Römer Kapitel 1 Teil V

Römer 1.18-23

Denn Gottes Zorn vom Himmel wird offenbart über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten. Denn was man von Gott weiß, ist in ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart, damit dass Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man des wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt; also dass sie keine Entschuldigung haben, dieweil sie wussten, dass ein Gott ist, und haben ihn nicht gepriesen als einen Gott noch ihm gedankt, sondern sind in ihrem Dichten eitel geworden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben verwandelt die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild gleich dem vergänglichen Menschen und der Vögel und der vierfüßigen und der kriecherischen Tiere.

 

Denn Gottes Zorn vom Himmel wird offenbart. – Durch einen Gegensatz beweist der Apostel, dass man Gerechtigkeit nur durch das Evangelium bekommen kann, denn außerhalb derselben erscheinen alle Menschen der Verdammnis unterworfen. Also kann man allein durch das Evangelium selig werden. Zunächst folgt nun der Beweis für diese behauptete Verdammnis: Der Bau der Welt und die herrliche Ordnung ihrer Teile hätte dem Menschen einen Anstoß zur Verherrlichung Gottes geben müssen; aber niemand gedenkt ernstlich dieser Pflicht. So wird jedermann des Gottesraubes und gottlos-schändlicher Undankbarkeit schuldig. Einige Ausleger haben die Anschauung, als ob Paulus mit diesem Satz zum Thema kommen und also den eigentlichen Inhalt seiner Darstellung mit der Buße beginnen lasse. Ich glaube dagegen, dass er sich hier in den erforderlichen Kampf einlassen will: Das, worum es geht, hat er bereits oben (1.16 & 17) ausgesprochen. Er hat doch die Absicht, zu zeigen, wo das Heil zu finden sei. Oben hat er dargelegt, dass wir es einzig und allein im Evangelium erlangen können. Nun ist aber das Fleisch keineswegs bereit, sich so weit zu demütigen, dass es Gottes Gnade allein den Lobpreis für das Heil zollt. So erklärt denn Paulus alle Welt des ewigen Todes für schuldig. Daraus folgt denn: Wir sind in uns selber allesamt verloren, und das Leben müssen wir also anderswoher erlangen. Im Übrigen wird eine genauere Erwägung einzelner Worte viel zum Verständnis des ganzen Gedankens beitragen. Zwischen gottlosem Wesen und Ungerechtigkeit unterscheiden manche in der Weise, dass sie das erstere als Frevel im Verhalten zu Gott, die zweite als Unbilligkeit im Verkehr mit den Menschen deuten. Da aber der Apostel schon im nächsten Satzgliede die Ungerechtigkeit mit der Verkehrung der Religion in Verbindung bringt, so beziehen wir beide Worte auf die gleiche Sache. „Alles gottlose Wesen“ ist dabei so viel wie das gottlose Wesen aller Menschen, welche somit ausnahmslos schuldig gesprochen werden. Die eine Undankbarkeit gegen Gott wird aber mit doppeltem Worte bezeichnet, weil diese Sünde sich nach zwei Richtungen erstreckt. Gottloses Wesen ist der Raub göttlicher Ehre. Eine Ungerechtigkeit wird dieser Frevel aber unter dem Gesichtspunkte, dass er die Gott gehörige Ehre auf sich selber überträgt. – Mit Zorn Gottes bezeichnet die Schrift nach menschlicher Sprechweise Gottes Strafe, weil wir uns den Strafenden mit erzürntem Angesicht vorzustellen pflegen. In Wirklichkeit soll Gott solche Erregung nicht zugeschrieben werden; das Wort ist nur aus der Empfindung des gestraften Sünders heraus geredet. Wenn es heißt, Gottes Zorn werde vom Himmel her offenbart, so macht uns dies sehr eindrücklich, dass wir rings um uns keine Errettung finden werden: So lang und weit der Himmel sich wölbt, ergießt sich Gottes Zorn über den ganzen Erdkreis. – Die Wahrheit Gottes ist die wahre Gotteserkenntnis. Dieselbe aufhalten heißt: Sie unterdrücken und verdunkeln, womit die Menschen gleichsam des Diebstahls bezichtigt werden. In Ungerechtigkeit ist so viel als „ungerechterweise“.

