EPHESER

Epheser Kapitel 1 Teil I

Epheser 1.1-6

Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, den Heiligen zu Ephesus und Gläubigen an Christus Jesus. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christus. Wie er uns denn erwählet hat durch den selbigen, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe; und er hat uns verordnet zur Kindschaft gegen ihm selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zu Lob seiner herrlichen Gnade, durch welche er uns hat angenehm gemacht in dem Geliebten.

 

Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, den Heiligen zu Ephesus und Gläubigen an Christus Jesus. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Da der Gruß in allen Briefen fast dieselbe Form zeigt, aber doch zu wenig abweicht, so ist es nicht nötig, das früher Gesagte hier zu wiederholen. Paulus nennt sich einen Apostel Jesu Christi: Denn alle, welchen das Amt der Versöhnung übertragen ist, richten ihre Sendung für Christus aus. Darüber hinaus hat aber der Aposteltitel noch ein besonderes Gewicht: Nicht jeder Diener des Evangeliums ist ja, wie wir alsbald (in Epheser 4.11) sehen werden, ein ‚Apostel‘ im eigentlichen Sinne (vergleiche dazu auch Galater 1.1). Paulus setzt hinzu: durch den Willen Gottes. Denn niemand darf sich selbstEhre nehmen, sondern muss warten, bis er von Gott dazu berufen wird. Diese göttliche Berufung gibt allein das Recht zum Dienst. So stellt der Apostel von vornherein seine ihm von Gott verliehene Autorität gegen die frevelhaften Verdächtigungen seiner Feinde, um jedem unnützen Angriff die Spitze abzubrechen.

Heilige sind dieselben Leute, die sofort auch Gläubige an Christus heißen. Folglich ist niemand gläubig, der nicht auch zugleich heilig ist; und andererseits ist niemand heilig, der nicht auch gläubig ist.

Gelobt sei Gott. Dieser erhabene Lobpreis der göttlichen Gnade will die Herzen der Epheser zur Dankbarkeit stimmen oder vielmehr begeistern, dass der Gedanke daran sie ganz erfülle. Denn wer von solcher überreichen Gottesgnade erfahrungsmäßig zu rühmen weiß, die es ihm an nichts fehlen lässt, und in ihrer Betrachtung sich stetig übt, ist gegen fremdartige Lehren, welche diese Gnade nur verdunkeln können, gesichert. So ist es denn des Apostels Absicht, mit seinem Ruhm der Gnade den Glauben seiner Leser wider die Angriff der falschen Apostel zu wappnen. Sie sollen sich nicht durch die Behauptung irre machen lassen, dass ihre Berufung unsicher sei, und ein anderer Heilsweg gefunden werden müsse. Dabei belehrt uns der Apostel, dass völlige Heilsgewissheit lediglich auf der Tatsache ruht, dass Gott uns in Christus und durch das Evangelium Seine Liebe erschlossen hat. Damit aber diese Gewissheit umso fester stehe, wird sie auf ihren letzten Grund und ihre tiefste Quelle zurückgeführt, nämlich auf Gottes ewige Erwählung, die uns, noch ehe wir geboren, zu Gotteskindern macht. Wir sollen wissen, dass die Seligkeit, die wir genießen, auf Gottes ewigem und unveränderlichem Ratschluss ruht, nicht auf einem Zufall oder irgendeiner unberechenbaren Wendung des Geschicks.

Wäre dies möglich, den griechischen Ausdruck genau wiederzugeben, so müssten wir etwas übersetzen: ‚Gesegnet sei Gott…, der uns gesegnet hat'. So würden wir erst den Gegenklang des einmal von Gott, das andere Mal von den Menschen gebrauchten Wortes vernehmen. Ich finde in der Schrift eine zweifache Bedeutung dieses Wortes. Wir segnen (loben) Gott. Wenn wir Seine Güte preisen. Gott segnet uns, wenn Er unsere Arbeit mit Erfolg krönt und uns Seine Güte täglich erfahren lässt, so dass es uns gut geht, und wir glücklich sind. Und Er schafft solchen Segen durch einen bloßen Wink. Wie eindrücklich muss uns also die Macht des göttlichen Wortes werden, wenn wir hören: Er hat uns gesegnet! Drittens segnen Menschen sich gegenseitig, wenn sie sich Gutes wünschen. Der priesterliche Segen endlich über die Gemeinde und jeden einzelnen Gläubigen ist nicht nur ein Segenswunsch, sondern zugleich ein Zeugnis und Unterpfand des göttlichen Segens. Denn den Priestern ward das Amt übertragen, im Namen Gottes zu segnen. Spricht nun Paulus von einem geistlichen Segen, so mag er damit wohl leise auf den Unterschied zwischen dem Segen Moses und dem Segen Christi anspielen. Das Gesetz hat auch seine Segnungen, aber die Vollendung finden wir allein in Christus, weil Er die vollkommene Offenbarung des Reiches Gottes ist, die uns unmittelbar zum Himmel erhebt. Und weil in Christus das Wesen selbst erschienen ist, so bedarf es der Sinnbilder nicht mehr.

