Kolosser Kapitel 1 Teil III

Kolosser 1.12-17

Und danksaget dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht; welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis, und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden; welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor allen Kreaturen. Denn durch ihn ist alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, es seien Thronen oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Obrigkeit: es ist alles durch ihn und in ihm geschaffen. Und er ist vor allen, und es besteht alles in ihm.

 

Indem ihr danksaget. – Paulus kommt wieder aufs Danken zu sprechen, um bei dieser Gelegenheit den Kolossern alle die Wohltaten vorzuhalten, deren sie durch Christus teilhaftig geworden sind. Damit beginnt er seine Beschreibung der Fülle Christi. Das nämlich war das einzige Schutzmittel für die Kolosser wider alle Hinterlist der falschen Apostel, recht zu fassen, wer und was Christus sei. Denn nur dann werden wir vor all den mancherlei Lehren hin und her getrieben, wenn wir Christi Kraft und Herrlichkeit nicht recht erkannt haben. Christus allein macht alles andere gar bald zunichte. Darum ist Satan auf nichts mehr bedacht als durch allerlei Nebel Christus zu Verdunkeln; denn er weiß, dass dann allen Lügen Tür und Tor offen steht. Um also die reine Lehre ebensowohl festzuhalten, als wieder hell auf den Leuchter zu stellen, gilt es nur, Christus mit allen Seinen Gütern vor die Augen zu malen, damit man in Wahrheit Seine Kraft erfahre. Um nichts anderes handelt es sich hier – auch Roms Irrlehren gegenüber – als dass wir wissen: Christus ist Anfang, Mitte und Ende, aus Seiner Fülle allein ist alles Heil zu nehmen, und außer Ihm gibt es nichts und kann nichts erfunden werden. Im Folgenden beachte als der Leser wohl, mit welch lebendigen Farben Paulus uns Christus vor die Augen malt.

Der uns tüchtig gemacht hat. – Diese Aussage gilt freilich noch vom Vater, weil dieser der Ursprung und der Urheber unseres Heils ist. Wie der Name „Gott“ mehr Seine Majestät ausdrückt, so der Name „Vater“ Seine Güte und Huld. Beides müssen wir in Gott recht anschauen, damit Seine Majestät uns mit Furcht und Ehrerbietung, Seine väterliche Liebe aber mit zutrauen erfülle. Wie der Name „Vater“ uns in einen Abgrund von Gnade blicken lässt, so muss auch der Name „Gott“ uns zur Bewunderung solcher Güte stimmen; denn eben der, welcher Gott ist, hat sich also tief zu uns herabgelassen. Für welche Wohltat aber wird hier dem Herrn Dank erstattet? Dafür, dass Er uns tüchtig gemacht hat zur Teilnahme am Erbteil der Heiligen. Als Kinder des Zorns werden wir geboren, fern vom Reiche Gottes. Allein die Annahme aber hat ihren Grund in der Erwählung aus freier Gnade. Und das Siegel der Kindschaft ist der Geist der Wiedergeburt. Liegt unser Erbteil im Licht, so ist es scharf von der Finsternis, dem Reiche Satans, geschieden.

Welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis. – Sehet, damit fängt unser Heil an, dass Gott uns errettet aus der Tiefe des Verderbens, in welche wir versunken sind. Denn wo Seine Gnade fehlt, da ist Finsternis, wie es bei Jesaja (60.2) heißt: Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dinkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Zuerst werden wir selbst Finsternis genannt, und dann die ganze Welt. Und Satan ist der „Fürst der Finsternis“, unter dessen Gewaltherrschaft wir gefangen liegen, bis wir Christi Eigentum werden. Daraus lerne, dass die ganze Welt mit ihrer geschminkten Weisheit und Gerechtigkeit für nichts als Finsternis geachtet wird bei Gott, weil außer Christi Reich nirgends Licht ist.