Denn was man von Gott weiß. – Damit will der Apostel bezeichnen, was von Gott zu wissen nötig und nützlich ist. Er versteht darunter alles, was zur Verherrlichung der göttlichen Ehre dient, oder anders ausgedrückt, was uns dazu bewegen muss, Gott die Ehre zu geben. Diese eigentümliche Wendung gibt zu verstehen, dass unser Verstand nicht zu fassen vermag, was Gott an sich ist; damit ist eine feste Grenze gezogen, welcher sich auch Gott in Seiner Offenbarung anpasst. Wahnsinn ist es, Gott an sich erkennen zu wollen; davon ruft uns der Heilige Geist, der Lehrer vollkommener Weisheit, zu demjenigen zurück, „was man von Gott weiß“. Wieso die Menschen das aber wissen, wird alsbald ausgeführt. Es ist offenbar in ihnen, was auch übersetzt werden kann: Unter ihnen. Da aber der Apostel von einer so eindrücklichen Offenbarung redet, der man nicht entgehen kann, so ziehen wir die erstere Übersetzung vor: Jedermann spürt, dass Gottes Offenbarung ihm ins Herz geprägt ward. Gott hat es ihnen offenbart, will sagen: Der Mensch ist geschaffen, um den Weltbau zu betrachten; er hat Augen empfangen, damit der Anblick dieses herrlichen Bildes ihn zum Schöpfer selbst führe.

Gottes unsichtbares Wesen. – An sich ist Gott unsichtbar; aber weil Seine Majestät aus allen Werken und Geschöpfen leuchtet, mussten Ihn die Menschen darin erkennen; denn das Geschöpf trägt das klare Gepräge seines Schöpfers. In diesem Sinne nennt der Apostel (Hebräer 11.3) die Welt einen Spiegel oder eine Erscheinung unsichtbarer Dinge. Was man aber von Gott erkennen kann, wird nicht im Einzelnen aufgezählt, sondern wir erfahren nur, dass es gilt, zu Gottes Kraft und Gottheit zu gelangen. Der Schöpfer aller Dinge kann nur von Ewigkeit Seinen Ursprung von sich selbst haben. Wo man dies verstanden hat, fasst man das göttliche Wesen; und dieses wiederum kann nicht ohne die einzelnen darin begriffenen göttlichen Eigenschaften gedacht werden.

Also dass sie keine Entschuldigung haben. – Hieraus lässt sich leicht abnehmen, wie viel den Menschen die allgemeine Offenbarung vermittelst der Schöpfung nützt. Dieselbe nimmt uns lediglich jede Entschuldigung in Gottes Gericht und unterwirft uns gerechter Verdammnis. Wir wollen folgenden Unterschied setzen: Diese allgemeine Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in Seinen Geschöpfen ist in Hinsicht ihres eigenen Lichtes völlig klar, in Hinsicht unserer Blindheit aber ungenügend. Aber so blind sind wir nicht, dass wir Unwissenheit vorschützen dürften und dass wir nicht unseres verkehrten Wesens überführt werden könnten. Wir haben einen Eindruck von der Gottheit empfangen und müssen daraus folgern, dass wir ihr, wie sie auch sein mag, zu dienen haben. Aber hier geht plötzlich unser Verständnis zu Ende, noch bevor wir begriffen haben, wer und wie Gott ist. Darum erkennt der Apostel (Hebräer 11.3) dem Glauben so viel Licht zu, dass er aus der Schöpfung der Welt wirklich etwas zu ersehen vermag. Mit Recht; denn nur unsere Blindheit ist schuld, dass wir das Ziel nicht erreichen. Wir sehen insoweit, dass wir keine Entschuldigung mehr haben. Diese doppelseitige Wahrheit bringt Paulus in Apostelgeschichte 14.17 zu schönem Ausdruck: Gott hat in den vergangenen Zeiten die Heiden ihre eigenen Wege in Unwissenheit wandeln lassen; und doch hat Er sich nicht unbezeugt gelassen, sondern hat vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben. Es ist also ein großer Unterschied zwischen dieser Gotteserkenntnis, welche nur so weit reicht, uns alle Entschuldigung zu nehmen und der Erkenntnis zum Heil, von welcher Christus in Johannes 17.3 redet, deren wir uns nach Jeremia 9.24 rühmen sollen.

