. Aber es genügt, dass Gott sie kennt. Das bezeugt uns also Melchisedek. Man hätte glauben können, es habe damals keinen einzigen Menschen gegeben, der Gott in Reinheit und Einfalt angebetet hätte. Wenn der Großvater Abrams und seine ganze Verwandtschaft teuflischen Irrtümern anhingen und wenn sie den Abgöttern dienten, wie musste es dann um die übrigen stehen? Man hätte also glauben mögen, die Kirche Gottes sei ganz vernichtet. Aber man sieht, wie Er ein kleines Samenkorn von ihr bewahrt hat, indem Er nach Seinem Willen Melchisedek zum Priester machte! Und das in einem Land, das noch mehr in allerlei Ungerechtigkeit versunken war als die anderen!

 


 

TEIL V

Wir müssen das nun für uns anwenden, denn es ist eine überaus gefährliche Versuchung zu glauben, Gott habe keine Kirche mehr auf der Welt! Denn dann wäre notwendig seine Verheißung eitel und trügerisch. Wenn ein Mensch allein zu sein wähnt, so gerät er in die Irre und wird gleichgültig, bis er in Verzweiflung fällt. Wir sehen z. B., dass Elia sehr nahe daran war, als er sagte (1. Könige 19.10): Und was nun weiter? Denn sie haben deine Propheten getötet und haben ihre Götzenbilder überall aufgerichtet, und ich bin allein geblieben. Da war er wie ein armer, erschrockener Mensch nahe daran, in einen Abgrund zu stürzen. Aber dann tröstet ihn Gott und sagt ihm, es seien noch siebentausend, d. h. eine große Zahl, die er sich vorbehalten habe, die ihre Knie vor Baal nicht gebeugt hätten. So würde also, wie ich gesagt habe, unser Glaube erschüttert, ja ganz zerschlagen, wenn wir davon überzeugt wären, dass Gott die Welt so verlassen habe, dass es keine Kirche mehr darin gäbe. Deswegen wollen wir lernen, nicht nach dem Augenschein darüber zu urteilen, ob es eine Kirche gibt oder nicht, sondern wollen auf alle Berechnungen verzichten, weil wir wissen, dass Gott oft ein kleines Samenkorn im Verborgenen hält. So fällt das Korn bei einem großen Haufen Stroh nicht auf; das Stroh verdeckt das Korn, das nur in kleiner Menge vorhanden ist. So mag es also wohl auch manchmal den Anschein haben, als ob alle Gläubigen hienieden ausgestorben wären. Aber Gott hat unbegreifliche Mittel, um die Seinen zu erhalten, und Er muss immer Anbetung und Dienst empfangen. Man darf die Kirche nicht bei der großen Menge oder einer großen Schar suchen! Es ist nicht nötig, dass sie Glanz und Pomp entfaltet – sondern es soll uns genügen, dass Gott die Seinen kennt. So sollen wir auch von aller Ungerechtigkeit ablassen, damit wir Seinen Namen anrufen können, und damit wir mit denen verbunden bleiben, die unsere Brüder sind, auch wenn wir sie nicht kennen. Denn es steht bei Gott, ob Er uns durch den heiligen Geist bezeugen will, dass Er eine große Zahl von Gläubigen hat! So ist es nicht nötig, dass wir sie kennen. Deswegen will Er, dass sie da und dort zerstreut sind und sogar, dass sie vor den Menschen kein Ansehen haben, sondern verächtliche und verachtete Leute sind, kurz, dass man nichts oder nicht mehr von ihnen weiß, als wenn sie völlig unterdrückt wären. Dies ist die eine Seite.

