Römer Kapitel 1 Teil I

Römer 1.1-7

Paulus, ein Knecht Jesu Christi, berufen zum Apostel, ausgesondert, zu predigen das Evangelium Gottes, welches er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in der Heiligen Schrift, von seinem Sohn, der geboren ist von dem Samen Davids nach dem Fleisch und kräftig erwiesen als ein Sohn Gottes nach dem Geist, der da heiligt, seit der Zeit, da er auferstanden ist von den Toten, Jesus Christus, unser Herr, durch welchen wir haben empfangen Gnade und Apostelamt, unter allen Heiden den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter seinem Namen, unter welchen ihr auch seid, die da berufen sind von Jesus Christus; euch allen, die ihr zu Rom seid, den Liebsten Gottes und berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

 

Paulus. – Über den Namen Paulus würde ich am liebsten schweigen; denn die Sache ist unbedeutend, und ich kann nur wiederholen, was längst andere Ausleger vorgetragen haben. Doch da sich mit leichter Mühe auf der einen Seite die nötige Auskunft geben lässt, ohne dass wir auf der andern Seite zu umständlich werden müssten, so soll kurz diese Frage erledigt werden. Nach einer Ansicht soll der Apostel sich den Namen Paulus als ein Siegeszeichen beigelegt haben, als er den Prokonsul Sergius Paulus zu Christus bekehrte (Apostelgeschichte 13.12). Indessen zeigt der Bericht des Lukas selbst, dass der Name Paulus schon vor jener Bekehrung geläufig war (Apostelgeschichte 13.9). Ebenso wenig glaublich erscheint, dass der Apostel jenen Namen empfing, als er an Christus gläubig wurde. Diese Vermutung greifen viele wohl nur deshalb auf, weil sie erwünschte Gelegenheit zu geistreichen Bemerkungen über den stolzen Verfolger Saul bietet, der in einen geringen Jünger Christi verwandelt ward; denn „Paulus“ heißt „der Geringe“. Annehmbar erscheint dagegen die Ansicht, dass der Apostel überhaupt zwei Namen getragen habe. Es ist ganz wahrscheinlich, dass die jüdischen Eltern ihrem Sohne den Namen Saul beilegten, als ein Zeichen der Religion und der Abstammung, dass dann aber der Name Paulus hinzugefügt wurde, der durch seinen Klang an das römische Bürgerrecht (Apostelgeschichte 22.28) erinnerte. Es sollte weder die hohe Ehre dieses Bürgerrechts verloren gehen, noch sollte um desselben willen die israelitische Herkunft vergessen werden. Des Namens Paulus bedient sich aber der Apostel in seinen Briefen wohl deshalb, weil er bei den Gemeinden, an die er schrieb, bekannter und geläufiger war, weil er überhaupt im römischen Reiche einen angeseheneren Klang besaß, und umgekehrt bei seinen Stammesgenossen weniger gebraucht wurde. Denn Paulus musste darauf halten, einerseits nicht unnützen Verdacht und Hass zu erregen, der sich bei Römern und Provinzbewohnern nur zu leicht an den jüdischen Namen hängte, und andererseits die Wut seiner Stammesgenossen nicht ohne Not zu entfesseln.

