GALATER

Galater Kapitel 1 Teil II

Galater 1.6-9

Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasset von dem Christus, der euch in Gnaden berufen hat, auf ein anderes Evangelium; was doch nichts anderes ist, als das etliche sind, die euch verwirren, und wollen das Evangelium Christi verkehren. Aber so auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht. Wie wir jetzt gesagt haben, so sagen wir auch abermal: So jemand euch Evangelium anders predigt, denn das ihr empfangen habt, der sei verflucht.

 

Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasset von dem Christus, der euch in Gnaden berufen hat, auf ein anderes Evangelium. – Der Tadel, mit welchem der Apostel nunmehr anhebt, fällt immer noch milder aus, als die Galater verdienten. Denn den Hauptschlag will Paulus lieber für die falschen Apostel aufsparen, wie wir alsbald sehen werden. Die Anklage lautet auf Abfall, nicht nur von des Apostels Lehre, sondern von Christus: Denn man kann an Christus nicht mehr ernsthaft festhalten, wenn man nicht rund und klar anerkennt, dass Seine Heilands-Tat uns von der Knechtschaft des Gesetzes befreit hat. Der Zwang zum Zeremoniendienst, welchen die Lügenapostel aufrichteten, schlug Christus ins Gesicht. So ließen sich die Galater von Christus abwenden – nicht als ob sie das Christentum überhaupt wegwerfen wollten, sondern weil bei solcher Verkehrung der Wahrheit ihnen nur ein Schein-Christus blieb. Licht und Finsternis lassen sich eben nicht mischen. Eben dies will Paulus auch sagen, wenn er behauptet, dass die Galater auf ein anderes, d. h. auf ein vom wahren abweichendes Evangelium sich wenden. Mochten die Lügenapostel auch vorgeben, das Evangelium Christi zu predigen, so brachten sie es doch mit ihren selbstersonnenen Beimischungen um seine eigentliche Kraft, trugen also in der Tat ein falsches, verderbtes und verkehrtes Evangelium vor. Mit Vorbedacht sagt der Apostel in der Gegenwartsform: Ihr lasset euch abwenden. Der Abfall vollzieht sich also erst und ist noch nicht bis zu jenem abschließenden Punkte gelangt, von welchem eine Rückkehr fast unmöglich erscheint. Also jetzt gilt es umzukehren, ehe es zu spät wird. Andere übersetzen: „dass ihr euch abwenden lasset von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi“, und denken dabei an Gott. Unsere Übersetzung aber erscheint einfacher [In Wirklichkeit dürfte jedoch Luther Recht haben; Calvins Übersetzung, obgleich sprachlich nicht geradezu unmöglich, ist gezwungen]. – Die Erinnerung daran, dass Christus die Galater in Gnaden berufen hat, lässt ihren Abfall umso hässlicher und undankbarer erscheinen. Ein Abfall von Gott ist an und für sich schon etwas Unwürdiges und Schändliches, aber noch viel abscheulicher ist der Abfall von dem, der uns in Gnaden zum ewigen Heil berufen hat. Seine Güte gegen uns undankbare Menschen macht das Vergehen noch unentschuldbarer.

Auch dass die Galater so bald sich abwenden ließen, rückt ihre Unbeständigkeit in eine sehr ungünstige Beleuchtung. Allerdings ist es zu keiner Zeit passend, von Gott abzufallen. Besonderen Tadel aber verdienten die Galater, weil sie der Verführung nachgaben, sobald Paulus den Rücken gekehrt.

Was doch nichts anderes ist, als das etliche sind, die euch verwirren. – Andere übersetzen: „so doch kein anderes ist“. Diese Wendung würde im Hinblick auf die soeben gefallene Rede von einem anderen Evangelium dem Missverständnis wehren, als könne es ein anderes Evangelium überhaupt geben. Ich glaube dagegen, dass der Apostel wegwerfend von der Lehre der Lügenapostel sagen will, dass sie nichts anderes ist als Anlass zu Unruhe und Zerrüttung. Er gibt zu verstehen: Was können euch eigentlich diese Menschen bringen? Was haben sie für einen Grund, so gegen meine Lehre anzukämpfen? Sie können doch tatsächlich weiter nichts, als euch verwirren und das Evangelium auf den Kopf stellen! Natürlich liegt darin auch, dass ihr so genanntes Evangelium seinen Namen mit Unrecht führt.

