Galater Kapitel 2 Teil II

Galater 2.6-10

Von denen aber, die das Ansehen hatten – welcherlei sie weiland gewesen sind, da liegt mir nichts an; denn Gott achtet das Ansehen der Menschen nichts – mich haben die, so das Ansehen hatten, nichts anderes gelehrt, sondern dagegen, da sie sahen, dass mir vertraut war das Evangelium an die Vorhaut, gleich wie dem Petrus das Evangelium an die Beschneidung, (denn der mit Petrus kräftig ist gewesen zum Apostelamt unter die Beschneidung, der ist mit mir auch kräftig gewesen unter die Heiden); und da sie erkannten die Gnade, die mir gegeben war, Jakobus und Kephas und Johannes, die für Säulen angesehen waren, gaben sie mir und Barnabas die rechte Hand, und wurden mit uns eins, dass wir unter die Heiden, sie aber unter die Beschneidung gingen; allein dass wir der Armen gedächten, welches ich auch fleißig bin gewesen zu tun.

 

Von denen aber, die das Ansehen hatten. – Paulus ist erst dann zufrieden, wenn die Galater auch wissen, dass er selbst von Petrus und den Aposteln nichts gelernt hat. Wer erwägt, wie notwendig dies sein Halten auf seine Selbständigkeit war, dem wird es ehrwürdig und durchaus lobenswert vorkommen. Denn durch das Eingeständnis, er hätte unter Leitung der Apostel Fortschritte gemacht, hätte Paulus den Gegnern eine doppelte Waffe zur Verleumdung in die Hand gegeben. Sofort hätten sie gesagt: Endlich bist du dahin gekommen, das zu bessern, was du vorher verfehlt hattest, und den Fuß von dem verwegenen Fortschritt zurückzuziehen. So wäre zunächst die ganze Lehre seiner früheren Zeit verdächtig geworden und was er gebaut hatte zerstört. Ferner hätte er für die Zukunft weniger Ansehen gehabt, weil er für einen gewöhnlichen Schüler gehalten worden wäre. Wir sehen also, wie er nicht so sehr seinetwegen, als weil er seine Lehre behaupten muss, zu diesem heiligen Rühmen sich erhebt. Hier ist kein Streit aus Ehrgeiz, weil es sich durchaus nicht um Personen handelt, sondern Paulus will nicht, dass durch die Größe irgendeines Menschen sein Apostelamt verdunkelt werde, mit welchem das Ansehen seiner Lehre stand und fiel.

Welcherlei sie weiland gewesen sind, da liegt mir nichts an. – Dieser Satz ist wie in Klammern zu lesen. Paulus hat ihn eingeschaltet, um die Gegner wissen zu lassen, dass er sich mit menschlichen Autoritäten überhaupt nicht aufhält. Er gesteht zu, dass jene Apostel der Zeit nach die ersten gewesen sind; aber das verhindert ihn nicht, jetzt selbst die gleiche Stufe zu beanspruchen. Er sagt nicht, dass er ihre gegenwärtige Stellung für nichts achtet. Aber er will aus der Tatsache, dass sie selbst bereits Apostel waren, als er die Gemeinde noch verfolgte, keinen besonderen Vorzug für sie abgeleitet wissen. Der Vortritt in der Zeit soll keinen Vortritt in Recht und Rang begründen.

Denn Gott achtet das Ansehen der Menschen nichts. – Was nach Menschenurteil ein großer Unterschied sein mag, das gilt vor Gott, welcher ohne Ansehen der Person Seine Berufung an keinen irdischen Vorsprung bindet, unter Umständen nichts. So bedeutete die Ehrenstellung der ersten Apostel für Gott kein Hindernis, auch den Paulus zu berufen und aus dem Nichts auf die gleiche Höhe zu erheben. Wollte aber jemand aus unserem Satze einen verächtlichen Ton gegen die Urapostel heraushören, der möge bedenken, dass Paulus hier seine Worte nicht in Rücksicht auf den persönlichen Wert der Apostel, sondern lediglich im Hinblick auf die prahlerische Übertreibung seiner Gegner wählt. Zu den Personen der ersten Apostel an und für sich hat er bei seiner unvergleichlichen Bescheidenheit ohne Zweifel mit ehrlicher Anerkennung aufgeblickt und hat Gottes Gaben an ihnen willig anerkannt (vergleiche 1. Korinther 15.9).

Mich haben die, so das Ansehen hatten, nichts anderes gelehrt. – Der Sinn ist klar, dass die Apostel, nachdem sie das Evangelium des Paulus gehört, nichts Gegenteiliges ihrerseits vorgetragen haben, wie es zu geschehen pflegt, wo man etwas Besseres und Vollkommeneres weiß. Vielmehr waren sie mit seiner Auseinandersetzung zufrieden und haben seine Lehre einfach und ohne Verzug anerkannt.