Ein Knecht Jesu Christi, berufen zum Apostel, ausgesondert, zu predigen das Evangelium Gottes. – Diese Titel sollen das Gewicht der apostolischen Lehre verstärken, und zwar in doppelter Weise: Paulus ist erstens zum Apostelamt überhaupt berufen, und zweitens kann er darauf hinweisen, dass sein Amt sich auch auf die römische Gemeinde erstreckt. Paulus nennt sich also einen Diener Christi und berufen zum apostolischen Amte: Er will damit sagen, dass er hier nicht willkürlich eingebrochen ist. Weiter bezeichnet er sich als ausgesondert: Er will damit bezeugen, dass er nicht als eine beliebige Persönlichkeit aus der Volksmasse auftritt, sondern als ein ausgezeichneter Apostel des Herrn. In diesem Sinne hatte er auch den Gedankenfortschritt von dem umfassenderen Begriff „Knecht Jesu Christi“ zu der engeren Bezeichnung „Apostel“ vollzogen; denn zu den Knechten Jesu Christi zählt jeder, der ein Lehramt verwaltet; aber die Ehre des apostolischen Dienstes ragt darüber noch weit empor. Als Knecht des Herrn stellt Paulus sich mit allen Predigern auf gleiche Stufe. Mit dem Aposteltitel aber erhebt er sich über sie alle; weil aber eine geraubte Autorität nicht gelten würde, so behauptet Paulus, dass er von Gott in sein Amt gesetzt sei. Des Weiteren folgt eine genauere Beschreibung des Amtes eines Apostels: Derselbe ist dazu berufen, zu predigen das Evangelium. Die hier gemeinte Berufung darf man nun nicht auf die Erwählung zum ewigen Leben beziehen. Es handelt sich vielmehr um das apostolische Amt: Um dem Verdachte zu wehren, als habe er in persönlicher Ehrsucht seine Stellung sich angemaßt, weist der Apostel ganz einfach darauf hin, dass er durch Gott geworden sei, was er ist. Daraus können wir lernen, dass nicht jeder, der die Berufung zum ewigen Heil besitzt, damit auch schon für ein Lehramt befähigt ist. Vielmehr sollen gerade Leute, die sich für besonders geeignet halten, Sorge tragen, dass sie nicht ohne Berufung sich eindrängen. Weiter wollen wir den Finger auch darauf legen, dass eines Apostels Aufgabe die Predigt des Evangeliums ist. Dass Paulus sich als Knecht Jesu Christi bezeichnet, bezieht sich auf seine Amtsstellung und bedeutet dasselbe wie „Diener“.

Welches er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in der Heiligen Schrift. – Weil eine Lehre, die im Verdachte willkürlicher Neuerung steht, kein Ansehen gewinnen kann, so stützt der Apostel die Glaubwürdigkeit des Evangeliums durch sein Alter. Es ist, als ob er sagen wollte: Christus ist nicht plötzlich vom Himmel gefallen oder hat irgendeine unerhörte Lehrweise aufgebracht; vielmehr war er von Anbeginn der Welt samt Seinem Evangelium verheißen, und die Erwartungen richteten sich von jeher auf Ihn. Weil aber das hohe Altertum von Fabeln umgeben zu sein pflegt, werden Zeugen hinzugefügt, und zwar unanfechtbare, nämlich Gottes Propheten. Und drittens heißt es, dass deren Zeugnisse ordentlich aufgezeichnet wurden, nämlich in der Heiligen Schrift. Aus dieser Stelle lässt sich schließen, wie es um das Evangelium steht: Sie lehrt, dass dasselbe durch die Propheten uns nicht gegeben, sondern nur zuvor verheißen ward. Haben aber die Propheten das Evangelium verheißen, so folgt, dass es uns deutlich geoffenbart und geschenkt wurde erst durch das Fleisch des Herrn. Es geht also irre, wer Verheißungen und Evangelium ineinander wirrt. Denn das Evangelium ist, eigentlich geredet, die herrliche Predigt von dem geoffenbarten Christus, an welchem die Erfüllung aller Verheißung hängt.

Von seinem Sohn. – Köstlicher Spruch, der uns lehrt, dass das ganze Evangelium in Christus begriffen ist! Wer also von Christus auch nur um eines Fußes Breite zurücktritt, der weicht vom Evangelium. Christus ist des Vaters lebendiges und ausgedrücktes Bild, darum wird Er allein uns vorgestellt, an welchen unser Glaube sich halten und in welchem er bestehen soll. Wir haben hierin also eine Beschreibung des Evangeliums, die uns sagt, was in demselben als Summa begriffen wird.

