Epheser Kapitel 2 Teil I

Epheser 2.1-3

Und auch euch, da ihr tot wart durch Übertretungen und Sünden, in welchen ihr weiland gewandelt habt nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Fürsten, der in der Luft herrschet, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Ungehorsams, unter welchen wir auch alle weiland unsern Wandel gehabt haben in den Lüsten unseres Fleisches, und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft, und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die andern.

 

Und auch euch, da ihr tot wart durch Übertretungen und Sünden. Ein Blick in ihren eigenen früheren Zustand muss nun den Lesern zur Erläuterung dessen dienen, was Paulus bisher von Gottes Gnade rühmend ausgeführt hat. Deutlich ergeben sich zwei Grundgedanken: Ihr wart vordem verloren, jetzt aber hat Gott in Seiner Gnade euch aus dem Verderben gerissen. Doch lässt die Rede den glatten Fortschritt des Satzbaues fallen, weil sie sich in jeden dieser beiden Gedanken immer tiefer versenkt und immer weiter verliert. Sachlich bleibt doch alles klar, wenn man nur diese beiden Hauptpunkte im Auge behält.

Wenden wir uns denn genauer zum ersten Gliede. Paulus sagt, dass wie tot waren, und bezeichnet als Ursache dieses Todeszustandes unsere Übertretungen und Sünden. Er meint also nicht, dass wir nur in Todesgefahr standen, sondern dass ein wirklicher und gegenwärtiger Todeszustand uns drückend gefangen hielt. Wenn doch der geistliche Tod nichts anderes ist, als die Trennung der Seele von Gott, so werden wir alle schon als Tote geboren und leben als Tote, bis wir an Christi Leben Teil erlangen. Hierauf bezieht sich der Spruch Johannes 5.28: Schon kommt die Stunde, dass die, die in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie hören, werden leben. Dem gegenüber sind die Papisten darauf aus, auf alle mögliche Weise die Gnade Gottes einzuengen. Deshalb sagen sie, dass wir außer Christo halb tot seien. Aber nicht ohne Grund spricht der Herr selbst, und danach auch der Apostel uns alles Leben ab, solange wir in Adam bleiben, und nicht ohne Grund heißt die Wiedergeburt eine Auferweckung vom Tode. Immerhin will ich zugeben, dass eine Art von Leben auch solche Leute in sich tragen, die von Christus noch ferne sind. Denn der Unglaube zerstört nicht die Seelenfunktionen selbst: Fühlen, Denken und Wollen! Aber können uns diese Seelentätigkeiten den Eingang in Gottes Reich oder ins ewige Leben erschließen, wenn doch alles, was wir fühlen, denken und wollen, nur Tod ist? So muss die Wahrheit wohl unangetastet bleiben, dass wahres Leben nur in der Gemeinschaft unserer Seele mit Gott besteht. Dann aber ist es auch wahr, dass wir ohne Christus in völligem Tode liegen: Denn ohne Ihn herrscht die Sünde in uns, des Todes Mutter.

In welchen ihr weiland gewandelt habt. An den Wirkungen und Früchten zeigt Paulus den Ephesern, dass die Sünde einst in ihnen herrschte. Erst an diesen äußeren Werken wird ja die Macht der Sünde vollends klar. Heißt es dann, dass wir solchen Wandel nach dem Laufe dieser Welt geführt haben, so wird klar, dass der Tod, wie ihn  der Apostel beschrieben hat, die Natur des Menschen durchdrungen hat, sodass das Übel allgemein ist. Unter dem Laufe dieser Welt versteht er nämlich nicht den von Gott geordneten Lauf der Welt, sondern die Verdorbenheit, sie uns alle angesteckt hat. Hier ist kein Fehler, der nur einzelnen anhaftet, sondern an dem die ganze Welt leidet. Den tieferen Grund dieses Verderbens enthüllt der weitere Hinweis auf den Fürsten, der in der Luft herrschet. Damit empfängt die Welt vollends ihr Verdammungsurteil. Denn wenn alle Menschen, die außerhalb des Reiches Christi stehen, Sklaven des Teufels sind, die durchaus seinen Willen tun müssen, so kann in der Tat nichts Gutes an ihnen sein. Mit Recht müssen wir Schauder empfinden vor diesem unserem Zustande, wenn er auch vielen gefällt oder wenigstens missfällt. Wo ist nun der freie Wille, die Herrschaft der Vernunft, die sittliche Tüchtigkeit der Menschen, wovon man so viel reden hört? Nach der klaren Lehre der Schrift steht dem Reiche der Kinder Gottes unter ihrem Haupte Christus ein anderes Reich der Bösen gegenüber, welche des Satans Leib sind. Ein einziger Herrscher regiert diesen gottlosen Haufen. Inwiefern derselbe ‚in der Luft herrschet‘, werden wir später sehen (zu Epheser 6.12). Natürlich bleibt auch sein Regiment der Oberherrschaft Gottes unterworfen. Satan ist der Henkersknecht, der im Dienste Gottes und auf Seinen Wink die Strafe des Herrn über alle menschliche Undankbarkeit vollziehen muss. So ergibt sich, dass der Teufel nur in den Kindern des Ungehorsams d.h. in den widerspenstigen Menschen sein Werk hat, deren Unglaube unweigerlich als ein Quell des Ungehorsams sich erweist. Darum gilt auch die gottlose Entschuldigung nichts, dass ein Mensch eben aus Zwang des Teufels sündigt: Denn er würde diesem Zwange nicht unterliegen, hätte er sich nicht wider Gott aufgelehnt.