Sondern dagegen da sie sahen, dass mir vertraut war das Evangelium an die Vorhaut, gleich wie dem Petrus das Evangelium an die Beschneidung, (denn der mit Petrus kräftig ist gewesen zum Apostelamt unter die Beschneidung, der ist mit mir auch kräftig gewesen unter die Heiden); und da sie erkannten die Gnade, die mir gegeben war, Jakobus und Kephas und Johannes, die für Säulen angesehen waren, gaben sie mir und Barnabas die rechte Hand, und wurden mit uns eins, dass wir unter die Heiden, sie aber unter die Beschneidung gingen. – Ohne Zögern geben sie ihm die Bruderhand. Das bedeutete aber eine uneingeschränkte Zustimmung zu seiner Lehre. Sie vermochten nichts Abweichendes hinzuzusetzen, wie man dies bei zweifelhaften Dingen zu tun pflegt. Sie bekannten sich zum selbigen Evangelium wie er, und erkannten ihn als Genossen ihres ehrenvollen Amtes an. Zu dieser Genossenschaft gehörte auch das, dass sie die Provinzen unter sich teilten: Sie standen also alle gleich, und nicht etwa Paulus irgendwie unter den Uraposteln.

Da sie sahen, dass mir vertraut war das Evangelium an die Vorhaut. – Dass er durch freundliches Entgegenkommen und Entschluss der Urapostel zu seinem apostolischen Amte erhoben worden wäre, hat Paulus nie zugestanden; vielmehr mussten sie seine Würde annehmen, wenn sie nicht bei Seite schieben wollten, was Gott gegeben hatte. Immer ist es ihm darum zu tun, dass er durch Gottes Gabe und Einsetzung zum Apostel geweiht ward, wobei er allerdings hinzusetzen kann, dass die Apostel ihn als solchen anerkannt haben. Daraus folgt denn, dass jene Lügenlehrer etwas angriffen, was die Apostel selbst unangetastet ließen, um nicht wider Gottes Erwählung zu streiten. An unserer Stelle beginnt Paulus insbesondere davon zu handeln, was ihm im Unterschiede von den anderen eigen war. War es doch das besondere Amt des Paulus und Barnabas, dass sie mit dem Evangelium für die Vorhaut, d. h. für die unbeschnittenen Heiden betraut waren. Das war durch Gottes Offenbarung geschehen, deren Erfüllung die Apostel nicht nur zuließen, sondern auch beförderten, weil Ungehorsam ein schwerer Frevel gewesen wäre. Sie haben daher der Offenbarung gemäß die Aufgaben unter sich geteilt, so dass Paulus und Barnabas die Apostel der Heiden, die andern die der Juden sein sollten. Aber widerspricht das nicht dem Auftrag Christi, der die Zwölf hinausgehen heißt in alle Welt (Markus 16.15)? Antwort: Dies Wort Christi bezieht sich nicht gerade nur auf die Personen der Zwölf, sondern beschreibt ganz allgemein den Umfang des apostolischen Amtes, dass nämlich das Heil durch die Lehre des Evangeliums zu allen Völkern gelangen soll. Es ist ja bekannt, dass die Apostel niemals den Erdkreis durchwandert haben, und dass keiner von den Zwölfen jemals nach Europa gekommen ist. Was über Petrus berichtet wird, ist sagenhaft und jedenfalls überaus unsicher. Sollte jemand behaupten, dass dennoch jedem einzelnen Apostel die Juden ebenso wie die Heiden anbefohlen waren, so gebe ich dies bedingungsweise zu: Bei gegebener Gelegenheit durfte jeder Apostel das Evangelium ebenso unter den Heiden wie unter den Juden verbreiten, und die Teilung sollte nicht unverrückbare Grenzen setzen, wie zwischen Ländern oder Verwaltungsbezirken. Denn Paulus hielt es überall für seine Pflicht, zuerst seinen apostolischen Dienst den Juden anzubieten. Und wie ihm dies erlaubt war, ebenso stand es den andern frei, von den Heiden, welche sie konnten, zu Christus zu führen. Von diesem Rechte machte Petrus bei Kornelius und andern Gebrauch (Apostelgeschichte 10). Aber weil die übrigen Apostel in einer Gegend weilten, deren Bewohner fast sämtlich Juden waren, Paulus aber in Asien, Griechenland und andern fernen Ländern umherreiste, so ist er durch diesen Umstand besonders zum Heidenapostel bestimmt worden. Ja sogar als der Herr anfangs ihn abgesondert wissen wollte, verlangte Er, dass er Antiochien und Syrien verließ und über das Meer in ferne Länder ginge der Heiden halber. So galt sein ordentliches Apostelamt den Heiden, sein außerordentliches den Juden. Die andern dagegen haben eigentlich die Juden sich ausgewählt, aber mit der Bedingung, dass bei sich bietender Gelegenheit ihr Amt auch den Heiden gelten dürfe; doch nachher ist dies für sie gleichsam zur Ausnahme geworden.