Der geboren ist von dem Samen Davids nach dem Fleisch. – Zwei Stücke müssen wir an Christus suchen, um das Heil in Ihm zu finden: Gottheit und Menschheit. Die Gottheit begreift in sich Macht, Gerechtigkeit, Leben; und das alles kommt durch die Menschheit zu uns. Darum setzt der Apostel diese beiden Stücke ausdrücklich, wenn er die Summe des Evangeliums erzählt: Christus ist im Fleische erschienen, und in demselben hat Er sich als Sohn Gottes erwiesen. Ganz ebenso redet auch Johannes (1.14): Erst sagt er, dass das Wort Fleisch geworden; dann fügt er bei, in diesem Fleische sei die Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater erschienen. Dass nun der Apostel das Geschlecht und die Herkunft Christi von Seinem Stammvater David genauer anmerkt, ist nicht überflüssig: Diese Worte erinnern uns ja an die Verheißung, damit wir nicht zweifeln, Christus sei der längst verheißene Erlöser. Die dem David gewordene Weissagung war so bekannt, dass der Messias unter den Juden kurzweg Davids Sohn hieß. Dass also Christus von David abstammt, zielt auf die Gewissheit unseres Glaubens. Paulus fügt hinzu: Nach dem Fleisch. So verstehen wir, dass Christus noch Höheres besitzt als das Fleisch. Dasselbe hat Er nicht von David empfangen, sondern vom Himmel gebracht; es ist die Herrlichkeit Seines göttlichen Wesens. Mit diesen Worten behauptet Paulus nun nicht nur die wirkliche Fleischesnatur Christi, sondern er macht auch einen klaren Unterschied zwischen Christi menschlicher und göttlicher Natur.

Und kräftig erwiesen als ein Sohn Gottes nach dem Geist, der da heiligt, seit der Zeit, da er auferstanden ist von den Toten, Jesus Christus, unser Herr. – Statt „erwiesen“ kann man vielleicht noch besser sagen „eingesetzt“. Es ist, als wolle der Apostel sagen: Die Auferstehung wirkt wie ein göttlicher Beschluss, dass dieser Mensch fortan als Gottes Sohn erkannt und geehrt werden solle. So heißt es in Psalm 2.7: „Heute habe ich dich gezeugt“. Denn jene Zeugung besteht darin, dass Gottes Sohn nun aller Welt bekannt wird. Christus ist als Sohn Gottes eingesetzt, als Seine Auferstehung von den Toten Seine wahrhaft himmlische, das heißt Seine Geisteskraft, öffentlich kundtat. Und diese Kraft wird in der Welt begriffen, wenn derselbe Geist sie den Herzen versiegelt. Mit diesem Verständnis stimmt gut auch das Wort zusammen, welches wir bisher noch übergangen haben: Christus ward kräftig erwiesen als ein Sohn Gottes. Gottes eigne Kraft strahlte in Ihm wieder und bewies unzweifelhaft Sein göttliches Wesen. Sie erschien aber in Seiner Auferstehung. So rühmt derselbe Paulus an einer andern Stelle (2. Korinther 13.4), wo er ausspricht, dass die Schwachheit des Fleisches im Tode Christi offenbar geworden ist, die Kraft des Geistes aber in Seiner Auferstehung. Uns aber wird solche Herrlichkeit nicht anders bekannt, als wenn derselbe Geist sie unsern Herzen versiegelt. Dass aber Paulus mit der wunderbaren Geisteswirkung, welche der Herr durch Seine Auferstehung bewies, auch das Zeugnis zusammenfasst, welches jeder Gläubige in seinem Herzen empfindet, dafür steht sein ausdrücklicher Hinweis auf die Heiligung ein. Der Geist, der da heiligt (das heißt, der uns zu Gottes heiliger Offenbarung hinführt) bestätigt und befestigt jenen Beweis Seiner Kraft, den Er einst in Jesu Auferstehung gab. Die Schrift pflegt auch sonst die genauere Benennung des Heiligen Geistes dem grade gegebenen Zusammenhange anzupassen. So nennt der Herr den Heiligen Geist den Geist der Wahrheit, wenn Er davon spricht, dass derselbe die Jünger in alle Wahrheit leiten soll (Johannes 14.17; 16.13). – Dass in Christi Auferstehung Seine göttliche Macht erschienen ist, lässt sich deshalb sagen, weil der Herr durch Seine eigne Kraft von den Toten erstand, wie Er selbst bezeugt hat (Johannes 2.19; 10.18): „Brechet diesen Tempel, und am dritten Tage will ich ihn aufrichten.“ „Niemand nimmt mein Leben von mir … Ich habe Macht, es wieder zu nehmen.“ Denn aus dem Tode, dem Er um der Schwachheit des Fleisches willen gewichen war, hat Ihn nicht fremde Hilfe gerissen, sondern die Wirkungskraft Seines vom Himmel stammenden Geistes.

