ABRAHAM-PREDIGTEN

1. Predigt über Melchisedek - Teil III

 

TEIL III

Nun wäre es ein Scherz zu sagen, Abrams Knechte seien kriegsgewohnt gewesen. Da Abram niemals im Krieg war, so wusste er auch weder Schwert noch Schild zu handhaben. Seine Verbündeten, weit entfernt, seine Zuversicht zu stärken, konnten vielmehr seine Furcht vergrößern. Denn sie hätten sagen können: „Dieser Fremdling da wird uns noch alle zugrunde richten; denn diese vier Könige sind siegreich gewesen, sie haben Sodom und Gomorra und die Nachbarstädte geplündert, und wir sollen uns nun auf sie stürzen? Das hieße sich selbst umbringen“. Da sich Abram also gleichsam verlassen sah, so hätte er, nach der gewöhnlichen Meinung, sich lieber ruhig verhalten sollen. Dem ersten Anschein nach war es eine große Torheit von ihm, dass er dreihundertachtzehn Knechte bewaffnete, und dass er, ein elender Greis, sich an ihre Spitze stellte und sich so ins Ungewisse stürzte! Er, der ja doch niemals erfahren hatte, was Krieg oder Schlacht bedeuten, und es nie hatte erfahren wollen! Aber umso mehr müssen wir beachten, was ich schon gestreift habe: Gott wollte ihm dadurch zeigen, dass Er seine Nachkommen ohne Schwierigkeiten in den Genuss des Landes bringen werde, da Er ihm ja einen so bemerkenswerten Sieg geschenkt habe, an den man nie geglaubt hätte, wenn man die Sache nach menschlichem Verstand hätte beurteilen wollen.

Obgleich also Abram weder in den Waffen geübt, noch in irgendeiner Weise listig war, überrascht er nichtsdestoweniger seine Feinde. Er überfällt sie bei Nacht, in dem Augenblick, als sie sich recht gehen lassen mochten und nachdem sie gut getrunken, gegessen und geschlemmt hatten, ja, als sie ganz sicher zu sein glaubten, dass sie die Beute aus Sodom und Gomorra geborgen hätten. Wir wissen ja, dass bei solchen Siegen gewöhnlich viel Zuchtlosigkeiten und Zügellosigkeiten begangen werden. Abram hat also den Scharfsinn, seine Feinde zu überraschen, und trotzdem ist es doch so, dass er über das Geschehene und über die Größe des Sieges der Feinde erstaunt sein musste. Als er da nun plötzlich und eilig ankommt, geschieht das nicht ohne Unruhe, aber Gott regiert ihn durch Seinen heiligen Geist. Daran sollen wir erkennen, dass Gott durch ihn wirken wollte, und das nicht bloß zugunsten Lots, sondern damit er wisse, dass das Versprechen nicht eitel und leichtfertig war, mit dem Gott ihm die Herrschaft und die Hoheit über das ganze Land Kanaan gegeben hatte.

Danach heißt es, der König von Sodom sei ihm entgegengegangen. Das soll die Gnade Gottes gegen Abram verherrlichen. Wir haben ja die Stelle aus Hesekiel 16.49 schon angeführt, wo es heißt, die von Sodom seien voll Stolz gewesen, und das sei die Quelle all der Ungeheuerlichkeiten gewesen, die die Rache Gottes gegen sie herausgefordert haben, um sie ganz auszulöschen. Wie hochmütig nun auch der König von Sodom gewesen sein mag, so kommt er doch, um Abram zu huldigen, weil er erkennt, dass er ihm sein ganzes Leben und sein ganzes Land verdankt. Darin sehen wir also, wie Gott diese ganze Sache geführt und wie Er Seinen Knecht Abram gesegnet hat. Zwar hätte dieser sich viel lieber nicht aus seinem Zelt gerührt und sich lieber nicht in solche Gefahr und Unsicherheit gestürzt, aber Gott hat ihm die Hand gereicht und hat gewollt, dass Abram Seine Kraft und Seine Hilfe in der Not erprobte. Dieses hat nachher Abram viel geholfen. Denn wenn er zu Hause geblieben wäre, ohne einen solchen Schutz Gottes erfahren zu haben, so hätte er sicherlich nicht so fest bleiben können, wie er es später geblieben ist. Wir sehen also: Wenn Gott uns irgendwelche Betrübnisse schickt, so ist es doch sicher, wie schwer und bitter sie auch im Umfang zu tragen sein mögen, dass am Ende ihr Ausgang zu unserem Heil nützlich und förderlich ist. Denn Geduld bringt Bewährung, sagt Paulus (Römer 5.13). Am Ende erkennen wir in der Tat, dass uns Gott darin geholfen hat. Und wenn wir es erkennen, so soll unsere Hoffnung auf Ihn dadurch gestärkt werden. Hoffnung lässt niemals zu Schanden werden – denn wer seine Zuflucht zu Gott nimmt, wird niemals beschämt werden! So flehen wir also, dass wir nicht in Ruhe und Frieden leben können, ehe Gott uns zeigt, warum Er uns betrübt hat, und ehe wir durch Ihn begreifen, dass es zu unserem Wohl dient, und dass wir folglich Anlass dazu haben, Ihn zu preisen und Ihn mit größerer Gewissheit anzurufen.