KOLOSSER

Kolosser Kapitel 2 Teil III

Kolosser 2.8-12

Sehet zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen, und nicht nach Christo. Denn in ihm wohnet die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid vollkommen in ihm, welcher ist das Haupt aller Fürstentümer und Obrigkeit; in welchem ihr auch beschnitten seid mit der Beschneidung ohne Hände, durch Ablegung des sündlichen Leibes im Fleisch, nämlich mit der Beschneidung Christi, in dem, dass ihr mit ihm begraben seid durch die Taufe; in welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirket, welcher ihn auferweckt hat von den Toten.

 

Sehet zu, dass euch niemand beraube. – Nun sagt der Apostel, gegen welches Gift das von ihm gegebene Gegengift Anwendung finden soll. Denn wenn es auch ein allgemeines Heilmittel ist wider allen Betrug des Teufels, so sollte es doch damals bei den Kolossern in ganz bestimmter Richtung wirken. Sehet zu, sagt er, dass euch niemand beraube. Er braucht hier ein ganz besonders passendes Wort, indem er auf die Räuber anspielt, die, wo sie mit Gewalt die Herde nicht rauben können, mit List die einzelnen Schafe wegtreiben. So wird die Gemeinde als die Schafhürde Christi gedacht; deren Umzäunung bildet die reine Lehre des Evangeliums. Wir also, die wir Christi Schafe sind, ruhen an sicherem Ort, wenn wir die Einheit des Glaubens festhalten; die falschen Apostel aber gleichen den Räubern, die uns dem Stalle entführen. Willst du also zur Herde Christi gerechnet werden, willst Du in ihrem Stalle bleiben? Dann weiche nicht einen Finger breit ab von der reinen Lehre! Christus wird sicherlich das Amt des guten Hirten an uns ausüben und uns schützen, wenn wir nur Seine Stimme hören, der fremden Stimme aber verachten. Übrigens mag das 10. Kapitel des Johannes-Evangeliums zur weiteren Auslegung dieser Stelle dienen.

Durch die Philosophie. – Weil viele fälschlich gemeint haben, Paulus verdamme hier die Philosophie überhaupt, müssen wir klarstellen, was er mit diesem Worte meint. Meines Erachtens versteht er darunter alles, was die Menschen aus sich selbst ersinnen, wenn sie nach ihrem eigenen Sinn weise sein wollen, wobei man dann mit einem scheinbaren Glanze besonderer Weisheit zu prunken pflegt. Denn solche Erdichtungen, die sich selbst nicht empfehlen, zurückzuweisen, ist nicht der Mühe wert, wohl aber solche, die durch den trügerischen Schein der Weisheit die Sinne blenden. Mit einem Worte: „Philosophie“ ist hier nichts anderes als die Überredung, die mit schönen und einleuchtenden Gründen sich in die Herzen der Menschen einschmeichelt. Damit werden freilich alle philosophischen Spitzfindigkeiten getroffen, die aus dem Eigenen dem Worte Gottes etwas hinzufügen wollen. Es wird nichts zustande kommen, als eine Verkehrung der Lehre des Geistes, wenn man den Glauben an Christus mit philosophischen Spekulationen untermischt. Vergessen wir aber nicht, dass Paulus unter dem Namen Philosophie nur alle falschen Lehren verdammt, die aus des Menschen eigenen Kopfe stammen, wie vernünftig sie auch scheinen mögen. Darum spricht er in erklärendem Zusatz weiter von einer losen Verführung nach der Menschen Lehre. So wissen wir, welche Philosophie verurteilt werden soll. Lose oder hohl heißt sie aus einem doppelten Grunde, weil sie sich nicht nach Christus, sondern nach dem Belieben der Menschen richtet, und weil sie in den Satzungen oder Elementen der Welt gegründet ist. So steht Christus im Gegensatz sowohl zu den Satzungen der Welt als zu der Menschen Lehre, woraus sich ergibt, dass alles, was im Gehirn der Menschen ersonnen ist, mit Christus nicht übereinstimmt: Dieser ist der einzige, vom Vater uns verordnete Lehrer, der uns in der Einfalt Seines Evangeliums erhalten will. Dieser aber wird schon durch ein wenig Sauerteig von Menschenlehre verderbt. Als Christus fremdartig erscheinen gleicherweise auch der Welt Satzungen, das heißt solche Lehren, welche die Verehrung Gottes in äußeren, weltlichen Dingen bestehen lassen, während uns doch Christus Gott im Geiste und durch den Geist anbeten lehrt. Während Christus uns geradewegs zu sich ruft, verstricken jene der Menschen Sinne in eiteln und nichtswürdigen Dingen. Dass unter den „Elementen der Welt“ – so lautet der Ausdruck buchstäblich – die Zeremonien verstanden werden sollen, ergibt das sich anschließende Beispiel der Beschneidung (Vers 11). Was aber den Ausdruck angeht, so denken die einen an „elementare“ Satzungen und Lehren, die nicht zu vollkommener Erkenntnis führen, andere dagegen im eigentlichen Sinne an „Elementarstoffe“, also an äußerliche und vergängliche Dinge, welche mit dem Reiche Gottes nichts zu schaffen haben. Die erste Auffassung, wie sie auch in unserer Übersetzung Ausdruck findet, dürfte den Vorzug verdienen (vergleiche hierzu Galater 4.3).