Durch welchen wir haben empfangen Gnade und Apostelamt. – Nachdem der Apostel die Beschreibung des Evangeliums beendet hat (die er einschieben musste, um die Bedeutung seines Amtes zu erklären), lenkt er zu seiner eigenen Berufung zurück, von welcher die Römer zu überzeugen ihm hoch anlag. Er nennt gesondert Gnade und Apostelamt. Diese nachdrückliche Zerteilung der Worte besagt doch nichts anderes als „das aus Gnaden geschenkte Apostelamt“. Paulus deutet damit an, dass er die Aufnahme in diesen Kreis nicht der eigenen Würdigkeit, sondern ganz der göttlichen Gnade verdanke. Erscheint auch das Apostelamt wegen seiner Kämpfe, Mühen, Verfolgungen und Verachtung in der Welt nicht begehrenswert, vor Gott und Seinen Heiligen ist seine Würde übergroß geachtet. Mit Recht gilt es demgemäß als eine Gnade, ein Apostel sein zu dürfen. – Unter seinem Namen. Wörtlich: Für seinen Namen. Dies deuten viele nach 2. Korinther 5.20: Die Apostel sind Boten für Christus, an Christi statt; sie predigen das Evangelium in oder unter Seinem Namen. Besser werden wir bei dem Namen Christi daran denken, dass Christus den Menschen bekannt gemacht werden soll; wird doch das Evangelium gepredigt, damit wir glauben an den Namen des Sohnes Gottes (1. Johannes 3.23). Und Paulus selbst heißt ein dazu auserwähltes Rüstzeug, dass er den Namen Christi zu den Heiden trage (Apostelgeschichte 9.15). „Für den Namen“ heißt also: Zur Ausbreitung des Namens.

Den Gehorsam des Glaubens aufzurichten. – Das ist: Wir haben Befehl empfangen, das Evangelium zu allen Heiden zu bringen, und sie sollen demselben durch den Glauben gehorchen. Indem der Apostel den Zweck seines Berufes beschreibt, erinnert er die Römer zugleich an ihre Pflicht. Es ist, als ob er spräche: Mir steht es zu, das mir befohlene Amt auszurichten, das heißt das Wort zu verkündigen; an euch ist es, dem Worte in allem Gehorsam zu lauschen, wenn anders ihr nicht den Beruf, welchen Gott mir gegeben, vereiteln wollt. Daraus schließen wir, dass der Herrschaft Gottes freventlich widersteht und deren ganze Ordnung verkehrt, wer die Predigt des Evangeliums unehrerbietig und verächtlich von sich stößt, deren Zweck doch ist, uns im Gehorsam dem Herrn zu unterwerfen. Hier lässt sich auch das Wesen des Glaubens erkennen; derselbe heißt Gehorsam, weil wir dem Gott, welcher uns durch das Evangelium zu sich ruft, durch den Glauben die rechte folgsame Antwort geben. Umgekehrt ist das Hauptstück aller Auflehnung gegen Gott der Unglaube. Hier ist also nicht wie Apostelgeschichte 6.7 bloß vom Gehorsam gegen den Glauben, sondern ganz eigentlich von dem Gehorsam gegen das Evangelium die Rede, welcher im Glauben besteht.

Unter allen Heiden…, unter welchen ihr auch seid. – Es reichte nicht hin, von der Berufung des Paulus zum Apostelamt zu sprechen, sein Dienst bezog sich auch auf bestimmte Jünger. Darum fügt er hinzu, dass sein Amt sich auf alle Heiden erstrecke. Und alsbald nennt er sich noch deutlicher den Apostel der Römer, indem er sagt, dass auch sie zur Zahl der Heiden gehören, zu deren Prediger er bestellt ward. Allen Aposteln ist der Auftrag gemein, das Evangelium in der ganzen Welt zu predigen. Dadurch unterscheiden sie sich von den Hirten und Bischöfen (das heißt Pastoren und Ältesten), die an bestimmte Gemeinden gebunden sind. Dem Paulus aber war neben dem allgemeinen Bereich des apostolischen Amtes durch besondere Weisung Recht und Pflicht der Heidenmission übertragen.