Und wollen das Evangelium Christi verkehren. – Ein weiteres ganz furchtbares Verbrechen! Nicht bloß etwas verdreht, sondern völlig verkehrt wird ja das Evangelium, wo man die Kraft der Rechtfertigung anderswo sucht, als bei Christo, und so den Gewissen einen Strick dreht. Wer dieses Hauptstück des Evangeliums antastet, wird zum völligen Verstörer. Evangelium Christi sagt der Apostel entweder, weil dasselbe Christus angehört und von Ihm seinen Ursprung hat, oder weil es Christus rein und klar vor unsere Augen stellt. In jedem Fall soll aber der Zusatz sagen, dass es sich hier um das allein wahre und unverfälschte Evangelium handelt.

Aber so auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht. – Mit größtem Nachdruck behauptet Paulus nunmehr die alleinige Wahrheit der von ihm vorgetragenen Lehre. Dabei sucht er aber nicht blinde Unterwerfung, sondern klare Erkenntnis zu erzielen. Freilich hält er seine Predigt für so gewiss und glaubwürdig, dass er einen Fluch über alle schleudert, welche es wagen würden, derselben zu widersprechen. Aber er scheut sich nicht, mit seiner eigenen Person den Anfang zu machen. Damit bricht er jeder Verleumdung die Spitze ab. Nun durfte niemand mehr sagen: Du willst, dass man alles annehmen soll, was du sagst, lediglich deshalb, weil es von dir herkommt. Denn der Apostel zeigt ganz deutlich, dass es ihm nicht um seine Person geht: Er spricht vor allem sich selbst das Recht ab, sich wider seine Lehre aufzulehnen. Auf diese Art beugt er die anderen nicht unter sich, sondern, wie es recht ist, jedermann und dazu sich selbst unter das Wort Gottes. Um aber die Irrlehrer mit noch größerer Wucht niederzuwerfen, steigt er bis zu den Engeln hinauf, und gebietet nicht nur einfach, auf sie nicht zu hören, falls sie etwas anderes bringen, sondern spricht für diesen Fall sogar den Fluch über sie aus. Diese Herbeiziehung der Engel könnte auf den ersten Blick lächerlich scheinen – und doch ist sie wohlbegründet. Freilich setzt der Apostel damit einen unmöglichen Fall: Denn ein Engel vom Himmel kann nie etwas anderes verkündigen, als Gottes Wahrheit. Aber Paulus schlägt mit dieser Wendung alle Ansprüche menschlich hoher Namen nieder, wenn er sich selbst durch Engel in seiner Gewissheit nicht will erschüttern lassen. So können wir im fröhlichen Vertrauen auf das Wort der göttlichen Majestät uns auch richtend über die Engel erheben! Heißt es endlich der sei verflucht, so werden wir hinzuzudenken haben: für euch.

Wie wir jetzt gesagt haben, so sagen wir auch abermal. – Damit wiederholt die Rede im Allgemeinen, was sie mit besonderer Beziehung bereits ausgesprochen: Keine Menschenseele hat das Recht, den Galatern etwas anderes anzubieten, als was sie von Paulus gelernt hatten. Wir beachten den ausdrücklichen Hinweis, dass die Leser das Evangelium empfangen haben. Es handelt sich also nicht um eine unbekannte, ungreifbar in der Luft schwebende Größe: Bestimmt und klar haben sie Christi wahres Evangelium in Händen. Mit bloßen Einbildungen ist ja dem Glauben nicht gedient. Wer ein von dieser bekannten Wahrheit abweichendes Evangelium bringt, soll als ein Teufel und Verführer gelten. Und anders predigt man das Evangelium bereits, wenn man ihm fremdartige Zusätze beimischt. So taten es aber die Lügenapostel, deren Lehre ja nicht als ausdrücklicher Gegensatz gegen das Evangelium gemeint war. Und ebenso steht es mit den Papisten, die uns immer die kindische Ausflucht entgegenhalten, dass sie das Evangelium nur mit ihren Traditionen ergänzen wollen. Als ob nicht eben damit ganz fremde und abführende Elemente hinzukämen!