Philipper Kapitel 1 Teil VI

Philipper 1.27-30

Wandelt nun würdiglich dem Evangelium Christi, auf dass, ob ich komme und sehe euch, oder abwesend von euch höre, ihr stehet in Einem Geist und in Einer Seele, und samt uns kämpfet kraft des Glaubens des Evangeliums, und euch in keinem Weg erschrecken lasset von den Widersachern, welches ist ein Anzeichen, ihnen der Verdammnis, euch aber der Seligkeit, und dasselbige von Gott. Denn euch ist gegeben, um Christi willen zu tun, dass ihr nicht allein an ihn glaubet, sondern auch um seinetwillen leidet, und habet denselbigen Kampf, welchen ihr an mir gesehen habt, und nun von mir höret.

 

Wandelt nun würdiglich dem Evangelium. – Diese Worte bilden den Übergang zu etwas Neuem. Paulus will sagen: „Nun, für mich wird Gott sorgen, ihr aber wandelt usw. Was mich auch treffen mag, fahrt unter allen Umständen fort, richtig zu wandeln!“ Wenn übrigens ein sittenreines Verhalten als ein des Evangeliums würdiger Wandel bezeichnet wird, so liegt darin ein versteckter Hinweis, dass Leute, die anders wandeln, dem Evangelium eine Schmach antun.

Steht in Einem Geist und in Einer Seele. – Das ist eine der größten Tugenden der Gemeinde, und das einzige Mittel, die Gemeinde in einem guten Stande zu erhalten, während sie durch Uneinigkeit zerfällt. Zunächst will Paulus durch diese Ermahnung seine Leser gegen neue und fremde Lehren schützen. Aber er hat zugleich die innere Erbauung der Gemeinde im Auge. Er drängt auf eine doppelte Einigkeit, nämlich eine Einigkeit des Geistes und der Seele. Die Hauptsache ist, dass wir in unseren Ansichten übereinstimmen, dazu muss aber hinzukommen, dass wir auch in unserem Herzen eins sind. Dies wollen die beiden Worte in ihrer Vereinigung besagen; dabei bezieht sich der Ausdruck „Geist“ auf die Erkenntnis, „Seele“ auf den Willen. Eine Einigkeit des Willens kann ja nur auf Einigkeit der Überzeugung ruhen.

Und samt uns kämpft kraft des Glaubens des Evangeliums. – Das ist das stärkste Band der Einigkeit, wenn wir unter derselben Fahne kämpfen müssen, denn dieser Umstand verbindet oft auch die größten Feinde. Daher erinnert Paulus die Philipper zur Stärkung der Einigkeit, dass sie Mitstreiter sind. Leute, die denselben Feind zu bekämpfen und denselben Krieg zu führen haben, müssen sich im Geiste zu einer heiligen Kameradschaft vereinigen. Zu übersetzen ist übrigens schwerlich: „für den Glauben“, so dass wir aufgerufen würden, dem Evangelium Beistand zu leisten, sondern: „kraft des Glaubens“. Der Glaube an das Evangelium ist als die gemeinsame Waffe gedacht, welche die Gläubigen gegen den Feind gebrauchen sollen. Welch wirksamer Trieb zur Eintracht liegt in dieser Mahnung zu gemeinsamem Kampfe! Weiter können wir hier lernen, dass im geistlichen Kampfe eben der Glaube der Schild ist, welcher uns deckt, um die Angriffe des Feindes abzuschlagen. Ja, der Glaube ist unsere volle Waffenrüstung und unser Sieg. Welch herrliches Ziel frommer Vereinigung! Vereinigen sich die Gottlosen zum Bösen und somit zu einem Fluch-würdigen Bunde, so kämpfen wir einmütig unter dem Banner des Glaubens.

Und euch in keinem Weg erschrecken lasst. – Das zweite, was Paulus den Philippern empfiehlt, ist eine Tapferkeit des Gemüts, die sich durch keine Wut der Feinde erschrecken lässt. Damals wüteten fast überall die schrecklichsten Verfolgungen gegen die Christen, weil Satan seine ganze Macht einsetzte, um das Aufkommen des Evangeliums zu unterdrücken. Und er wütete umso heftiger, je mehr Christus die Gnade Seines Geistes offenbarte. Das alles schwebt dem Apostel bei seiner Mahnung zu standhafter Unerschrockenheit vor.