Und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes. – Auch dies gehört zum Anfang unserer Seligkeit, dass wir in Christi Reich versetzt werden; denn das heißt: Aus dem Tode ins Leben übergehen. Auch dieses schreibt Paulus der Gnade Gottes zu, damit niemand meine, durch eigenes Rennen und Laufen solch großes Gut erlangen zu können. Denn ebenso, wie unsere Befreiung aus der Sklaverei der Sünde und des Todes, so ist auch unsere Versetzung in Christi Reich Gottes Werk. – Christus heißt Gottes lieber Sohn (wörtlich: der Sohn Seiner Liebe), weil Er allein es ist, auf welchem des Vaters Wohlgefallen ruht (Matthäus 17.5), und weil durch Ihn allein alle anderen geliebt werden. Denn das ist wohl zu beachten: Wir sind Gott auf keine andere Weise angenehm als durch Christus. Ohne Zweifel will Paulus auf den feindlichen Widerstreit hinweisen, der zwischen den Menschen und Gott besteht, bis in unserem Mittler Gottes Liebe hervorleuchtet.

An welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden. – Nun zeigt er in geordneter Reihe, dass alles, was zu unserem Heile gehört, in Christus beschlossen liegt, und darum weiter, dass Ihm allein, wie Er Anfang und Ende aller Dinge ist, Vorrang und Herrlichkeit vor allen Kreaturen gebührt. Zuerst heißt es: Wir haben in Ihm die Erlösung oder Loskaufung. Und dieser Begriff wird sofort als Vergebung der Sünden erklärt. Denn indem Gott uns unsere Sünden vergibt, befreit Er uns von dem Urteil des Ewigen Todes. Das ist unsere Freiheit, das unser Ruhm wider den Tod, dass uns unsere Sünden nicht zugerechnet werden. Diese Erlösung hat Christus durch sein Blut erworben. Denn durch das Opfer Seines Todes sind die Sünden der ganzen Welt gesühnt. Vergessen wir nicht, dass dies das einzige Lösegeld unserer Versöhnung ist, jedes Gerede von eigener Genugtuung ist nur Lästerung.

Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. – Damit steigt die rede höher empor zur Betrachtung der ewigen Herrlichkeit Christi und bezeichnet Christus als den einzigen, durch welchen der sonst unsichtbare Gott sich offenbart, nach dem Wort in Johannes 1.18: Niemand hat Gott je gesehen, der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt. Diesen Gedanken zu fassen ist viel wichtiger als viel über Christi Wesensgleichheit mit dem Vater zu spekulieren. Freilich lehrt der Apostel auch diese, denn Christus wäre gar nicht imstande, uns Gott wahrhaft vor Augen zu stellen, wenn Er nicht Gottes wesenhaftes Wort wäre. Worauf aber hier der Ton liegt ist vielmehr, dass sich Gottes vollkommene Weisheit, Güte, Gerechtigkeit und Macht in Christus sichtbar darstellt. Gott ist in sich, d.h. in Seiner reinen Majestät, unsichtbar nicht nur für unsere leiblichen Augen, sondern auch für den menschlichen Verstand; Er enthüllt sich uns aber allein in Christus, in dem wir Ihn wie in einem Spiegel beschauen sollen. Denn in Christus erschließt Er Seine Gerechtigkeit, Güte, Weisheit, Kraft, kurz: Sich selbst, uns ganz und gar. Darum hüten wir uns, Ihn irgendwo anders zu suchen! Denn alles, was außer Christus mit Gottes Namen sich schmückt, ist nur ein Götze!

Christus heißt der Erstgeborene vor allen Kreaturen. Denn durch ihn ist alles geschaffen. – Ganz ebenso heißt Er in Vers 18 der Erstgeborene von den Toten, weil wir alle durch Ihn auferstehen. Also nicht darum nur ist Er der Erstgeborene, weil Er der Zeit nach vor allen Kreaturen war, sondern, weil Er darum vom Vater gezeugt war, dass durch Ihn alles geschaffen würde, und Er gleichsam das Wesen oder die Grundlage aller Dinge wäre.