Unter welchen wir auch alle weiland unsern Wandel gehabt haben in den Lüsten unseres Fleisches, und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft, und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die andern. – Paulus will auch den Schein meiden, als habe ihm Schmähsucht oder jüdische Selbstüberhebung gegenüber den Heiden seine Aussprache eingegeben. So schließt er sich selbst mit ein. Dabei macht er keine Redensarten, sondern gibt in aufrichtigem Bekenntnis Gott die Ehre. Befremdend scheint freilich das Bekenntnis, dass er nach den Begierden des Fleisches gewandelt habe, während er an anderen Stellen (Philipper 3.6M 1. Thessalonicher 2.10) von sich rühmt, dass er in seinem ganzen Leben untadelig gewesen sei. Indessen kann über keinen Menschen, bevor er eine Erneuerung durch Christi Geist erfahren hat, das Urteil anders lauten. Mögen auch einzelne in ihrer Lebensführung untadelig erscheinen, weil bei ihnen die Begierden noch nicht vor den Augen der Menschen zum Ausbruch gekommen sind, so gibt es doch nichts Reines und Unverdorbenes außerhalb der Quelle aller Reinheit. Was ein Wandel in den Lüsten des Fleisches ist, erklärt der folgende Satz: Wir taten den Willen des Fleisches und der Vernunft, d.h., wir lebten nach den Neigungen und Trieben des eigenen Fleisches und nach unseren eigenen Gedanken. So waren wir denn alle Kinder des Zorns von Natur. Alle Menschen ohne Ausnahme stehen in Schuldverhaft, bis Christus sie frei macht. Weder Juden noch Heiden können ohne Christus irgendetwas von Gerechtigkeit und Heil oder irgendeinen Vorzug aufweisen (vergleiche Galater 2.15). Sie sind Kinder des Zorns, d.h. verloren, dem ewigen Tode verfallen und von Gott verworfen. Denn Gottes Zorn äußert sich in Seinem Gericht. So sind alle Menschen, auch, trotz ihrer Vorzugsstellung in der Gemeinde Gottes, die Juden, von Natur, d.h. infolge ihrer Abstammung oder vom Mutterlaibe an. Dieses ist eine wichtige Stelle gegen die Leugner der Erbsünde: Denn was wir von Natur aus haben, das ist uns angeboren. Nun sagt Paulus, dass wir alle von Natur der Verdammnis verfallen sind, deshalb muss die Sünde in uns wohnen, weil Gott keinen Unschuldigen verdammt. Die Pelagianer freilich behaupten, dass die Sünde von Adam aus sich über das ganze menschliche Geschlecht nicht infolge der Abstammung, sondern durch Nachahmung des bösen Beispiels verbreitet habe. Dagegen bezeugt Paulus, dass wir mit der Sünde geboren werden, wie die Schlangen ihr Gift schon bei der Geburt mitbringen. Andere behaupten, dass die Erbsünde keine eigentliche Sünde sei. Aber diese Behauptung steht ebenfalls in Widerspruch mit den Worten des Paulus, denn wo Verdammnis ist, muss auch wirkliche Sünde vorliegen: Denn Gott zürnt nicht über unschuldige Menschen, sondern über die Sünde. Wir dürfen uns nicht darüber wundern, dass die Verderbtheit, die uns von unseren Eltern angeboren ist, vor Gott als Sünde gilt: Gott sieht uns und richtet eben den Samen, der noch verborgen liegt. Aber es drängt sich uns hier eine andere Frage auf, nämlich wie es kommt, dass Paulus die Juden ebenso wie die anderen unter den Zorn und die Verdammnis stellt, da sie doch der gesegnete Same waren. Ich antworte: Die Natur ist bei allen gleich, die Juden unterscheiden sich nur dadurch von den übrigen Völkern, dass Gott sie durch die Gnade der Verheißung von dem verderben befreit hatte. Das war aber ein Heilmittel, das nicht in ihnen lag, sondern von außen gegeben ward. Eine andere Frage ist, wie Gott, da er ja der Schöpfer unserer Natur ist, ohne Schuld bleiben kann, wenn sich unsere Natur als verdorben erweist. Ich antworte: Es gibt zweierlei Arten der Natur, die erstere ist die von Gott geschaffene, die andere ist die verdorbene. Die Verdammnis, von der Paulus hier handelt, kommt nicht aus der Natur, wie Gott sie erschaffen hat, sondern aus der verdorbenen Natur. Wie kommen eben jetzt nicht so auf die Welt, wie Adam anfangs war, als er erschaffen wurde, sondern als verdorbene Nachkommen von entarteten und verdorbenen Menschen.