Denn in ihm wohnet die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. – Damit wird begründet, warum sich jene „Elemente der Welt“ oder weltlich äußerlichen Satzungen und Menschen-Überlieferungen mit Christus nicht reimen. Fügt man sie doch zur christlichen Lehre hinzu, um einen angeblichen Mangel zu ersetzen. Nun aber ist in Christus die Vollkommenheit, der nichts hinzugetan werden kann. Also was immer Menschen von sich aus hinzutun, streitet wider Christi Wesen, weil es Ihn der Unvollkommenheit beschuldigt. Dieser eine Grund widerlegt auch alle Menschenpfündlein Roms. Denn Paulus redet nicht von einem eingebildeten, sondern von einem gepredigten Christus, der sich durch Seine gewisse, keiner Vervollständigung bedürfende Lehre geoffenbart hat. – Wohnt in Christus die ganze Fülle der Gottheit, so heißt das nichts anderes, als dass man in Ihm Gott ganz und unverkürzt findet. Mit Christus allein sich nicht zufrieden geben heißt also etwas Besseres und Größeres suchen als Gott; kurz: Gott hat sich uns in Christus völlig und tatsächlich mitgeteilt, denn Er wohnt leibhaftig, das heißt Seinem Wesen nach, in Ihm. So erhebt sich die Offenbarung Gottes in Christus über alle anderen, die je geschehen sind. Mag sich Gott noch so oft den Menschen erschlossen haben, so waren dies doch immer nur beschränkte Offenbarungen, in Christus aber gab Er sich ganz. Sonst hat Er sich in Bildern oder in Seiner Kraft und Gnade offenbart; in Christus aber ist Er uns in Seinem ganzen Wesen erschienen. So wird zur Wahrheit (1. Johannes 2.23): Wer den Sohn hat, der hat auch den Vater. Denn wer Christus besitzt, hat Gott in Wahrheit bei sich und genießt Ihn im innersten Herzen.

Und ihr seid vollkommen in ihm. – Dass das vollkommene Wesen der Gottheit in Christus ist, bringt uns den Segen, dass auch wir in Ihm vollkommen sind. Weil der ganze Gott in Christus wohnt, so besitzt, wer Ihn erlangt hat, in Ihm die wirkliche Vollkommenheit. Die mit Christus allein sich nicht begnügen, beleidigen Gott zwiefach; denn sie verkleinern nicht nur Seine Herrlichkeit, indem sie etwas begehren, das vollkommender wäre als Gott selbst, sondern sie zeigen sich auch noch undankbar, weil sie anderswo suchen, was sie schon in Christus haben. Paulus meint aber nicht, dass die Vollkommenheit Christi uns sozusagen eingegossen werde, vielmehr finden wir ins Christus selbst, was unsere Vollkommenheit ausmacht und allen unseren Mangel deckt.

Welcher ist das Haupt aller Fürstentümer und Obrigkeit. – Dieser Zusatz will uns lehren, dass auch die Engel unser sind, wenn wir Christus haben. Doch davon nachher. Einstweilen halten wir fest, dass uns ringsum Schranken gezogen werden, damit unser Glaube sich auch nicht im Geringsten von Christus entferne.

In welchem ihr auch beschnitten seid. – Hier kämpft Paulus offenbargegen die falschen Apostel, die mit dem Evangelium das Gesetz vermengten und so einen zweigestaltigen Christus dichteten. Indem er ein Beispiel ihres Zeremoniendienstes herausgreift, zeigt er, dass die gesetzliche Beschneidung nicht nur überflüssig, sondern Christus zuwider ist, weil sie die durch Christus uns zuteil gewordene geistliche Beschneidung aufhebt. Denn die Beschneidung ist den Vätern dazu gegeben worden, ihnen ein Abbild eines noch nicht vorhandenen zu sein, wer also nach Christis Ankunft an jenem Bilde festhält, bestreitet damit, dass Christus in Wahrheit umgesetzt hat, was das Bild nur anschaulich vor Augen stellte. Leibliche und geistliche Beschneidung verhalten sich wie Bild und Sache. An das Bild hält man sich, solange man die Sache selbst nicht haben kann, will man es aber festhalten, auch wenn die Sache vorhanden ist, so ist dies ein Zeichen, das man sie nicht anerkennt. Weil also in Christus vollendet ist, was durch die Beschneidung, die mit der Hand geschieht, nur angekündigt und abgebildet wurde, gewährt sie nun keinen Nutzen und soll nicht mehr vollzogen werden. Die Beschneidung Christi geschieht am Herzen, darum muss vor ihr das Schattenwerk der auswendigen Beschneidung schwinden.