Ferner enthält diese Stelle für uns die Mahnung, nicht der großen Menge nachzufolgen. Denn Melchisedek hätte sich dem Götzendienst ergeben können wie die andern, wenn er auf das gesehen hätte, was sie taten. Überall in seiner Umgebung wurde der Gottesdienst entheiligt. Trotzdem bleibt er bei dem, was er als gut und recht erkennt, wie Gott es ihn gelehrt hat. Es gab kein geschriebenes Gesetz, aber Gott hatte ihm, sowohl durch Noah als durch Sem, die Erkenntnis dessen gegeben, was zum Heil notwendig ist. Wenn nun ein so dürftiger Unterricht, wie ihn Melchisedek nur empfangen haben kann, ihn beständig in der Reinheit des Glaubens erhalten hat, welche Entschuldigung mögen wir dann haben, wo sich Gott doch unablässig bei uns hören lässt? Wir haben das Gesetz, welches uns zeigt, wie Er angebetet und verehrt werden will! Wir haben die Propheten, die es uns auslegen! Wir haben das Evangelium, das wie eine Trompete nicht bloß in unsere Ohren dringen, sondern alle unsere Gedanken und Neigungen durchdringen will! Gott hat also viele Mittel, um uns in der Reinheit Seines Dienstes zu erhalten. Wenn wir davon abweichen, wenn die Menschen uns davon abbringen, wenn wir das zum Vorwand nehmen, dass jedermann davon abweicht, wenn daraus eine solche Verkehrtheit entstanden ist, dass es üblich und gewöhnlich ist, sich unter die Ungläubigen und Götzendiener zu mischen – wie sehr muss uns da das Beispiel Melchisedeks verurteilen, der in solcher Beständigkeit und Festigkeit seines Glaubens beharrte? So wollen wir also lernen, unsere Augen auf Gott gerichtet zu halten, unsere Ohren gleichsam an Sein Wort zu binden und alle unsere Sinne aufmerksam zu erhalten, um niemals abgelenkt zu werden, so sehr wir auch hienieden wie auf einem Meer hin- und hergerissen werden und die Winde und Stürme blasen mögen. Und wenn ein ganzes Volk eine Religion behalten will, wenn ein großer König will, dass man so oder so handle, so wollen wir nichtsdestoweniger lernen, uns in allem an Gott allein zu halten. Er möge dafür sorgen, dass wir niemals von dem Weg abweichen, den Er uns durch Sein Wort gezeigt hat, und die Klarheit des Gesetzes und des Evangeliums möge immer vor uns sein, dass wir niemals von Ihm abirren, der unser Führer ist.

 


 

TEIL VI

Wir kommen nun zu dem Text Moses. Es heißt: Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein dar. Er war ein Priester des lebendigen Gottes und hat Abram gesegnet. Man muss diesen Text so umschreiben: Obgleich Melchisedek König war, hat er Abram aufgenommen und hat ihm Brot und Wein zu seiner und seines Heeres Erfrischung gegeben, und als Priester hat er ihn gesegnet, und Abram hat ihm auch den Zehnten der ganzen Beute gegeben. So wird uns Melchisedek als König und Priester vor Augen gestellt, und wir müssen wohl unterscheiden und die einzelnen Handlungen nach den Ämtern trennen. Denn als König war er freigebig gegen Abram, hat er ihn mit seiner Schar gesättigt, und als Priester hat er Abram gesegnet. Nun war es bei den Alten etwas ganz Gewöhnliches, dass ein König Priester war. Auch die profanen Schriftsteller zeigen, dass solches in vielen Ländern Sitte gewesen ist. Denn nicht zufrieden mit ihrem Stand, wollten die Könige aus Ehrgeiz auch Priester sein, weil ihnen das Priesteramt eine heiligere Würde zu haben schien als die königliche Majestät. Deshalb haben sie sich oft zu Priestern gemacht. In der Tat sehen wir, dass man mit viel Verschlagenheit danach strebte, und dass die, die Vertrauen und Ansehen genossen, sich immer wieder nach dieser Stellung drängen wollten. Aber wie dem auch sei, Mose erzählt das doch als etwas Besonderes von Melchisedek. Indessen sehen wir doch, dass Gott in Seinem Gesetz das eine vom andern unterschieden und nicht gewollt hat, dass eine einzige Person beides habe. Mose war durch Vollkommenheit aller Tugend so ausgezeichnet als jemals ein sterblicher Mensch; nichtsdestoweniger hat Gott doch nicht ihn zum Priester haben wollen, sondern seinen Bruder Aaron, da ja Mose mit den von ihm verwalteten Regierungsgeschäften genug zu tun hatte. Wir sehen auch tatsächlich, wie Usia bestraft worden ist (2. Chronik 26.16 ff); denn als König treibt ihn die törichte Anmaßung, dass er sich auch in das Priesteramt drängen will, und bloß deswegen, weil er am Altar geräuchert hat, wird er vom Aussatz befallen, in Schande gestürzt und sein ganzes Leben lang abgesondert. Und doch scheint es, als ob er fromm oder zum mindesten zu entschuldigen war! Aber Gott bestraft nicht nur das, was in Erscheinung tritt, denn Er hat den Hochmut des Königs Usia erkannt. Und dann heißt es: Gehorsam ist besser den alle Opfer (1. Samuel 15.22). Da er sich nun gegen das Verbot Gottes eingedrängt und die Berufung und die Ordnung gestört hat, die unverletzt bleiben mussten, so wird er dafür bestraft. Und wie er sich nicht mit seinem Stand begnügt hat, so muss er gleichsam ehrlos und ekelhaft gemacht und von der Gemeinschaft der Menschen getrennt werden. So sehen wir, dass im Gesetz die beiden Dinge, Königtum und Priestertum, unvereinbar gewesen sind. Da es sich nun so verhält, so folgt daraus, dass es sich hier bei Melchisedek um ein einzigartiges und nicht zum Gesetz gehöriges Beispiel handelt. Zwar war zu jener Zeit das Gesetz noch nicht geschrieben und der Stamm Levi noch nicht auf der Welt, so dass er das priesterliche Recht und die priesterliche Würde hätte haben können. Aber trotzdem wird uns dieses Beispiel zur Lehre vorgehalten, damit das Gesetz in Kraft bleibe und die Kirche dadurch erbaut werde, wie es in dem angeführten Psalm gezeigt wird. Man muss also daraus schließen, dass hier nicht von Salomo oder einem andern König aus dem Stamm Davids die Rede ist, denn wenn diese Könige waren, so mussten sie sich des Priesteramtes enthalten, oder sie waren Abtrünnige. Wenn es also heißt, es werde ein König nach dem Bilde Melchisedeks und nach seinem Stand und nach seiner Ordnung kommen, so zeigt das, dass nicht von dem ganzen Geschlecht Davids die Rede sein konnte, das dem Fleisch nach von ihm abstammt, sondern nur von dem höchsten Priester, von unserem Herrn Jesus Christus. Es ist wahr, Er ist ein Sohn Davids und aus seinem Samen. Aber Er hat eine besondere, ja einzigartige Bedeutung. Er macht dem gesetzlichen Priesteramt ein Ende, weil Sein Reich geistlich ist. Damit macht Er auch jenem irdischen Reich ein Ende, das eine Zeitlang und bis zu Seiner Ankunft geordnet worden war. Wenn es nun ewig genannt wird, so deswegen, weil es in der Person des Erlösers fortgesetzt worden ist.