Hat uns Gott endlich in himmlischen Gütern gesegnet, so erkennen wir daraus die Herrlichkeit der Gnade Christi, die uns nicht hier auf Erden, sondern im Himmel und im ewigen Leben glücklich macht. Die christliche Religion hat ja allerdings, wie an einer anderen Stelle (in Timotheus 4.8) gelehrt wird, Verheißungen nicht nur für das zukünftige, sondern auch für dieses Leben, aber ihr Ziel ist das geistliche Glück, wie auch Christi Reich ein geistliches Reich ist. So unterscheidet denn der Apostel Christus von allem jüdischen Formenwesen, welches den Segen noch unter einer gesetzlichen Hülle birgt. Wo Christus ist, fällt dies alles hin.

Wie er uns denn erwählet hat durch den selbigen, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe. Hier macht Paulus die ewige Erwählung Gottes zur Grundlage und zur ersten Ursache sowohl unserer Berufung, als auch aller Güter, welche wir von Ihm empfangen. Wenn wir also fragen, weshalb Gott uns zur Teilnahme am Evangelium berufen hat, weshalb Er uns täglich so viele Wohltaten erweist, weshalb Er uns den Himmel geöffnet hat, so kommen wir immer wieder auf diesen ersten Grund zurück, dass Er uns erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war. Schon diese Zeitbestimmung zeigt, dass es sich um eine Erwählung aus Gnaden handelt. Denn welche Würdigkeit oder welches Verdienst konnten wir vor Gründung der Welt aufweisen? Die Ausflucht, wir seien nicht deshalb erwählt, weil wir schon würdig sein würden, hilft hier nichts, denn wir sind in Adam alle verloren, und wenn die Rettung durchs Evangelium nicht wäre, so würde Gott in uns nichts vorhersehen können als Verderben. Demselben Beweis begegnen wir auch in Römer 9.11, wo es von Jakob und Esau heißt: ehe sie geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten usw. Einen weiteren Hinweis auf die freie Gnade enthält der Zusatz: durch denselbigen. Durch Christus hat uns Gott erwählt: So liegt der Grund unserer Erwählung außer uns. Wir sind nicht erwählt wegen unserer Würdigkeit, sondern einfach darum, weil der himmlische Vater uns zu Kindern angenommen und Christus einverleibt hat. Endlich schließt Christi Name jegliches Verdienst aus und alles, was die Menschen von sich selbst haben, denn wenn es heißt, dass wir in Christus erwählt wurden, so folgt daraus, dass wir in uns selbst unwürdig sind.

Dass wir sollten sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe – damit wird der nächste Zweck, nicht aber das eigentliche Endziel der Erwählung beschrieben. Ihr wesentliches Ziel ist, wie wir alsbald in Vers 6 hören, die Verherrlichung Gottes, welchem unsere Heiligung untergeordnet erscheint. Im Übrigen muss nach unserem Satz unsere Heiligkeit und Erneuerung, kurz alles Gute im Menschen, als eine Frucht der Erwählung gelten. So schließt denn auch dieses Satzglied alles eigene Verdienst vollkommen aus. Wäre es des Apostels Meinung gewesen, dass Gott uns erwählt, weil Er Gutes in uns vorausgesehen, so hätte ja der Ausdruck genau umgekehrt lauten müssen. So aber folgt nicht die Erwählung aus unserem gerechten Wandel, sondern ein gerechter Wandel aus der Erwählung. Denn freilich soll die göttliche Erwählung uns nicht Anlass zu einem zügellosen Leben werden, wie etwa gottlose Leute schmähen und sagen: Wie wollen herrlich und in Freuden leben und tun, was uns gefällt - denn wenn wir erwählt sind, können wir nicht verloren gehen. Paulus sagt ganz im Gegenteil, dass mit der Gnadengabe der Erwählung untrennbar ein heiliges Leben verbunden ist: Denn welche Gott in Ewigkeit erwählt hat, die beruft und rechtfertigt Er in der Zeit. Von einer fleckenlosen Heiligkeit ist dabei auf der anderen Seite auch nicht die Rede: Sie bezeichnet nur das letzte Ziel, das wir erst nach vollendetem Lauf erreichen.