Durch Ablegung des sündlichen Leibes, der im Fleisch besteht. Dabei haben wir unter „Fleisch“ nach einem geläufigen Sprachgebrauch des Apostels (zum Beispiel Römer 7.18) die ganze verderbte Natur zu verstehen. So ergibt sich ein anschauliches Bild: Etwas wie ein Leib, dessen Stoff gewissermaßen durch und durch Sünde und Verderbnis ist, hat sich gebildet und umgibt uns, ganz wie unser stofflicher Leib sie umgibt. Und wie dieser aus verschiedenen Gliedern besteht, deren jedem seine eigene Aufgabe zufällt, so wirkt auch jede einzelne Sünde als ein Glied jener Sündenmasse, die mit einem Leibe verglichen wird. Ganz ähnlich ist in Römer 6.6 vom sündlichen Leibe, wörtlich vom „Leib der Sünde“ die Rede. Gemeint ist der alte Mensch mit allen seinen Werken. Die Ablegung des sündlichen Leibes im Fleisch erlangen wir nun durch Christus, wie die ganze Wiedergeburt Seine Gnadengabe ist. Er ist’s, der die Vorhaut unseres Herzens beschneidet, das heißt, der alle Begierden des Fleisches tötet, nicht mit der Hand, sondern durch Seinen Geist. In Ihm ist also die Wirklichkeit des Abbildes tatsächlich vorhanden.

In dem, dass ihr mit ihm begraben seid durch die Taufe. – Damit empfangen wir eine genauere Erklärung darüber, worin die geistliche Beschneidung besteht: Genossen des Todes Christi sind wir, weil wir mit Ihm begraben wurden. Ausdrücklich lehrt der Apostel, dass dies durch die Taufe geschieht, so wird vollends deutlich, dass unter Christi Herrschaft für die Beschneidung kein Raum mehr bleibt. Es könnte nämlich sonst jemand einwerfen: Warum schaffst du die Beschneidung unter dem Vorwande ab, dass ihre wahre Wirkung in Christus sei? War nicht auch Abraham geistlicherweise beschnitten? Und doch hat er der Sache auch das Zeichen hinzugefügt. Die äußerliche Beschneidung ist also nicht überflüssig, wenn auch durch Christus die innerliche dazukommt. Solchen Einwand schneidet Paulus durch seinen Hinweis auf die Taufe ab. Die geistliche Beschneidung, sagt er, vollzieht Christus nicht vermittelt jenes alten Zeichens, dass unter Mose gegolten hat, sondern durch die Taufe. Die Taufe ist also das Zeichen des wirklich dargereichten Heilsgutes, während die Beschneidung das erst zukünftige abbildet. Wer nun die Beschneidung beibehält, stößt die von Gott gesetzte Ordnung um. – Mit Christus begraben werden sagt mehr, als mit Ihm gekreuzigt werden, denn es drückt die abschließende Folge des Todes aus. Diese Wirkung wird (ganz ebenso wie in Römer 6.4) der Taufe zugeschrieben, wie es denn überhaupt die Weise des Apostels ist, mit dem Sakramente seine Wirkung zusammenzudenken, damit wir nicht ein leeres Zeichen ohne tatsächlichen Inhalt kommen. Durch die Taufe werden wir also mit Christus begraben, weil Christus die Tötung, die Er in derselben abbildet, zugleich in der Tat ausführt, so dass Zeichen und Sache zusammen sind.

In welchem ihr auch seid auferstanden. – Die Gnade, welche wir in Christus erlangen, übertrifft weit die Beschneidung. Wir werden nicht nur in den Tod Christi eingepflanzt, sondern wir stehen auch mit Ihm auf zu einem neuen Leben; umso mehr ist es eine Beleidigung Christi, wenn man bei Gläubigen zur Beschneidung zurückzuführen trachtet. Auferstanden sind wir durch den Glauben, denn durch ihn empfangen wir in der Tat, was uns in der Taufe angeboten wird. Aber durch welchen Glauben? Durch den Glauben an die Wirkung Gottes. So steht der Glaube auf Gottes Kraft. Aber er begnügt sich nicht mit einer allgemeinen und unbestimmten Betrachtung der Macht Gottes, vielmehr sagt uns der Apostel ausdrücklich, dass es gilt, die Wirkung Gottes anzuschauen, vermöge welcher Er Christus auferweckt hat von den Toten. Dabei wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass auch die Gläubigen, die ja untrennbar an ihrem Haupte hängen, dieselbe Gotteswirkung, die sich an Christus erwiesen hat, reichlich erfahren [somit erkennt Calvin die Übersetzung Luthers (der Glaube, den Gott wirkt) sachlich als richtig an. Den vorliegenden Ausdruck übersetzt er aber dem griechischen Texte genauer entsprechend: Glaube an die Wirkung Gottes]. Der Glaube ist in Gottes Kraft gegründet. Aber weil der Glaube nicht in einer verschwommenen Betrachtung der göttlichen Macht sich ergeht, sagt Paulus, welche Wirkung Gottes er im Auge halten müsse, nämlich die, nach welcher er Christus von den Toten auferweckt hat. Er stellt also ohne allen Zweifel fest, dass, weil die Gläubigen unmöglich von ihrem Haupte getrennt werden können, dieselbe Kraft Gottes, die sich an Christus erwiesen hat, auch an ihnen allen gleicherweise sich bestätigt.