Das Sichtbare und Unsichtbare. – Sachlich ist dies nichts anderes als was kurz zuvor steht: Das im Himmel und auf Erden ist. Weil aber dem Apostel daran liegt, namentlich die Kreatürlichkeit der Engel zu betonen, so erinnert er noch ausdrücklich an die unsichtbaren Wesen. Denn nicht nur die unseren Augen erreichbaren Himmelskörper, sondern auch die himmlischen Geister sind durch den Sohn Gottes geschaffen worden.

Es seien Thronen oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Obrigkeit: es ist alles durch ihn und in ihm geschaffen. – Diese Häufung von Namen will sagen: Mit welchem Namen sie auch genannt werden mögen. Unter „Thronen“ verstehen einige die Engel; ich glaube aber vielmehr, dass damit die Wohnstätte der Majestät Gottes bezeichnet wird, die wir uns nicht so vorstellen dürfen, wie unser Verstand sie zu fassen vermag, sondern wie sie Gott selbst würdig ist. Sonne und Mond und die ganze Pracht des Himmels können wir sehen, aber die Herrlichkeit des Reiches Gottes ist unseren Sinnen verborgen, weil sie geistlich ist und höher als die Himmel. Unter den Thronen verstehen wir also jene Wohnstätte der seligen Unsterblichkeit, die über jede Veränderung erhaben ist (siehe 1. Timotheus 6.16 und Jakobis 1.17). Mit den übrigen Namen bezeichnet Paulus ohne Zweifel die Engel. Er nennt sie Herrschaften, Fürstentümer und Obrigkeiten, nicht weil sie irgendeine eigene Herrschaft ausüben oder eine eigene Kraft besitzen, sondern, weil sie Diener sind der Macht und der Herrschaft Gottes. Denn je nachdem Gott Seine Macht durch Seine Geschöpfe ausübt, werden diese auch gar oft mit Seinem Namen bezeichnet. So ist Er allein beider Herr und Vater; aber Väter und Herren heißen auch die, welche Er der Ehre würdigt, Seine Werkzeuge zu sein. Daher werden ebensowohl Engel als Richter Götter genannt (z.B. 2. Mose 7.1; Psalm, 82.1 & 6). Darum werden auch hier die Engel mit hohen Titeln ausgezeichnet, um zu erklären, nicht was sie in sich selbst oder getrennt von Gott gelten, sondern was Gott durch sie tut, und welche Ämter Er ihnen übertragen hat. Diese Titel müssen folglich so verstanden werden, dass dadurch der Herrlichkeit des Einen Gottes nicht das geringste entzogen wird. Denn nicht so teilt Gott den Engeln Seine Kraft mit, dass Er die Seine dadurch verminderte; nicht so wirkt Er durch sie, dass Er ihretwegen auf Seine Macht verzichtete; nicht so lässt Er Seine Herrlichkeit aus ihnen hervorleuchten, dass Seine eigene dadurch verdunkelt würde. Absichtlich preist Paulus die Würde der Engel so hoch, was doch nicht hindern soll, dass Christi Herrlichkeit sich noch weit über sie erhebt. Er gibt ihnen gleichsam in ausdrücklichem Entgegenkommen die erhabensten Namen, um zugleich hervorzuheben, dass alle ihre glänzenden Titel und ihre hohe Stellung Christus auch nicht den geringsten Eintrag tun.

Und er ist vor allen, und es besteht alles in ihm. – Wörtlich: Es ist alles durch ihn und zu ihm erschaffen worden. Aus vier Gründen werden die Engel Christis nachgeordnet. Sie dürfen Christi Herrlichkeit nicht verdunkeln; erstens, weil sie durch Ihn; zweitens, weil sie zu Ihm, als ihrem rechtmäßigen Herrn erschaffen worden sind; drittens, weil Er immer gewesen ist vor ihrer Erschaffung; und viertens, weil Er sie mit Seiner Kraft trägt und in ihrer Stellung erhält. Dies gilt aber nicht allein von den Engeln, sondern von der ganzen Welt. So schreibt Paulus Christus den höchsten Ehrenplatz zu, damit Er sowohl über die Engel als über die Menschen herrsche und allen Geschöpfen im Himmel und auf Erden ihren Platz anweise.