Römer Kapitel 2 Teil III

Römer 2.11-13

Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott. Welche ohne Gesetz gesündigt haben, die werden auch ohne Gesetz verloren werden; und welche unter dem Gesetz gesündigt haben, die werden durchs Gesetz verurteilt werden; sintemal vor Gott nicht die das Gesetz hören gerecht sind, sondern die das Gesetz tun werden gerecht sein.

 

Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott. – Nachdem der Apostel bisher die Menschheit als Ganzes vor Gottes Gericht gestellt hat, denkt er nun an die gesonderten Gruppen der Juden und Heiden: Mögen die Gegensätze zwischen beiden noch so groß sein, der ewige Tod droht ihnen ohne Unterschied. Versteckten sich die Heiden hinter ihrer Unwissenheit, rühmten sich die Juden des Gesetzes; so nimmt Paulus den einen die Entschuldigung, den andern den falschen und eitlen Ruhm. Unter der „Person“, welche Gott nicht ansieht, ist der gesamte äußere Bestand des Lebens zu verstehen, welchem Menschen Wert und Ehre beizulegen pflegen. Lesen wir also, dass Gott die Person nicht ansieht, so heißt dies: Er sieht auf Reinheit des Herzens und innere Unschuld und hält sich nicht bei Dingen auf, an welche die Menschen sich hängen, wie Herkunft, Heimat, Stellung, äußere Mittel und dergleichen. Wenn Gott die Person nicht ansieht, so begründen für Sein Urteil alle solche Dinge keinen Unterschied zwischen Volk und Volk. Aus der Tatsache, dass innere Reinigkeit vor Gott etwas gilt, könnte nun freilich der Schluss sich zu ergeben scheinen, dass Gottes Erwählung nicht mehr auf freier Gnade ruhe. Es ist aber zu erinnern, dass in doppelter Weise von unserer Annahme vor Gott gesprochen werden kann. Einmal beruft uns Gottes Gnade aus dem Nichts und nimmt uns ohne alles Verdienst an. Dann aber, nach der Wiedergeburt, nimmt uns Gott an mit den Gaben, die Er uns geschenkt hat: Sein Gnadenblick ruht dann mit Wohlgefallen auf dem Bilde Seines Sohnes, welches Er in uns wieder erkennt.

Welche ohne Gesetz gesündigt haben. – Dieser Satz behandelt zuerst die Gruppe der Heiden. Ihnen war kein Moses geschenkt, der in Vollmacht Gottes ihnen ein Gesetz geben konnte; nichtsdestoweniger zog ihnen ihre Sünde die gerechte Strafe des Todes zu; denn für die rechtmäßige Verurteilung eines Sünders bedarf es nicht, dass er das Gesetz kennt. Es ist also verkehrtes Mitleid, die Heiden, welche das Licht des Evangeliums nicht haben, um ihrer Unwissenheit willen dem Gerichte Gottes entnommen zu glauben.

Welche unter dem Gesetz gesündigt haben. – Wie die Heiden, die von dem Irrtum ihres Sinnes sich leiten lassen, in die Grube hinabfallen, so steht für die Juden das Gesetz bereit, sie zu richten. Denn längst war das Urteil verkündigt (5. Mose 27.26): „Verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllt, dass er danach tue.“ Der Sünder aus den Juden wartet also eine schlimmer Strafe; denn sie empfingen ihre Strafandrohung schon im Gesetz.

Nicht die das Gesetz hören gerecht sind, sondern die das Gesetz tun werden gerecht sein. – Dieser Satz kommt einem möglichen Einwande der Juden zuvor: Weil diese ihr Gesetz als Regel der Gerechtigkeit betrachten durften, so genügte ihrer Selbstzufriedenheit das bloße Wissen. Um diesen Betrug zu zerstören, behauptet der Apostel, dass man deshalb durchaus noch nicht gerecht ist, weil man das Gesetz hört und kennt. Sondern es gilt, wirkliche Taten zu zeigen; wie es 5. Mose 4.1 heißt: „Ihr sollt die Gebote tun, auf dass ihr lebet.“ Unser Satz schärft also ein, dass man das Gesetz auch erfüllen muss, wenn man von Gerechtigkeit aus dem Gesetze spricht. Denn das Gesetz will ganz gehalten sein. – Kindisch ist der Missbrauch dieser Stelle für eine Lehre von der Rechtfertigung durch die Werke. Es lohnt sich nicht, zur Widerlegung solcher Torheit hier eine lange Untersuchung über die Rechtfertigung zu führen, zu welcher unser Satz an sich keinen Anlass bietet. Denn einen so starken Nachdruck gibt der Apostel dem Urteil des Gesetzes, dass man ohne vollkommenen Gehorsam durch das Gesetz keine Rechtfertigung empfange, in Rücksicht auf die Juden: Sie finden jede Übertretung mit Fluch bedroht. Wir unsererseits bestreiten nun nicht, dass das Gesetz uns das Bild einer wirklich vollkommenen Gerechtigkeit zeigt; aber wir behaupten, dass kein Mensch von Übertretung frei erfunden wird und dass es deshalb gilt, die Gerechtigkeit anderswo zu suchen. Unsere Stelle gibt also den Beweis dafür an die Hand, dass aus Werken niemand gerecht wird. Denn wenn durch das Gesetz nur gerecht werden, die das Gesetz halten, so folgt, dass keiner gerecht wird, weil keiner einen vollkommenen Gehorsam gegen das Gesetz aufweisen kann.