Wo bleiben denn nun die Leute, die vor der Lehre der Erwählung zurückschrecken und fliehen als vor einem unentwirrbaren Irrgarten, ja dieselbe nicht nur für unnütz, sondern auch für schädlich halten? Kein Lehrstück ist nützlicher als dieses, wenn es nur richtig und nüchtern behandelt wird, wie es hier von Paulus geschieht, der uns lehrt, die Vorherbestimmung dankbaren Sinnes als ein Zeugnis der unermesslichen Güte Gottes zu betrachten. Sie ist der rechte Quell, aus dem wir Erkenntnis des göttlichen Erbarmens schöpfen. Mögen die Menschen sonst überall Ausflüche suchen – die Erwählung schließt ihnen den Mund, dass sie nichts mehr sich anmaßen dürfen und können. Würden wir freilich diesen Zusammenhang des Erwählungsglaubens aus dem Auge verlieren, so möchten wir leicht auf die Abwege gefährlicher Spekulation geraten.

Gott will nun, dass wir unseren heiligen Wandel vor Ihm in der Liebe führen, d.h., wie sollen vor Seinem Angesicht ein gutes Gewissen haben. Gott lässt sich ja nicht wie ein Mensch durch äußeren Schein täuschen, sondern sieht auf wahre Treue und ein aufrichtiges Herz. Die letzten Worte könnte man übrigens auch zum folgenden Satz ziehen: In der Liebe hat Er uns verordnet zur Kindschaft. Ich bevorzuge indessen die erste Verbindung: Danach besteht die Vollkommenheit der Gläubigen in der Liebe, die zwar nicht alles ist, was Gott von uns fordert, wohl aber der entscheidende Beweis wahrer Furcht Gottes und des Gehorsams gegen Sein Gesetz. Was nun folgt, soll Gottes Gnade in noch helleres Licht setzen. Der Apostel nennt in diesem Verse drei Ursachen unseres Heils, und etwas später fügt er noch eine viere hinzu. Die eigentlich bewirkende Ursache ist das Wohlgefallen des göttlichen Willens. Das Mittel ist Christus, der Zweck ist das Lob der Gnade. Sehen wir jetzt, was er über jeden einzelnen Punkt sagt. Auf den ersten Punkt beziehen sich die Worte: Und hat uns verordnet zur Kindschaft gegen ihn selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens. Das hat Gott zu einer Zeit getan, da wir überhaupt noch nicht vorhanden waren. Es lag also kein Verdienst von unserer Seite vor, und die Veranlassung zu unserer Rettung ist demgemäß nicht von uns, sondern von Gott ausgegangen. So begnügt sich denn Paulus nicht, einfach von Gottes Willen zu sprechen, sondern fügt ausdrücklich noch einen Hinweis auf das ‚Wohlgefallen‘ des göttlichen Willens hinzu. So fällt jeder Anstoß von außen und jedes Verdienst vollends dahin. Als uns Gott zu Seinen Kindern annahm, hat Er nicht auf das gesehen, was wir sind, noch hat Ihn irgendein Vorzug von unserer Seite bewogen: Was Ihn bestimmte, uns zu erwählen, war allein Sein ewiges Wohlgefallen. Und nach einer so deutlichen Aussprache wagt man es noch, nach anderen Gründen auszuschauen? Damit aber gar nichts fehle, sagt Paulus endlich noch von Gottes Gnade in Vers 6: …durch welche er uns hat angenehm gemacht. Dass Gott uns liebt und in Seine Gemeinschaft aufnimmt, haben wir also nicht verdient, sondern geschenkt empfangen, und zwar in dem Geliebten. Damit wird die vermittelnde Ursache unserer Seligkeit gestreift: Von Gottes geliebtem Sohne geht Gottes Liebe auf uns über. Zuvor ist schon die Endursache unserer Erwählung genannt, ihr letztes und höchstes Ziel: Gott hat uns erwählt zu Lob seiner herrlichen Gnade. Wer also nicht Gott einzig und allein den Ruhm unserer Errettung lassen will, der kämpft gegen Seinen ewigen Ratschluss an.