Welches ist ein Anzeichen, ihnen der Verdammnis, euch aber der Seligkeit. – Wenn die Gottlosen gegen Gott Krieg führen, so ist das schon ein Vorzeichen ihres Unterganges, und je mehr sie gegen die Frommen wüten, umso rascher eilen sie ihrem Verderben entgegen. Umgekehrt dürfen die Heiligen die Verfolgungen, welche sie von den Gottlosen erdulden, nicht zwar für den Grund ihres Heils (was die Schrift nirgends lehrt), wohl aber für ein hoch tröstliches Anzeichen dafür ansehen, dass Gott sie ihrem Heil entgegenführt (siehe 2. Thessalonicher 1.5). Solche Verfolgungen sind für die Kinder Gottes Siegel ihres Kindesstandes; freilich nur, wenn sie dieselben tapfer und mit Gleichmut tragen. Dagegen für die Gottlosen sind sie ein Zeugnis ihrer Verdammnis, weil sie an den Stein anstoßen, der sie zermalmen wird.

Und dasselbige von Gott. – So spricht der Apostel mit Beschränkung auf das zweite Satzglied, um durch die Empfindung der göttlichen Gnade des Kreuzes Bitterkeit zu lindern. Von Natur sieht niemand in dem Kreuze ein Zeichen und eine Offenbarung seiner Seligkeit; denn Seligkeit und Kreuz scheinen ausschließende Gegensätze zu sein. Darum gibt Paulus den Philippern einen anderen Gesichtspunkt und sagt: Gottes Segen wandelt in eine Stufe zum Heil, was sonst für uns nur Unglück scheint. Er beweist dies durch folgenden Schluss: Das ihr das Kreuz zu tragen habt, ist eine Gabe Gottes, nun aber sind alle Gaben Gottes ohne Zweifel heilsam (Vers 29): Euch ist gegeben, dass ihr nicht allein an Christum glaubt, sondern auch um seinetwillen leidet. Also sind gerade die Leiden für euch ein Zeugnis der göttlichen Gnade und somit ein Unterpfand eurer Seligkeit. Wenn diese Überzeugung unserem Herzen fest eingeprägt wäre, dass auch Verfolgungen zu Gottes Wohltaten zählen – welchen Fortschritt in der Lehre der Frömmigkeit würde das bedeuten! Oder wäre es nicht gewisslich die höchste Ehre, deren Gottes Gnade uns würdigen kann, wenn wir um Seines Namens willen Schmach, Kerker, Sorgen, Folter, ja selbst den Tod erdulden? Dabei gerade schmückt uns Gott mit Seinen Ehrenzeichen. Aber man wird mehr Menschen finden, die Gott mit solchen Gaben von sich weisen, als die das vorgehaltene Kreuz mit dankbarem Herzen umfassen. Daher wehe über unsere Gleichgültigkeit! Mit Vorbedacht setzt Paulus eine unlösbare Verbindung zwischen Glaube und Kreuz. Die Philipper sollen wissen, dass sie unter keiner anderen Bedingung zum Glauben an Christus berufen wurden, als dass sie um seines Namens willen Verfolgungen zu erdulden haben. So gibt er ihnen zu verstehen, dass ihr Kindesstand so wenig vom Kreuz sich trennen lässt, als man Christum von sich selbst losreißen kann. – Übrigens bezeugt Paulus hier klar und deutlich, dass sowohl der Glaube als die Standhaftigkeit in der Verfolgung Gnadengaben Gottes sind. Und gewiss ist die Weisheit Gottes zu hoch, als dass wir sie mit der Schärfe unseres eigenen Geistes erfassen könnten. Und von unserer Schwäche überzeugt uns die tägliche Erfahrung, wenn Gott auch nur für einen Augenblick Seine Hand von uns zieht. Um es jedoch noch bestimmter auszudrücken, dass beides ein Werk der Gnade ist, sagt Paulus ausdrücklich, dass es uns um Christi willen geschenkt ward. Damit schließt er jeden Gedanken an Verdienst aus. So streitet diese Aussage auch wider die römische Kirchenlehre, welche die späteren Gnadengaben als Lohn dafür ansieht, dass wir die früheren Gaben in verdienstlicher Weise recht gebraucht hätten. Ich leugne zwar nicht, dass Gott den rechten Gebrauch Seiner Gnadengaben belohnt durch Vermehrung Seiner Gnadengaben. Aber wir dürfen unser Verdienst nicht der freien Gnade Christi und Seinem Verdienste gegenüber stellen, wie jene es tun.

Und habet denselbigen Kampf. – Durch sein eigenes Beispiel bestätigt der Apostel seine Aussage. Das gibt seiner Lehre erst völliges Gewicht. Zugleich empfangen die Leser damit eine Erinnerung, dass des Apostels Bande sie nicht irrezumachen brauchen, wenn sie nur auf das Ende des Kampfes sehen.