Die da berufen sind von Jesus Christus.Berufene Jesu Christi: Diese Benennung fügt einen näheren Grund für den Anspruch des Apostels hinzu; Gott hatte bereits den gläubigen Römern ein Zeichen durch ihre Berufung gegeben, dass Er ihnen Gemeinschaft am Evangelium schenken wolle. Sollte diese Berufung Bestand behalten, so durften sie den Dienst des Paulus nicht abweisen, welcher doch durch die gleiche Erwählung Gottes zum Dienste bestellt war. Ich verstehe also dieses Satzglied „Berufene Jesu Christi“ als eine genauere Erklärung: Unter den Heiden seid auch ihr, als Berufene, und zwar Jesu Christi. Der Apostel will sagen: Durch ihre Berufung sind sie Glieder Christi geworden. Denn in Christus wurden vom himmlischen Vater zu Kindern erwählt, die das ewige Leben erben sollen, aber die so Erwählten werden auch dem Schutze und der Treue Christi als ihres Hirten anbefohlen.

Euch allen, die ihr zu Rom seid, den Liebsten Gottes und berufenen Heiligen. – Hier steht in schöner Ordnung verzeichnet, was an uns des Rühmens wert ist. Zuerst: Gott hat uns durch Seine Güte und Liebe zu Gnaden angenommen. Zweitens: Er hat uns berufen. Endlich: Er hat uns zur Heiligkeit angenommen. Dies letzte findet statt, wenn wir unserer Berufung uns nicht entziehen. In dem allen wird uns eine überaus inhaltreiche Lehre dargeboten, die ich nur kurz anrühren und im Übrigen dem Nachdenken jedes Lesers überlassen will. An uns findet Paulus nichts Lobenswertes, worauf er das Heil gründen könnte. Er leitet es vielmehr aus dem Quell der freien Vaterliebe Gottes allein ab. Darin steht der Anfang, dass Gott uns liebt. Was aber wäre dieser Liebe Grund, als allein Gottes Güte? Von ihr hängt auch die Berufung ab, mit welcher Gott die Annahme zur Kindschaft bei denjenigen, die Er sich zuvor frei erwählt hat, zur gegebenen Zeit versiegelt. Übrigens schließen wir auch aus dieser Wahrheit, dass niemand sich zur Zahl der wahrhaft Gläubigen rechnen darf, wenn er nicht gewisslich vertraut, dass Gott ihm, dem elenden Sünder, ohne Verdienst gnädig sei, und wenn er nicht, durch Gottes Güte erweckt, sich der Heiligkeit entgegenstreckt. Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligung (1. Thessalonicher 4.7).

Da der griechische Text an die zweite Person zu denken erlaubt, so sehe ich keinen Grund, jetzt in die dritte Person überzuspringen und etwa zu übersetzen: allen, die zu Rom sind.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! – Nichts Besseres lässt sich wünschen, als dass wir eine gnädigen Gott haben, darauf deutet die „Gnade“. In zweiter Linie scheint wünschenswert, dass uns von Ihm Segen und Gelingen in allen Dingen zufließe, dies bedeutet der „Friede“. Denn, wie glücklich auch alles stehen mag, wenn Gott sich wider uns kehrt, so wird auch der Segen in Fluch verwandelt. So ist das einzige Fundament unseres Glücks Gottes Wohlwollen, dieses allein schafft, dass wir wahre und bleibende Freude genießen, und dass auch durch widriges Geschickt unser Heil gefördert wird. Daraus aber, dass der Friede vom Herrn erbeten wird, merken wir, dass alles Gute, das wir erfahren, dem Wohltun Gottes als rechte Frucht entsprießt. Auch das dürfen wir nicht übergehen, dass die Bitte um diese Güter sich zugleich an den Herrn Jesus richtet. Solche Ehre gebührt Ihm, welcher nicht bloß das göttliche Erbarmen uns eröffnet und austeilt, sondern welcher in allen Dingen an der Regierung des Vaters teil halt. Recht eigentlich will der Apostel zu verstehen geben, dass alle Wohltaten Gottes uns durch Christus zufließen. – Bei dem Worte „Friede“ denken manche lieber an die Ruhe des Gewissens. Ich leugne nicht, dass dieser Sinn zuweilen in dem Worte liegen kann. Da aber der Apostel hier ohne Zweifel uns die Fülle aller Güter vorstellen will, so erscheint die oben vorgetragene, von Bucer entlehnte Auffassung weit passender. Der Apostel will den Frommen die Fülle des Segens wünschen, so wendet er sich an Gottes Gnade als an die letzte Quelle; diese aber spendet uns nicht bloß ewiges Heil, sie ist die Ursache aller Güter auch in diesem Leben.