Der ist mit mir auch kräftig gewesen. – Paulus zeigt, dass die ihm übertragene Aufgabe ihm wirklich zustand; hatte doch Gott Seine Kraft in seinem Amt geoffenbart. Eine solche Offenbarung der göttlichen Wirksamkeit ist aber, wie wir schon öfter sahen, gleichsam das Siegel, um die Zuverlässigkeit seiner Lehre zu besiegeln und sein Lehramt zu beglaubigen. Übrigens ist zweifelhaft, ob Paulus die Wirksamkeit Gottes auf den Erfolg seiner Predigt bezieht oder auf die Gaben des Heiligen Geistes, welche damals den Gläubigen gegeben wurden. Ich denke nicht an den bloßen Erfolg, sondern auch an die Erscheinung geistlicher Kraft, von welcher auch sonst die Rede ist (1. Korinther 2.4). Alles in allem: Die von den Aposteln vorgenommene Teilung war nicht hohles Menschenwerk, sondern fand ihre Bestätigung in Gottes Entscheid.

Und da sie erkannten die Gnade. – Waren die Urapostel bewundernd vor Gottes Gnadengaben in Paulus stillgestanden, was soll man dann von dem stolzen Eigensinn der Leute denken, welche alle offenbaren Vorzüge nicht sehen wollten! So können wir hier lernen, dass man Gottes Gnade an ihrem Platze überall anerkennen soll, wo sie sich offenbart – wenn man nicht etwa den Streit mit dem Geiste des Herrn aufnehmen will, der Seine Gaben nie unwirksam bleiben lässt. Die Gnade also, welche die Apostel dem Paulus und Barnabas geschenkt sahen, hat sie angetrieben, ihn als Amtsgenossen zu begrüßen.

Jakobus war der Sohn des Alphäus, wie ich soeben schon (zu Galater 1.19) dargelegt habe. An den Bruder des Johannes dürfen wir nicht denken, weil ihn Herodes kurz vorher getötet hatte (Apostelgeschichte 12.2). Dass es sich aber um irgendeinen Mann aus dem weiteren Jüngerkreise handeln sollte, der nun in dieser Weise über alle Apostel hervorragte, erscheint unglaublich. Denn dass der Betreffende ein Haupt unter den Aposteln war, zeigt auch Lukas, der ihm in der Apostelversammlung (Apostelgeschichte 15.6 ff.) die abschließende Rede und somit den eigentlichen Entscheid zuteilt, und später (21.18) erzählt, dass alle Ältesten der jerusalemischen Gemeinde bei ihm zusammen kamen. Dass Jakobus, Kephas und Johannes für Säulen angesehen waren, sagt Paulus nicht etwa im verächtlichen Sinne, sondern als Ausdruck der allgemeinen Ansicht, aus welcher sich ergibt, dass man ihre Entscheidung nicht leichtherzig bei Seite schieben darf. Übrigens überrascht uns, dass, wo es sich doch gerade um Rangfragen handelt, Jakobus hier noch vor Petrus genannt wird. Es geschieht dies wohl, weil er an der Spitze der Gemeinde zu Jerusalem stand. Gelten nun in der Gemeinde bestimmte Leute als „Säulen“, so ergibt sich diese besondere Autorität ganz naturgemäß aus ihrer besonderen Begabung mit Geist und Weisheit. Auch in der Gemeinde Gottes gebührt einem jeden seine Ehre nach dem Maß der ihm verliehenen Gnade. Denn es wäre undankbar, ja gottlos, den Geist Gottes nicht zu verehren, wo immer er durch seine Gaben sichtbar wird; weiter aber: Wie die Gemeinde eines Hirten nicht entraten kann, so bedürfen wiederum die Pastoren irgendeiner Leitung. Dabei soll jedoch immer das Wort gelten: Der Größte von allen soll wie ein Diener sein (Matthäus 23.11).

Allein dass wir der Armen gedächten. – Offenbar litten die Brüder in Judäa schlimme Not, sonst hätten sie die andern Gemeinden nicht belästigt. Dieser Notstand erklärt sich teils aus misslichen Umständen, welche die Juden überhaupt drückten, teils auch aus grausamen Verfolgungen, welche die jüdischen Christen von ihren Volksgenossen erleiden mussten. Dass nun die Heiden ihnen Unterstützung zu teil werden ließen, war nicht mehr als billig, da sie ja ihrerseits das unvergleichliche Gut des Evangeliums ihnen verdankten. Sagt nun Paulus, dass er fleißig gewesen, den empfangenen Auftrag auszurichten, so nimmt er seinen Gegnern einen Angriffspunkt, nach welchem sie fortwährend ausschauten.