Königtum und Priestertum sind zwei Ämter, die der von Gott in Seinem Gesetz aufgestellten Regel nach bloß unserem Herrn Jesus Christus zukommen. So dürften wir nicht daran zweifeln, dass das Priestertum Jesu Christi schon Abram gezeigt worden ist, damit sein Glaube dadurch gleichsam befestigt und noch bekräftigt würde. Denn solange der Körper sich nicht gezeigt hatte, mussten wenigstens einige Schatten da sein. So haben die Väter, die auf die Erscheinung Jesu Christi warteten, dies als eine Stütze für ihren Glauben genommen. Sie haben, sage ich, Schatten und Bilder gehabt. Obgleich das nun bei uns anders ist, so ist es uns doch sehr von Nutzen; denn wir können daraus entnehmen, dass Jesus Christus nicht unvermittelt gesandt worden ist, und dass es nicht Gottes Wille ist, Ihn uns nur für einen Augenblick zum Erlöser zu schenken, denn Er war damals schon Erlöser, obgleich Er unsere Natur noch nicht angezogen hatte und obgleich Er noch nicht erschienen war und obgleich auch das Evangelium noch nicht verkündigt war. Daran sehen wir, dass der Glaube, den wir heute haben, weit und breit in Geltung steht, und dass das Evangelium zu aller Zeit galt, so dass auch die alten Väter auf unseren Herrn Jesus Christus gegründet waren und ihre Hoffnung des Heils auf Ihn gerichtet war. Kurz, das ist eine nicht zu verachtende Hilfe.

Aber wenn wir die Schatten mit dem Körper vergleichen, so sehen wir, dass unsere Lage viel besser ist, als die der Väter. Deshalb heißt es auch, selig seien die Augen, die sehen, was die Jünger gesehen haben (Matthäus 13.16). Denn viele Könige und Propheten haben brennend danach verlangt, eines solchen Anblicks teilhaftig zu werden, und haben doch das Erbetene nicht erlangt, sonder sie haben sich damit begnügt, fest darauf zu vertrauen, dass die Verheißung Gottes sich zur rechten Zeit erfüllen werde. So gewahren wir später, dass Jakob sterbend sagt (1. Mose 49.18): Ich werde dein Heil sehen, Herr, und verlasse mich darauf. Wenn wir also einen solchen Vergleich anstellen, so haben wir wohl Grund dazu, tapfer zu sein und alles zu verachten, was der Teufel vorbringen mag, um uns von der Reinheit des Evangeliums abzubringen, und müssen um so eifriger unseren Herrn Jesus Christus umfassen, da Er ja die volle und vollkommene Wirklichkeit dessen gebracht hat, was im Gesetz abgebildet war. Auf diese Weise sollen wir aus dieser Stelle Nutzen ziehen.