Dieweil sie wussten, dass ein Gott ist. – Damit spricht der Apostel noch einmal deutlich aus, dass Gott aller Menschen Verständnis Seine Erkenntnis nahe gebracht hat, das heißt Er hat sich derartig in den Werken kundgetan, dass die Menschen unausweichlich erkennen müssen, was sie selbst nicht zu wissen begehrten: Es ist ein Gott. Denn die Welt kann weder durch Zufall noch aus sich selbst geworden sein. Dabei müssen wir aber stetig festhalten, was auch sofort wieder klar wird, dass diese Erkenntnis auf halbem Wege stehen bleibt. Und haben ihn nicht gepriesen als einen Gott. Man kann Gott nicht denken ohne Seine Ewigkeit, Allmacht, Weisheit, Güte, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Seine Ewigkeit folgt daraus, dass Er der Schöpfer aller Dinge ist. Seine Macht erkennt man daher, dass Er alle Dinge in Seiner Hand trägt und ihnen Bestand gibt. Seine Weisheit leuchtet aus der Ordnung der Gesetze. Seine Güte muss man erkennen, weil kein anderer Grund die Schöpfung und Erhaltung der Welt erklärt. Die Gerechtigkeit waltet in der Weltregierung, straft die Schuldigen und hilft den Unschuldigen. Die Barmherzigkeit trägt mit vieler Geduld der Menschen Verkehrtheiten. Gottes Wahrheit offenbart sich darin, dass Er unveränderlich derselbe bleibt. Wer also Gott in Seine Erkenntnis aufgenommen hat, muss Seine Ewigkeit, Weisheit, Güte und Gerechtigkeit anbetend preisen. Wenn die Menschen diese Eigenschaften Gottes nicht anerkennen, sondern stattdessen an irgendein Phantasiegebilde sich hängen, so hören sie mit Recht den Vorwurf, dass sie Gott Seiner Herrlichkeit berauben. Dabei heißt es mit vollem Rechte: Sie haben nicht gedankt. Denn sie standen alle tief in der Schuld für Gottes Wohltaten. Schon die bloße Tatsache, dass Gott sich uns geoffenbart hat, verpflichtet uns zum Dank.

Sondern sind in ihrem Dichten eitel geworden. – Das heißt, sie haben der göttlichen Wahrheit den Rücken gekehrt und sind ihren eigenen törichten Gedanken gefolgt. So konnte ihr in Finsternis verirrter, anmaßender Unverstand die Wahrheit nicht mehr fassen: Er sank immer tiefer in Irrtum und Lüge. Das ist die Folge jener Ungerechtigkeit, welche die Samenkörner der rechten Erkenntnis in ihrer Verderbtheit vernichtete, ehe sie nur aufsprießen konnten.

Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden. – Gottes Majestät in unser schwaches Begriffsvermögen zu spannen und sich Gedanken über Gott nach eigenem Sinne zu bilden, hat zu allen Zeiten bei Gelehrten und Ungelehrten als Weisheit gegolten. Der Apostel erklärt es für Anmaßung; denn die Menschen, welche in ihrer Niedrigkeit Gott die Ehre geben sollten, begannen sich selbst für weise zu halten und Gott in die eigene Niedrigkeit herabzuziehen. Den Grundsatz nämlich hält Paulus fest, dass niemand ohne eigene Schuld der wahren Anbetung Gottes fern steht. Stolze Überhebung hat Gott mit Narrheit gestraft.

Und haben verwandelt die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild gleich dem vergänglichen Menschen und der Vögel und der vierfüßigen und der kriecherischen Tiere. – Nachdem die Menschen sich eine Anschauung von Gott gebildet hatten, die ihrem fleischlichen Sinne entsprach, entfernten sie sich immer mehr von der Möglichkeit wahrer Gotteserkenntnis. Sie erdachten einen selbst gemachten und neuen Gott, ja sie setzten an Gottes Stelle ein Schattenbild. Das will der Apostel sagen, wenn er ausspricht: Sie haben Gottes Herrlichkeit verwandelt. So ist es, wie wenn ein fremdes Kind untergeschoben wird. Dabei dient nicht zur Entschuldigung, dass sie trotz allem Gott im Himmel suchen und das Holz nicht für Gott selbst, sondern nur für Sein Abbild halten. Denn gerade dies ist eine Beleidigung Gottes, dass man von Seiner Majestät so grobe Gedanken hegt und sie mit solchem Abbilde zusammen zu bringen wagt. Von dieser frechen Torheit kann kein Stand unter den Heiden freigesprochen werden; nicht die Priester, noch die Gesetzgeber und Philosophen. Unter den letzteren hat selbst der sonst so besonnene Plato die Frage nach Gottes Gestalt aufgeworfen. Dass sie alle in ihrer Verblendung Gott irgendwie figürlich darstellen wollten ist das deutlichste Merkmal ihrer groben und unsinnigen Phantasien über Gott. Zuerst haben sie Gottes Herrlichkeit in den Staub gezogen, indem sie dieselbe dem vergänglichen Menschen gleichmachten. Dies Wort „vergänglich“ setzt nicht nur der Menschen Sterblichkeit gegen Gottes Unsterblichkeit, sondern überhaupt Gottes unbefleckten Glanz gegen der Menschen niedriges Elend. Dann haben die Heiden diesen Frevel noch überboten und sind bis zu den Tieren und sogar zu deren hässlichsten Arten herabgestiegen. Noch unverhüllter kann sich die stumpfe Torheit nicht zeigen.